Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2024

Spalte:

57-59

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Frey, Jörg, u. Uta Poplutz [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Taufe und Heil im Johannesevangelium.

Verlag:

Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht 2022. VIII, 216 S. = Biblisch-Theologische Studien, 190. Kart. EUR 39,00. ISBN 9783525560617.

Rezensent:

Veronika Burz-Tropper

Die im vorliegenden Band veröffentlichten und zu besprechenden Beiträge gehen zurück auf die fünfte Tagung des Colloquium Ioanneum (Zürich 2016), ein 2010 von J. Frey und U. Poplutz gegründetes internationales, ökumenisches Doktoranden- und Habilitandenkolloquium, »das Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern ein jährlich tagendes Forum bietet, bei dem sie durch die Vorträge renommierter Expertinnen und Experten neue Einblicke in die aktuelle Forschung zum Corpus Ioanneum gewinnen und zugleich die eigenen im Entstehen begriffenen Qualifikationsarbeiten aus diesem Bereich vorstellen und in offener Werkstattatmosphäre diskutieren können« (V). Der Band enthält insgesamt sechs Beiträge, fünf davon in deutscher Sprache und einer in englischer.

Jörg Frey eröffnet den Tagungsband mit seinem Beitrag »Die Taufe im Johannesevangelium – forschungsgeschichtliche Perspektiven« (1–34) und bietet damit »ein[en] kurze[n] Blick auf Wege und Irrwege der exegetischen Diskussion und den gegenwärtigen Stand der Fragestellung« (1), da die Frage nach den Sakramenten, vor allem nach Taufe und Eucharistie, im Johannesevangelium von jeher Probleme bereitet hat. Nach der Behandlung von Vorfragen (etwa das Verhältnis des JohEv zu den Synoptikern etc.) widmet sich Frey zunächst der Herausbildung von Forschungspositionen im 19. Jh., sodann den Diskussionslinien in der ersten Hälfte des 20. Jh.s, bevor er genauer auf zwei Stimmen aus der Schweiz eingeht: Oscar Cullmann und Eduard Schweizer, die »in aufschlussreicher Weise sachlich die Spannbreite der Diskussion um die Sakramente im Johannesevangelium« (17) widerspiegeln, da Cullmann mit »Urchristentum und Gottesdienst« diesbezüglich eine »›maximalistische Position‹« (18) vertritt und Schweizer als »Minimalist« (vgl. 22) gelten kann. Auch Perspektiven der neueren Forschung werden besprochen (etwa das Bild des Täufers, Taufe durch Jesus, Neugeburt aus »Wasser und Geist«), wobei Frey sich zunächst neuen Paradigmen und ihren Folgen widmet (das Zurücktreten der konfessionellen Prägung, Schwinden der Plausibilität des literarkritischen Auslegungsparadigmas, gewachsenes Bewusstsein für die metaphorische bzw. symbolische Dimension des joh Textes). In seinen abschließenden Perspektiven kommt er zu folgenden, nachvollziehbaren Schlüssen: »Nirgendwo im Johannesevangelium wird die christliche Taufe näher beschrieben oder detailliert erörtert. […] Die Diskussionen um Sakramentalismus und Spiritualismus oder auch die Kategorien von Doketismus und Antidoketismus sind im Blick auf das Johannesevangelium anachronistisch und unangemessen. […] Letztlich spielt die (christliche) Taufe im Johannesevangelium eine untergeordnete Rolle.« (33 f.) Insgesamt ist Frey zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass »[d]ie konkreten Fragen der christlichen Taufe und ihrer Praxis« hinter Fragen der Christologie und Soteriologie zurücktreten, da »letztlich […] der Akzent der johanneischen Verkündigung nicht auf dem Wasser, sondern auf dem Geist« liegt (34).

Carsten Claußen bietet mit »Johannes der Zeuge im Johannesevangelium für die Leserschaft des Markusevangeliums« (35–75) einen in vielerlei Hinsicht spannenden und lehrreichen Beitrag, der sich mit der rezeptions- bzw. wirkungsästhetischen Fragestellung, wie Leser und Leserinnen des Johannesevangeliums, die gleichzeitig auch als Rezipienten des Markusevangeliums verstanden werden, die johanneischen Akzentsetzungen in der Darstellung von Johannes dem Täufer wahrnehmen, auseinandersetzt und aus dieser Perspektive alle joh Täuferstellen (Joh 1,6–8; 1,19–28; 1,29–34; 3,22–30; 5,31–36; 10,40–42) behandelt. Nach seinem detailreichen Textdurchgang kommt Claußen zum – durchaus nicht neuen – Schluss, dass es im Kern Gemeinsamkeiten gibt, und dass klar ist, dass es um die gleiche Person geht: Johannes hat Jesus und viele andere im Jordan getauft und sich selbst nach Jes 40,3 als »eine Stimme eines Predigers in der Wüste« verstanden. Sowohl in der mk als auch der joh Überlieferung wird eine deutliche Unterordnung des Täufers unter Jesus erkennbar. Darüber hinaus wird im JohEv allerdings von Johannes ein sehr eigenständiges Bild entworfen, das sich nach Claußen – und dem ist zuzustimmen – am besten als »Johannes der Zeuge« charakterisieren lässt.

