Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2023

Spalte:

1238-1240

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Evang, Martin u. Ilsabe Alpermann [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Heft 30.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023. 96 S., mit 5 Notenbeispielen = Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch, 30. Kart. EUR 23,00. ISBN 9783525503614.

Rezensent:

Johannes Schilling

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Evang, Martin u. Ilsabe Alpermann [Hgg.]: Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Heft 31. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023. 88 S., mit 4 Notenbeispielen = Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch, 31. Kart. EUR 23,00. ISBN 9783525503621.


Mit den beiden vorliegenden Heften wird die Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch in ihren Liedmonographien abgeschlossen. Das erste Heft erschien unter der Herausgeberschaft von Gerhard Hahn und Jürgen Henkys im Jahr 2000, von Heft 14 (2008) an trugen Wolfgang Herbst und Ilsabe Seibt die Hauptverantwortung, und seit Heft 19 (2014) geben Martin Evang und Ilsabe Alpermann (Seibt) das Werk gemeinsam heraus.

Damit sind nunmehr alle 535 Lieder und Gesänge aus dem EG einzeln kommentiert. Die Reihenfolge der Kommentierung entspricht dabei nicht der Abfolge der Lieder im EG, auch wenn Heft 1 mit EG 1 Macht hoch die Tür eröffnet wurde. Das gewählte Verfahren, diejenigen Beiträge, die jeweils vorlagen, zu veröffentlichen, hat sich als sinnvoll erwiesen, und durch eine Übersicht am Ende der Hefte konnte und kann man sich leicht orientieren, in welchem Heft das gesuchte Lied kommentiert ist. In Heft 6/7 werden die liturgischen Gesänge behandelt, Heft 8 hatte, anlässlich eines Jubiläums, einen Themenschwerpunkt: Jochen Klepper. Heft 1 enthielt eine programmatische Einleitung von Martin Rößler, Jürgen Henkys, Gerhard Hahn, Johannes Heinrich und Christian Finke sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis, das in den Heften 14, 19 und 26 durch Nachträge ergänzt wurde. In diesem ersten Heft war bereits eine Buchausgabe in Aussicht gestellt worden, und in Heft 4 (2002) teilte der Verlag mit, es sei »eine gebundene Ausgabe mit regulärer Liednummernfolge vorgesehen, deren Preis (unverbindlich) bei 250 Euro liegen dürfte« (ebd., U 3). Ob es dazu kommt, werden die Verantwortlichen alsbald zu entscheiden haben – vielleicht wird der Zugang künftig auch über eine Datenbank erfolgen. Vorerst zeigen die beiden letzten Hefte, dass zur Fertigstellung des Unternehmens ein erhöhter und entschiedener Einsatz des gegenwärtigen Herausgeberpaars erforderlich war. »Heft 32. Register« ist für November 2023 angekündigt; es soll dem Vernehmen nach auch ein Verzeichnis der Mitarbeiter des Werks und ihrer Beiträge enthalten. Außerdem wird es ein Ergänzungsheft mit den neuen Wochenliedern geben.

In dieser Zeitschrift wurden nur die Hefte 4 (ThLZ 128, 2003, 103) und 5 (ThLZ 128, 2003, 960) unter der Rubrik »Titelschau« angezeigt – eine Besprechung des großen und verdienstvollen Unternehmens ist dagegen bisher nicht erfolgt.

Die »Liederkunde« ist als solche Band 3 eines »Handbuchs zum Evangelischen Gesangbuch«. Band 1 (1995) ist eine »Konkordanz zum Evangelischen Gesangbuch. Mit Verzeichnis der Strophenanfänge, Kanons, mehrstimmigen Sätze und Wochenlieder erarbeitet und hrsg. von Ernst Lippold und Günter Vogelsang«. Das Werk hat sich in meinem Gebrauch als überaus nützlich erwiesen. Band 2 (1999) enthält »Komponisten und Liederdichter des Evangelischen Gesangbuchs herausgegeben von Wolfgang Herbst«. Auch er ist ein hilfreiches Hilfsmittel, das durch die Literaturangaben in der Liederkunde im Lauf von deren Erscheinen ergänzt wurde – drei Jahrzehnte hymnologischer Forschung haben seither reiche Erträge erbracht, auch in biographicis; Nachträge hat der Autor auch im Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie gesammelt.

