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Ausgabe:

Dezember/2023

Spalte:

1270-1272

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Jast, Sven

Titel/Untertitel:

Gelingende Evangelisierung und missionarische Entscheidung.

Verlag:

Freiburg i.Br.: Herder 2023. 368 S. = Theologie im Dialog, 29. Kart. EUR 45,00. ISBN: 9783451396298.

Rezensent:

Felix Eiffler

Die von Sven Jast im Wintersemester 2021/2022 an der Vinzenz Pallotti University eingereichte Dissertation verfolgt das Ziel, »einen möglichen Weg für eine gelingende Evangelisierung zu beschreiben.« (12) Die Ausführungen nehmen besonders den deutschen Kontext in den Blick. Die These der Arbeit lautet, »dass es gewisser wesentlicher Koordinaten für die Evangelisierung bedarf, damit sie fruchtbar sein kann.« (12) Die einführende Begriffsbestimmung ist hinsichtlich des Begriffs ›Neuevangelisierung‹ hilfreich. Die Definition von Evangelisierung/Evangelisation ist jedoch – v.a. in der Verhältnisbestimmung zum Begriff ›Mission‹ – zu knapp und lässt wichtige Stränge des Diskurses außer Acht: So findet bspw. die Debatte zur missio Dei sowie die umfangreiche Arbeit des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) der Universität Greifswald keinerlei Erwähnung.

Die Arbeit besteht aus vier Hauptteilen, die sich aus den vier Koordinaten ergeben, die laut Jast für »das Gelingen der Evangelisierung bedeutsam« (12) sind: 1. eine Bestimmung des Standortes bzw. der Situation, in welcher die Evangelisierung stattfindet; 2. die Aussagen von vier Dokumenten des weltkirchlichen Lehramtes, welche sich im Besonderen mit Evangelisierung befassen, sowie dem Dokument Zeit zur Aussaat der Deutschen Bischofskonferenz; 3. ekklesiologische Aspekte zum Thema Evangelisierung; 4. die sog. »missionarische Entscheidung«, welche im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium (EG 27) von Papst Franziskus skizziert worden ist.

Die Standortbestimmung im ersten Hauptteil erfolgt in drei Schritten: »1. Die gesellschaftliche Lage in der Welt. 2. Die Situation der römisch katholischen Kirche in der Welt. 3. Die Lage dieser Kirche in Deutschland.« (32) Leider fällt die Beschreibung der internationalen Lage äußerst knapp aus und beschränkt sich auf die Nennung einiger Schlagwörter (Postmoderne, Klimawandel, Pluralismus etc.). Die Darstellung der weltweiten kirchlichen Situation erfolgt etwas ausführlicher anhand des Dokumentes Christifideles Laici von Johannes Paul II (1991) sowie zweier Studien zum Thema Evangelisierung: der US-amerikanischen Studie Parish Catalyst (2016) und der deutschen Studie Qualität in Pfarreien (2017). Zur Darstellung der Situation der katholischen Kirche in Deutschland nutzt Jast verschiedene Statistiken u. a. der Deutschen Bischofskonferenz und des Bertelsmann Religionsmonitors sowie Dokumente katholischer Institutionen wie der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz (KAMP) und missio Aachen.

