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Ausgabe:

März/2024

Spalte:

153-154

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Böttigheimer, Christoph, u. Wenzel Maximilian Widenka [Hgg.]

Titel/Untertitel:

The Concept of Economy in Judaism, Christianity and Islam.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2023. IX, 146 S. = Key Concepts in Interreligious Discourses, 9. Kart. EUR 29,95. ISBN 9783110782301.

Rezensent:

Anne Koch

Ein weiterer lesenswerter Band liegt in der Key Concept Reihe (KCID) zum interreligiösen Dialog des Bayerischen Forschungszentrums für interreligiöse Diskurse (BaFID) an der Universität Erlangen-Nürnberg vor. Dieser geht auf eine Konferenz an der KU Eichstätt zurück und wird von dem dortigen katholischen Fundamentaltheologen und seinem Mitarbeiter herausgegeben. Das »Preface« trägt eine aufklärerische Vision in der Weise vor, dass eine begriffliche Verständigung zum Frieden unter den Völkern beitragen soll. Das greift der Epilog auf, indem Verbindendes der Ansätze herausgehoben wird.

Zum Judentum schreibt Moses L. Pava, ehemals Professor für Rechnungslegung und jetzt insbesondere für jüdische Wirtschaftsethik. Er führt aus, wie viele Themen des grundsätzlich positiv aufgefassten Wohlstands in Tenach, Mischna und Talmud immer wieder neu verhandelt wurden (u. a. Erben, Schuld, Zins, Landbesitz, gerechter Preis) und dass ihre Bewertung zunächst aus der idealisierten Perspektive der Bundestheologie auf Land und den männlichen Besitzer erfolgte und sich erst in den ersten Jahrhunderten n. Chr. differenzierteren Märkten anpasste. Angesichts von Widersprüchen der nicht textkritisch genommenen Schriften und von Vorgaben, etwa Leibeigene von kriegerisch Unterlegenen zu nehmen, fragte schon die Auslegungstradition, wie eine theologisch angeleitete Wirtschaft aussehen könne.

Andre Habisch, Christliche Gesellschaftslehre und nun wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, zeigt an Etappen der christlichen Gruppen- und Schriftbildung, wie wenig zentral ökonomische Themen in einer auf das Jenseits orientierten Bewegung sind. Erst mit der Industrialisierung entstanden eine christliche Sozialethik und entsprechende Institutionen, für die die sogenannten Laien unter den christlichen Ständen treibende Kraft waren.

Rodney Wilson, Emeritus zur Wirtschaft des Nahen Ostens, behandelt ausführlich die sehr ausgearbeiteten mikro- und makroökonomischen Instrumente islamischer Ökonomie, deren Ziel es ist, eine Vision von gerechter Gesellschaft in Kritik an neoliberaler Ökonomie in Märkte zu bringen, und die sich immer neuen ethischen Fragen – wie dem Profit aus kohlenstoffbasierten Rohstoffen angesichts von Klimaerhitzung – zu stellen hat. Dazu, wie ökonomisch erfolgreich diese Instrumente sind, bedürfe es noch verstärkter empirischer Forschung.

Wirtschaftliche, nicht anders als politische oder soziokulturelle Bedingungsfaktoren sind aus dem zeithistorischen Kontext zu bestimmen und z. B. für das Verständnis von Herrschaft, Geschichte oder sozialer Hierarchie vorzuhalten. Grundsätzlich ist also die Behandlung des Konzepts Ökonomie nicht mit mehr Tücken verknüpft als theologische Key concepts. Allerdings bedarf es wirtschaftshistorischer Kenntnis, um von der uns heute vertrauten Wirtschaftsform sehr unterschiedene Formen des Ressourcenumgangs zu erkennen, die zudem aus normativen und schon in den Referenztexten je nach textkritischer Schicht aus verschiedenen Blickwinkeln behandelt werden. Alle drei Beiträger sind auch Ökonomen und gehören zur Generation der frühen Baby Boomer. Ob daher der große Konsens der Autoren rührt, dass Kapitalismus zum Wohle aller in höhere Ziele eingebettet werden könne? Revolutionäre Visionen eines gänzlich anderen Systems finden sich nicht. Weshalb erstmals in dieser Reihe ein feuilletonistisches »Foreword« eines Funktionsträgers einer religiösen Organisation eingeschlossen wird, erschließt sich nicht. Zumal diese Organisation jüngst am deutschen Arbeitsmarkt als Getriebene, anstatt als Gestaltende, sich erstmals aus der Regulation von Reproduktion zurückziehen musste, die sie im säkularen Sprachregister zur Privatsache erklärte, aus dem Kalkül, als »Herr« »Knechte« zu behalten.