Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2024

Spalte:

68-70

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Abramowski, Luise

Titel/Untertitel:

Jesus der Christus im Glauben der Kirche. Bd. 2/5: Die Kirche in Persien. Hgg. v. A. Grillmeier, u. T. Hainthaler.

Verlag:

Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 864 S. Geb. EUR 98,00. ISBN 9783451390258.

Rezensent:

Hacik Rafi Gazer

Das von Alois Grillmeier (1910–1998) initiierte und bearbeitete große Werk »Jesus der Christus im Glauben der Kirche« wurde auch nach seinem Tode von weiteren gelehrten Persönlichkeiten fortgesetzt. Luise Abramowski (1928–2014) forschte seit 1952 bis zu ihrem Tode 2014 über die Christologie der Kirche des Ostens. Aus der über 60-jährigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema Christologie liegen zahlreiche Aufsätze und Monographien vor. Im Jahre 2021 erschien ein Sammelband mit 26 Aufsätzen (Luise Abramowski: Neue Christologische Untersuchungen. Bearb. v. A. M. Schilling, hg. von H. Ch. Brennecke, V. H. Drecoll u. Ch. Markschies, Berlin 2021). In dem vorliegenden, sehr umfangreichen Band handelt es sich um A.s Opus magnum.

Die Christologie der Ostsyrischen Kirche, die auch als »Kirche des Ostens« oder »Kirche von Persien« bekannt ist, wird von A. analysiert und dargestellt. A.s jahrzehntelange Forschungen wurden hier von Theresia Hainthaler gesammelt, redigiert und herausgegeben. Der Band enthält auch Hainthalers eigene Studien zur Christologie der Ostsyrischen Kirche. Die Werke der Theologen aus der Zeit des 5. bis 8. Jh.s stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen der beiden Autorinnen. Das Vorwort der Herausgeberin Hainthaler ist allein schon in wissenschaftshistorischer Hinsicht sehr informativ und beschreibt den Werdegang und die Entstehung des gesamten Werkes.

In der Einführung (1–55) wird von Theresia Hainthaler die Ausbreitung des Christentums in Mesopotamien und Persien sowie die Anfänge der Kirche des Ostens dargestellt. Hier werden zunächst die wichtigsten Quellen – »Die Aberikos-Inschrift«, »Das Buch der Gesetze der Länder«, »Die Mari-Akten« sowie »Die Chronik von Arbela« – vorgestellt. Sie geht auch auf die Christenverfolgung im sassanidischen Reich ein. Danach stellt sie die Organisation der Kirche des Ostens dar. Dabei werden die beiden in dieser Kirche für kirchenleitende Amtsträger verwendeten Titel »Katholikos« und »Patriarch«, wie sie bis Ende des 5. Jh.s gebräuchlich waren, erläutert. Die Akten der Synode von Dadisho 424 und die Sendeschreiben der westlichen Väter sowie der Briefwechsel Papas werden herangezogen. Die Kirche in Persien betrachtet sich selbst als Glied der größeren patriarchalen Familie.

Im ersten Hauptteil »Von Edessa nach Nisibis« (59–229) untersucht A. in zwei Kapiteln die Christologie von Narsai (gest. 502/3). Anhand von ausgewählten Homilien über Jesus Christus wird das Christusbild Narsais und seine Christusfrömmigkeit vor Augen geführt. Im ersten Kapitel (59–176) wird zunächst Homilie LIV 30 »Unser König«, der »gekreuzigte Mann«, aus einer in Nissibis gehaltenen Predigt analysiert. Narsais Sicht des korrekten Verständnisses der Kreuzesverehrung, der Verächtlichkeit und Herrlichkeit des Gekreuzigten und des Kreuzes steht hier im Mittelpunkt. In Homilie LVI wird Narseis Betrachtung der zweiten Hypostase der Trinität, die Weise ihres Kommens in die Welt, die zwei Naturen und die Einheit der Person Christi betrachtet. Nach der Analyse der Homilie zu Joh 1,14 hält A. fest:

»Die oben angestellte Beobachtung, daß Narsai seine Auslegung von Joh 1,14 mit dem ›Sehen der Herrlichkeit‹ beginnt, scheint mir von zentraler Bedeutung für seine Christologie. Die gesehene Herrlichkeit ist einerseits die des inuns Wohnenden, also des Logos im angenommenen Menschen – von der Inkarnation kann also für die Gottesschau abgesehen werden. Andererseits ist diese Herrlichkeit zu sehen ›als die des Eingeborenen vom Vater her‹ – es ist also wirklich die des Logos [siehe auch oben die »schöne Herrlichkeit seiner Verborgenheit« – »Verborgenheit« = Gottheit]. Die Menschwerdung ist die Weise, in der sie uns zugänglich gemacht wird, kein Wunder, daß Narsai immer wieder diese unerhörte Erhöhung des Menschen Jesus und damit unserer eigenen Natur preist.« (10–111)

Mit zwölf weiteren Homilien (112–176), die von Narsai 471 in Nisibis abgefasst worden sind, wird das Christusbild Narsais weiter beleuchtet. Im zweiten Kapitel (177–229) stehen die Debatten der nachephesinischen Christologie der edessinischen Theodorianer im Mittelpunkt: Habib, Narsai, Jakob von Sarug, Barsauma von Nisibis. Letzterer war auch der Gründer der theologischen Schule von Nisibis. A. analysiert hier auch das Glaubensbekenntnis der Synode des Katholikos Aqaq 486:

»Wir lehren und warnen die ganze Gemeinschaft der Gläubigen, daß nach der Lehre durch die Apostel und nach der Unterweisung durch die Väter, wie sie überliefert ist und forthin gilt in der Kirche Christi, der Glaube von uns allen leben soll in einem Bekenntnis der einen göttlichen Natur, die in drei vollkommenen Hypostasen (qnomē) der einen wahrhaftigen und ewigen Trinität des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes besteht, jenem Bekenntnis, durch das das Heidentum besiegt und das Judentum verurteilt werde.« (225)