Der zweite (und umfangreichste) Hauptteil der Dissertation widmet sich der Analyse weltkirchlich-lehramtlicher Dokumente und deren Aussagen zum Thema Evangelisierung. Die vier Dokumente, die Jast dieser Analyse zugrunde legt, sind: Das Missionsdekret Ad gentes des II. Vaticanums (1965), das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi von Papst Paul VI (1975), die Enzyklika Redemptoris missio von Papst Johannes Paul II (1990) sowie das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium von Papst Franziskus (2013). Zudem bezieht der Autor sich auf das Dokument Zeit zur Aussaat der Deutschen Bischofskonferenz (2000). Jast identifiziert acht Themenbereiche, die sich in (fast) allen von ihm untersuchten lehramtlichen Dokumenten hinsichtlich des Themas Evangelisierung finden lassen und summiert diese acht Themenfelder zu drei Hauptaspekten, welche die Grundlage für die systematisierte Zusammenstellung der »verbindend-verbindlichen Aussagen zur Evangelisierung« (107ff.) bilden. Diese lauten: »1. Gottes Handeln und Evangelisierung. 2. TrägerInnen der Evangelisierung. 3. Das Evangelisierungsgeschehen.« Der zweite Hauptteil der Arbeit stellt die analysierten Dokumente detailliert vor, was informativ aber auch redundant ist. Zudem weist der Abschnitt eine sehr große thematische Breite auf, die letztlich dazu führt, dass viele Bezugnahmen nur oberflächlich erfolgen und sich häufig in der Nennung bzw. Aufzählung bestimmter Begriffe, Sachverhalte, Forderungen und Ziele ausdrücken. Manche Aussagen, die im Anschluss an die lehramtlichen Dokumente getroffen werden, erfolgen dabei gelegentlich im Modus der Behauptung, die ihre Gültigkeit aus der Autorität der Quellen ableitet. Dies ist aus katholischer Sicht nachvollziehbar. Aus ökumenischer sowie wissenschaftlicher Perspektive ist es jedoch problematisch, da keine kritische Aus-einandersetzung und Prüfung der lehramtlichen Dokumente und deren Aussagen erfolgt. Zudem stellt sich angesichts des Alters der meisten analysierten Texte sowie deren geographisch-kulturellen Kontexts die Frage nach der Relevanz dieser Dokumente für die Suche nach einer gelingenden Evangelisierung im gegenwärtigen deutschsprachigen Raum.

Im dritten Teil der Arbeit reflektiert der Autor ekklesiologische Aspekte zum Thema Evangelisierung. Neben biblischen Texten und kirchlichen Bekenntnissen bezieht er sich vor allem auf das Buch Katholische Kirche von W. Kasper. Diesen Fokus auf das Werk Kaspers begründet Jast mit dem Entstehungskontext der Arbeit an der Vinzenz Pallotti University. Im dritten Kapitel verfolgt der Autor vier Spuren: 1. Kirchenbilder in trinitätstheologischer Perspektive. 2. Die notae ecclesiae aus dem ›Großen Glaubensbekenntnis‹ (Nicaeno-Constantinopolitanum). 3. Die Grundvollzüge der Kirche (Martyria, Diakonia, Leiturgia und Koinonia). 4. Kirchenbilder, Spiritualitäten und Evangelisationsmodelle (im Anschluss an G. Augustin). In diesem Kapitel referiert Jast verschiedene Positionen des Diskurses und verbindet bestehende Modelle miteinander.

Im vierten Kapitel wird die vierte und letzte Koordinate skizziert: Die sog. »missionarische Entscheidung«. Aus dieser resultiert dem Autor zufolge eine Evangelisationskultur, welche er in theo- und anthropozentrischer Perspektive reflektiert. Das zentrale Zitat, auf das sich der Autor bezieht, stammt aus Evangelii gaudium und lautet: »Ich träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient.« (EG 27) Auf der Grundlage des Zitats benennt Jast vier »Kanalmodule« (Gewohnheiten, Stile, Zeitpläne, Sprachgebrauch und Struktur), durch die sämtliches kirchliches Handeln zu einem Kanal der Evangelisierung werden soll. Anschließend benennt er Kriterien zur Beurteilung der Ergebnisse der Evangelisierung und betrachtet die »missionarische Entscheidung« nochmals eingehender hinsichtlich der Frage, was sie hindert und fördert.

Die Dissertation zeichnet sich durch eine hohe strukturelle Stringenz aus, da sich der Autor streng auf die Darlegung der vier genannten Koordinaten konzentriert. Zudem berührt das Werk viele Themen, was ihm eine große thematische Breite verleiht. Dies führt jedoch dazu, das zahlreiche Themen nur kursorisch behandelt werden. Auffällig ist die Wahl der Literatur: Neben katholischen Werken nimmt der Verfasser auch Beiträge aus dem evangelischen Diskurs auf, bezieht sich hier aber meist auf nichtwissenschaftliche Literatur.

Angesichts des Erscheinens des Buches in der Reihe Theologie im Dialog bleibt ein wenig offen, mit wem der Autor einen Dialog führen möchte, da sich die Referenzen im Wesentlichen auf katholisch-theologische Bezüge beschränken.