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Ausgabe:

Oktober/2000

Spalte:

1030–1032

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Escolan, Philippe

Titel/Untertitel:

Monachisme et Église. Le monachisme syrien du IVe au VIIe siècle: un ministère charismatique.

Verlag:

Paris: Beauchesne 1999. VI, 410 S. 8= Théologie Historique, 109. ISBN 2-7010-1387-9.

Rezensent:

Klaus Fitschen

An einer Gesamtdarstellung des syrischen Mönchtums bzw. Asketenwesens fehlt es trotz des umfangreichen Werkes von Arthur Vööbus (A History of Ascetism in the Syrian Orient) und der offenbar weithin vergessenen und auch vom Vf. des vorliegenden Buches nicht rezipierten Studie von Stephan Schiwietz (Das Morgenländische Mönchtum). Eine solche Darstellung könnte plausibel machen, dass dieses Themenfeld keinesfalls abseitig ist, sondern eine interessante Verknüpfung von Frömmigkeits-, Theologie- und Ereignisgeschichte beinhaltet und seine Berücksichtigung die Beschreibung der antiken Kirchengeschichte vor einer auf das "Klassische" zielenden Verengung bewahrt. Der Vf., Historiker und bisher noch nicht mit Studien zu dem von ihm hier bearbeiteten Themenkreis hervorgetreten, hat versucht, sich ein anspruchsvolles und umfangreiches Gebiet zu erarbeiten und das Erarbeitete in eine bündige Gesamtdarstellung umzusetzen. Dieses ehrgeizige Projekt ist nicht immer zufriedenstellend zum Ziel gekommen.

In einer Introduction benennt der Vf. seine wesentlichen Perspektiven und die von ihm immer wieder in Beziehung zueinander gesetzten Akteure: Da sind die "Mönche" (die ja zuerst einmal Einzelasketen sind), deren Lebensideal ein Gegenmodell zur weltlichen, institutionalisierten Kirche ist. Im 4. Jh. ist das syrische Kirchenwesen insgesamt stark vom Mönchtum geprägt; die Differenzen zwischen Klerus und Mönchen brechen erst danach auf. Wichtige Akteure sind auch asketische Protestbewegungen wie der Messalianismus. Eine besondere Beziehung hatten die syrischen Mönche zu den Laien, von deren finanziellen Zuwendungen sie lebten. Unter "syrisch" versteht der Vf. offenbar den syrischen Sprachraum vom Hinterland Antiochias bis nach Mesopotamien.

Im I. Kapitel ("L'héritage du premier ascétisme syrien") behandelt der Vf. die Anfänge, also vorwiegend Aphrahat, Ephraem und den Liber Graduum. Außerdem wird die immer wieder diskutierte Frage behandelt, wer die im Deutschen so genannten "Bundessöhne" waren. Die asketische Bewegung des 4. Jh.s wird samt ihren abweichenden, zur Häresie tendierenden Strömungen zutreffend als archaische, also traditionalistische Opposition gegenüber der sich verfestigenden Kirchenstruktur gesehen (27). So gelten die Jahre 360-430 als eine "période de mutations importantes" (53), in der sich das "klassische" Mönchtum durchsetzt, die "Bundessöhne" marginalisiert und vom Klerus kontrolliert werden und sich ein weltlicheres Christentum ausbildet. Erhalten bleibt aber die alte syrische asketische Theologie mit ihrer charismatischen Prägung.

Im II. Kapitel ("Les hérésies") vertieft der Vf. die gängige These, die häretischen Strömungen in Syrien seien archaisierende asketische Bewegungen gewesen, die einer klerikalen Hierarchisierung der Kirche und ihrer Verweltlichung widersprochen hätten. Dies wird vor allem an den Audianern gezeigt. Die Vielfalt christlicher Strömungen in Edessa zur Zeit Ephraems wird angesprochen, ebenso die Bedeutung Rabbulas von Edessa im Kampf gegen heterodoxe Bewegungen.