Im zweiten Hauptteil der Studie (233–281) befasst sich A. mit dem Katholikos Mar Aba I. (540–552) und seinen Schülern Thomas von Edessa und Cyrus von Edessa sowie mit der Einführung des Liber Heraclidis in Persien. Seine sehr bewegende Biographie sowie sein in der Gefangenschaft abgelegtes Bekenntnis des Katholikos Mar Aba I. wird sehr sorgfältig analysiert. Die Einführung des Liber Heraclidis von Nestorius bzw. dessen Übersetzung aus dem Griechischen ins Syrische wird von A. auf das Jahr 539/40 datiert.

Im dritten Hauptteil der Studie (285–380) stehen die Auseinandersetzungen mit Henanas’ Christologie, den Synodalbekenntnissen der Persischen Kirche, der Synode des Katholikos Joseph (554), der Synode des Katholikos Ezechiel (576) sowie den weiteren Synoden von 585, 596, sowie 605 im Mittelpunkt.

Der vierte Hauptteil der Studie (383–561) ist eine eingehende Monographie zur Christologie Babias des Großen. Zunächst wird die syrische Version der Kephalia gnostica des Euagrius besprochen, danach werden die beiden Kommentare Babais Keph. VI77 und Keph VI14 behandelt. Die sehr ausführliche Analyse der Christologie Babais wird von A. anhand des Hauptwerks »De unione« vorgenommen (438–522). Darüber hinaus werden noch drei weitere Texte von Babias herangezogen und besprochen. Der vatikanische Traktat »Memra gegen jene, die sagen: Wie Seele und Leib eine Hypostase (sind), so (sind) der Gott Logos und der Mensch eine Hypostase« (522–529); »Ein titelloser Text (Nestorian collection)« (529–532); und »Die Vita des Märtyrers Georg« (532–538) werden ebenfalls analysiert. A. fasst die Christologie Babais zusammen (552–561): »Babai betont immer wieder die Unbegreiflichkeit der Einheit des Unendlichen und des Endlichen in Christus, sie ist ein Wunder; und für das Wunder reicht die vorgegebene Schematik der Seinsanalyase nicht aus.« (561)

Der fünfte Hauptteil der Studie ist von A. und Hainthaler gemeinsam gestaltet. Von den vier Unterkapiteln ist das Kapitel 1.3.4. von A., Kapitel 2. und der »Ausklang« von Hainthaler verfasst.

In der frühislamischen Zeit befassen sich die Theologen der Kirche des Ostens weiterhin mit der Christologie. Nun stellt A. im 1. Kapitel des 5. Hauptteils das Werk des Katholikos Išoyahb II. (von Gedala) (628–646) dar. Dabei werden die »hymnische Paraphrase des Vaterunsers«, »Das Glaubensbekenntnis für Kaiser Heraklius (Aleppo 630)« und der »Christologische Brief (vor 628)« vorgestellt.

In einem 2. Kapitel befasst sich Hainthaler teilweise zusammen mit A. mit der genaueren Analyse dieser genannten Werke.Hainthaler stellt zunächst das Aufkommen der arabischen Herrschaft in das Gebiet der Kirche des Ostens und das Ende des sassanidischen Reiches, also den Abfall Persiens und Qatars in der Mitte des 7. Jh.s, dar. Danach stellt sie das Leben und Werk des Katholikos Išoyahb III. des Großen (649–659) dar. Abwechselnd analysieren A. und Hainthaler seine Christologie anhand seiner Briefe. In einem Unterabschnitt wird Martyrios-Sahdona und sein christologischer Ansatz vorgestellt. A. analysiert im 3. Kapitel den Brief des Katholikos Georg I. (660–680/81) an den Chorbischof Mina als ein Enchiridion ostsyrischer Christologie. Danach wendet sich A. im 4. Kapitel dem Werk und der Christologie des Johannes von Dalyatha und des Katholikos Timotheus I zu.

Zum Schluss der Studie analysiert Hainthaler im »Ausklang« (761–796) die literarische Gattung der causae festorum im 6.–8. Jh. Mit dem Kapitel »Die Causa-Literatur und Theodor von Mopsuestia« wird die Studie abgeschlossen. Es folgen Listen der Sassaniden-Könige und der Oberhäupter der Kirche des Ostens sowie eine umfangreiche Bibliographie, aufgefächert in Quellen und Sekundärliteratur. Dem Band sind mehrere Register beigegeben.

Als Rezensent kann ich mich am Ende meiner Besprechung den Worten von Hainthaler anschließen, die sie bei der Besprechung des Sammelbandes »Neue Christologische Untersuchungen« von A. in der ThLZ 148, Heft 7/8 2023, Sp. 723, geäußert hat:

»Man bekommt einen Einblick in die Arbeit von A[bramowski] in den verschiedenen Bereichen, immer originell, selbständig, mit scharfer Beobachtung. Wer die Geduld und Ausdauer aufbringt, diese Aufsätze durchzuarbeiten (und sich anzueignen), wird einen großen Schatz erwerben. Es sind oft meisterhafte Analysen, welche eine souveräne Beherrschung der Dogmengeschichte bis in die Details voraussetzen. Aufsätze, außerordentlich präzise und pointiert formuliert, anspruchsvoll, immer anregend und herausfordernd.«

In den Beiträgen der Herausgeberin Hainthaler, die in diesem Band erschienen sind, findet die Leserschaft ebenfalls einen solchen Einblick, wie sie für Luise Abramowski ausgeführt und bescheinigt werden.