Der Taufe an sich widmet sich dann Christos Karakolis mit seinem Beitrag »Baptism in the Fourth Gospel: A Synchronic Reading« (77–95) und geht den »possible implicit informations on baptism« (78) nach. Dabei untersucht er zunächst Joh 3,3–10 aus Taufperspektive, bevor er sich mit der Thematik »Wasser und Geist« auseinandersetzt und dabei vor allem auf die zwei Zeichen-Erzählungen in Joh 5 (Betesda) und Joh 9 (Siloam) und die jeweilige Verbindung von Wasser und Heiligem Geist eingeht, die er auch noch für Joh4 aufzeigt und schließlich anhand der Täufererzählung weiter erläutert. Kurz zur Sprache kommt auch Joh 19,34. Nicht unplausibel kommt Karakolis zu folgendem Schluss: »Although a non-baptismal reading of the Fourth Gospel remains possible, it would be extremely difficult to assume that its early Christian readers would altogether fail to recognize a certain degree of baptismal symbolism in it, whether indeed the fourth evangelist had such symbolism in mind or not.« (95)

Christina Hoegen-Rohls widmet sich der spannenden Frage und Antwort »Was meint ›Geisttaufe‹ im Johannesevangelium? Ein komparatistisch grundierter Antwortversuch« (97–138) und geht dabei sehr fundiert dem Begriff der »Geisttaufe« nach, der sich in allen vier Evangelien, der Apostelgeschichte und im ersten Korintherbrief findet – meist im Gegenüber zur »Wassertaufe« aber auch im Zusammenhang mit »Feuertaufe« –, um so zu einem profilierten Blick auf deren Bedeutung bei Johannes zu kommen. Diese zeichnet sich durch einen »mehrperspektivischen theologischen Gehalt« (137) aus: a) Geisttaufe ist ein Motiv hoher Pneumatologie, wobei Geist darin als Merkmal Gottes fungiert; b) joh Theologie wird durch das Motiv der Geisttaufe als pneumatologisch akzentuiert; c) die Geisttaufe bildet auch ein Motiv der pneumatologisch grundierten joh Christologie; d) die Geisttaufe ist zudem ein Motiv einer pneumatologisch pointierten Soteriologie und Eschatologie, insofern sie Gotteskindschaft vermittelt. (vgl. 137 f.)

Im Beitrag » ›Ihr seid schon rein!‹ (Joh 13,10). Die Fußwaschung Jesu – keine Frage der Reinheit?« (139–167) widmet sich Anni Hentschel einem zentralen johanneischen Text, der von jeher auch die Frage nach den Sakramenten im Johannesevangelium mitbestimmt. Die Leser werden kenntnisreich in Interpretationsmodelle der joh Fußwaschungserzählung, die auf Entscheidungen zur textkritisch umstrittenen Stelle Joh 13,10 beruhen, eingeführt. Selbst hält die Autorin den Kurztext von Joh 13,10 für ursprünglich und als sich inhaltlich am besten in den Kontext einfügend. Für sie ist die Frage der Reinheit eine absolut untergeordnete und verweist keineswegs auf ein anderes Heilsereignis wie z. B. die Taufe.

Abgerundet wird der Band durch den aufschlussreichen Beitrag von Tobias Nicklas »Mensch sein und Mensch werden im Johannesevangelium« (169–207), der sich der bisher viel zu wenig beachteten Fragestellung nach dem Menschen im Neuen Testament am Beispiel des Johannes widmet. Er versucht dies in mehreren Schritten: 1) Die Besprechung von Schlüsseltexten (Joh 1,9–13; 17,2; 20,31), 2) die Deutung des JohEv als »Story über die Vollendung von Mensch und Schöpfung« und 3) über Erzählungen in der Erzählung: verschiedene Wege verschiedener Menschen (Nikodemus, »Juden« und »Pharisäer«, der Blindgeborene). Die »heilsuniversalistische« Bedeutung und Perspektive, die dabei der Begriff der »Gotteskinder« hat und die Nicklas andeutet, gilt es auch in Zukunft weiterzudenken.

Mit diesen Beiträgen bietet der Band ein Potpourri an interessanten und zum Weiterdenken anregenden Studien zu Taufe und Heil im Johannesevangelium!