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Ausgabe:

April/2024

Spalte:

321-323

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Wolff, Christian Elmo

Titel/Untertitel:

Die theologische Entwicklung Bernhard Rothmanns. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte Münsters.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2021. 552 S. = Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 54. Geb. EUR 98,00. ISBN 9783374067725.

Rezensent:

Nicole Kuropka

Die in Münster bei Albrecht Beutel vorgelegte Promotion von Christian Elmo Wolff umfasst das gesamte zeitliche Wirken Bernhard Rothmanns und seine Bedeutung für die reformationsgeschichtlichen Ereignisse in Münster bis zum Ende der Täuferherrschaft. Die Studie umfasst 16 Kapitel zuzüglich einiger Exkurse sowie einen fast 50-seitigen Anhang mit textkritischen Quelleneditionen.

Die Studie ist strikt chronologisch und biographisch aufgebaut. Sie folgt kleinschrittig und ausgesprochen detailliert dem Quellenbestand aus historischen Berichten, Briefen, Predigten und Rechtsdokumenten. Unterbrochen wird dieser Aufbau nur durch inhaltliche Exkurse sowie Kapitel über Lehrschriften Rothmanns. Das Inhaltsverzeichnis gibt ausdrücklich an, welche Dokumente jeweils Gegenstand der Untersuchung sind, sodass auf zusammenfassende oder interpretierende Überschriften in den Unterkapiteln verzichtet wird. Da Register fehlen, ermöglicht diese detaillierte Auflistung auch die schnelle Sichtung dieser reichen Quellenstudie.

Ziel der Untersuchung ist es, die theologische Entwicklung Rothmanns anhand seiner Schriften aufzuzeigen: Die Einleitung sichtet daher kritisch die vorhandenen Quellen in ihren zum Teil unzureichenden Drucken und Editionen. Schwerpunktmäßig basiert diese Arbeit dabei auf der Grundlage der von Robert Stupperich besorgten dreibändigen Quellensammlung zu den »Schriften der Münsterischen Täufer und ihrer Gegner« (von 1970–1983), die vor allem ergänzt wird durch die »Wiedertäufergeschichte« Hermann von Kerssenbrocks (hg. durch Heinrich Detmer Ende des 19. Jh.s). Auf die editorischen Schwächen dieser Quellensammlungen wird hingewiesen. Im Verlauf der Studie werden diese daher immer kritisch anhand von Originalen geprüft und in wichtigen Fällen eine eigene Edition im Anhang geboten.

Außerdem bietet die Einleitung einen forschungsgeschichtlichen Überblick von Heinrich Detmer (1904) bis zu Christian Peters (2017), wobei der Vf. in allen diesen Studien die Darstellung der Entwicklung von Rothmanns Theologie als unzureichend bemängelt. Seine Studie will quellengetreuer als bisher Rothmanns theologische und biographische Entwicklung nachzeichnen (26). Dass den Quellen dabei so großer Raum beigemessen wird, begründet der Vf.: »Die Darstellung dieser Schriften erfolgt detailliert, um die theologische Entwicklung zu belegen und um der Leserschaft zu ermöglichen, sich auch separat mit einzelnen Schriften beschäftigen zu können.« (Ebd.) Das intensive Studium der Briefe soll dabei den Diskurs der Rothmannschen Theologie mit anderen zentralen Akteuren der Reformation zeigen, vornehmlich Philipp Melanchthon, Martin Bucer und Martin Luther, aber auch Bischöfen, Landesherren oder der Ritterschaft. Die Ereignisse bis zur und während der Täuferherrschaft in Münster werden nur kompakt dargestellt, um der gewünschten Konzentration auf Rothmann gerecht zu werden.