Das III. Kapitel ("Le messalianisme") stellt den Messalianismus als einflussreichste und ebenfalls traditionalistische Häresie in Syrien vor, allerdings wird dabei nicht gesehen, dass der Ketzertitel Messalianer spätestens seit dem 6. Jh. auf andere Bewegungen übertragen wird. Der Vf. bringt im Strom der bisherigen Forschung den Liber Graduum mit dem Messalianismus in Verbindung, geht aber mit seiner Vermutung in die Irre, dieses bedeutende und zugleich rätselhafte Werk könne das 431 in Ephesus verurteilte Handbuch der Messalianer, das Asketikon, sein (93, vgl. 15).

Im IV. Kapitel ("L'engagement dans la vie monastique") geht der Vf. anhand der Auswertung von Quellen ganz unterschiedlicher zeitlicher und regionaler Herkunft vor allem auf die alte Verbindung von Familienaskese und Mönchtum ein. Der Weg in die asketische Sphäre konnte also ein radikaler Bruch sein, aber auch ein natürlicher Übergang von Kindern oder Jugendlichen, die asketisch erzogen waren.

Das V. Kapitel ("Le financement du monachisme: la clientèle monastique") beschreibt die Asketen als geschickte Spendenakquisiteure, die ihre Sponsoren durch geistliche Klientelverhältnisse an sich banden. So ließe sich auch die Vielzahl kirchlicher Gebäude gerade in Nordsyrien erklären (200). Dieses Modell ist im Blick auf den materialen Befund allerdings recht hypothetisch und wäre mit dem epigraphischen Material (Stifterinschriften) zu korrelieren.

Das VI. Kapitel ("Les moines et la société laïque: évangélisation et prédication") vertieft den Aspekt der Beziehungen zwischen den Asketen und dem Kirchenvolk. Die Rolle berühmter Prediger wird hervorgehoben, aber auch die Konkurrenz von charismatischen Asketen und Bischöfen.

Das VII. Kapitel ("L'ordination des moines et le sacerdoce monastique") beschreibt noch einmal die Konkurrenz zwischen Asketen und Klerikern und die Versuche, die Asketen zu integrieren und zu kontrollieren. Dem diente die Priesterweihe von Asketen. Andererseits wird zutreffend die Tendenz der Mönche beschrieben, sich unter Berufung auf ihre charismatische Autorität vom Klerus unabhängig zu machen.

Hieran schließt das VIII. Kapitel an ("La mainmise des moines sur l'épiscopat"). Obwohl die meisten Bischöfe Mönche waren, ergaben sich auch in Syrien Konflikte zwischen Amtsautorität und charismatischer Autorität.

Das IX. Kapitel ("Les moines dans les conflits ecclésiastiques") wiederholt z. T. Beobachtungen aus den vorhergehenden Kapiteln: Hier wird die Rolle der Asketen in den dogmatischen, vorwiegend christologischen Kämpfen beschrieben.

Das Buch enthält eine Fülle von Beobachtungen, Quellenreferaten und Informationen aus der Sekundärliteratur. Der Vf. verliert sich aber oft in diesem Faktenreichtum. Demgegenüber ist die historische Auswertung voller Redundanzen, so dass sich die Hauptthesen häufig wiederholen. Die historischen Prozesse hätten differenzierter aufgezeigt werden müssen, und dies nicht nur in ihrer zeitlichen, sondern auch in ihrer regionalen Gliederung. Schon zwischen dem byzantinischen West- und dem sassanidischen Ostsyrien wäre noch schärfer zu differenzieren gewesen. Die Entwicklung des syrischen Klostermönchtums hätte eigens thematisiert werden können. Es bleibt auch unklar, wie der Vf. sich das von ihm immer wieder angeführte "klassische" Mönchtum vorstellt. Basilius von Caesarea kommt nur am Rande vor, und obwohl der Vf. die französischsprachige Forschung recht breit rezipiert, fehlt eine Auseinandersetzung mit Jean Gribomont und seinen Thesen zu Basilius. Gerade weil der Vf. die Rolle des Johannes Chrysostomos an vielen Stellen hervorhebt, wäre eine umfänglichere Auseinandersetzung mit der griechischen Literatur angebracht gewesen. Der archäologische Befund wird an etlichen Stellen mit dem literarischen verknüpft. Geeignet ist diese Darstellung für Leserinnen und Leser mit Vorkenntnissen. Eine bündige und gut lesbare Darstellung bleibt aber nach wie vor ein Desiderat.