Kapitel 1 geht quellenkritisch und detailgetreu den ersten drei Jahrzehnten der Biographie Rothmanns nach und diskutiert profund die unterschiedlichen biographischen Stationen von Geburt, Bildung und ersten Berufsjahren. Ab Ende 1529 weitet sich die Quellenlage, da Rothmann nun als Prediger in St. Mauritz (vor Münster) wirkt. Der Vf. beleuchtet beginnend mit Kapitel 2 die unterschiedlichen bereits genannten Quellengattungen mit Blick auf die Biographie und die theologische Entwicklung Rothmanns. Dabei werden zuerst seine Bildungsreisen (u.a. nach Wittenberg, Straßburg) und Kontakte mit reformatorisch Gesinnten rekonstruiert (Kap. 2), sodann seine Rückkehr nach St. Mauritz und die ersten öffentlichen reformatorischen Predigten, der daraus resultierende Konflikt mit Johann von Deventer über das Fegefeuer und erste Predigtverbote (Kap. 3). Anfang des Jahres 1532 siedelte Rothmann nach Münster um und nahm eine Predigttätigkeit in Lamberti auf. In der kurzen Zeitspanne bis August desselben Jahres gelang es ihm, so zeichnet der Vf. nach, wichtige Unterstützer für seine reformatorischen Anliegen bei den Bürgern, den Gilden und dem Rat zu gewinnen und die reformatorische Bewegung zu stärken (Kap. 5). Im siebten Kapitel wird Rothmanns Tätigkeit in der Stadtentwicklung Münsters bis zur Annahme der Reformation nachgezeichnet. Aufgrund seiner ablehnenden Haltung zur Kindertaufe (Kap. 9) verlor Rothmann seine prominente Predigtstelle, nicht aber die Möglichkeit zu predigen. Seine von Luther, Melanchthon und Bucer divergierende theologische Position wird anhand von Quellen aus der zweiten Hälfte des Jahres 1533 nachgezeichnet. »Die letzten Schritte zur Herrschaft der Täufer in Münster« (Kap. 11) skizzieren knapp den Aufschwung der Täuferbewegung, durch die Rothmann seine bis dahin vorhandene Führungsrolle verlor.

Da die Profilierung seiner Theologie nun nicht mehr ereignisgeschichtlich dargelegt werden könne, entscheidet sich der Vf., die folgenden Kapitel thematisch zentralen theologischen Schriften aus der Zeit der Täuferherrschaft zu widmen. Bereits vorher waren einzelne Kapitel zu Lehrschriften in die biographischen Entwicklungen eingeschoben worden (Kap. 4: Das Lehrbekenntnis, Kap. 6: Kurze Anweisung etlicher Missbräuche, Kap. 8: Zuchtordnung, Kap. 10: Bekenntnis von beiden Sakramenten). Nun schwenkt der Vf. zu einer Darstellung der Rothmannschen Theologie, während die weiteren Ereignisse in Münster nur in Exkursen überblicks-artig dargestellt werden. Die Kapitel 12–16 widmen sich einzelnen Schriften und schlüsseln diese entsprechend ihrer Gliederung auf, wobei jeweils ein »Fazit« die Untersuchungsergebnisse summarisch zusammenfasst. Der Vorteil dieser Darstellungsform liegt darin, dass das große Spektrum theologischer Themen deutlich wird, der Vf. dabei allerdings auf eine systematische Akzentuierung der Theologie verzichtet. Wer sich nicht durch die Fülle der Quellen, ihrer textgeschichtlichen Analysen und ihrer historischen Verortung arbeiten möchte, findet am Ende unter dem »Ergebnis« eine 14seitige Zusammenfassung.

Dass der Name Melanchthon wiederholt falsch getrennt wird (z. B. 100 oder 114) und das gleiche auch beim Hauptakteur Rothmann (z. B. 488) passiert, ist misslich, mindert aber die Qualität der sonst sorgfältigen Studie nicht. Sicherlich ist aber Folgendes zu bedauern: Ein Namensregister hätte diese Studie enorm bereichert, weil der Vf. zu vielen, eher unbekannteren Personen (vgl. Johannes Osenbrügge, 55–60; Johannes Glandorp, 212, Anm. 228) reichhaltiges Material und biographische Informationen zusammenträgt. Diese können aber nur von denen gefunden werden, die wissen, wo sie suchen müssen.

Zweifelsohne besticht diese Studie durch ihre Liebe zum Detail – bei der Biographie Rothmanns wie ebenso bei den Quellen und den zum Teil sehr unbekannten Akteuren und Netzwerken. Dadurch ermöglicht sie sowohl eine Darstellung der Ent- wicklung von Rothmanns Theologie als auch eine präzise und differenzierende Sicht seiner Position in Abgrenzung zu anderen reformatorischen Lehren. Wer allerdings nur Ergebnisse einer quellengeschichtlichen Analyse sucht, wird diese Darstellung als langatmig empfinden. Wer jedoch aus der Perspektive Rothmanns die reformatorischen Ereignisse in Münster binnendifferenziert verstehen will, wird an dieser Studie nicht vorbei kommen.