Die Anfänge dieser Liederkunde waren geprägt von Angehörigen der Jahrgänge um 1930. Zu deren Studienzeiten war es um die Hymnologie in Deutschland noch ein wenig besser bestellt als gegenwärtig, und so konnte ein solides Fundament für die Liederkunde gelegt werden. Zum Glück für das Vorhaben sind nach und nach jüngere Mitarbeitende hinzugekommen; die jüngsten von ihnen sind nach 1990 geboren.

Der Charakter der Monographien ist durchaus unterschiedlich. Neben eher erbaulichen Betrachtungen, vor allem in der Anfangszeit – die Beiträge in den ersten Heften kommen häufiger ohne Anmerkungen aus – stehen gründliche Interpretationen und eindringliche hymnologische Forschungen. Im Lauf der Zeit hat ein Prozess der Verwissenschaftlichung stattgefunden, der der Liederkunde gutgetan hat – die Informationsdichte ist gestiegen, und dabei ist die Lesbarkeit der Beiträge erhalten geblieben. Da und dort hätte man sich Hinweise auf die Rezeptionsgeschichte der Lieder gewünscht. Zu den Glanzstücken des Gesamtwerkes zählen die Monographien über Luthers Lieder durch den Gründungs-herausgeber Gerhard Hahn, aber etwa auch Martin Evangs Bearbeitung und Auslegung von Gott ist gegenwärtig (EG 165) oder die Monographie von Herz und Herz vereint zusammen (EG 251) von Dietrich Meyer und Erik Dremel. Zu manchen Liedern ließ und lässt sich freilich über ein paar Realien hinaus nicht viel sagen oder gar erklären. Deshalb wurde unlängst die Ansicht geäußert, ein Lied, über das man in der Liederkunde nichts schreiben könne, sei es auch nicht wert, in ein künftiges Gesangbuch aufgenommen zu werden – in der Tat eine bedenkenswerte Idee.

Liest man die beiden letzten Hefte, so wundert man sich, welche Lieder bisher nicht bearbeitet worden waren, obwohl sie zu den Klassikern evangelischer Kirchenlieder zählen: 165 Gott ist gegenwärtig, 243 Lob Gott getrost mit Singen, 251 Herz und Herz vereint zusammen, 328 Dir, dir, o Höchster, will ich singen, 330 O dass ich tausend Zungen hätte oder gar 342 Es ist das Heil uns kommen her, das zu den ersten evangelischen Liederdichtungen zählt und sich schon 1524 im Achtliederdruck findet.

Bei aller Anerkennung der Leistung von Herausgebern und Autoren, die hier nicht alle genannt werden können – Andreas Marti hat eine Vielzahl von Melodien kompetent kommentiert –, dürfen vor allem diejenigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht vergessen werden, die die Redaktion besorgt und die Hymnologischen Nachweise erbracht haben: Dorothea Monninger (Redaktion 1–27) und Daniela Wissemann-Garbe (Redaktion 28–31, seit Heft 14 auch Hymnologische Nachweise), Christian Finke und Helmut Lauterwasser (Nachweise Heft 1–13) sowie Christiane Schäfer (Nachweise seit Heft 14). Sie haben einen erheblichen Anteil am Gelingen und an der endlichen Fertigstellung des Gesamtwerks.

Inzwischen sind die Arbeiten an einem neuen Evangelischen Gesangbuch aufgenommen worden. Wer auch immer dort mitarbeitet, kann sich glücklich schätzen, in der Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch eine Grundlage für die Arbeit an den Texten und Melodien und einen Kompass für die Orientierung bei der Zusammenstellung eines künftigen Gesangbuches zu haben. Man wird sehen, ob die Richtung gehalten worden sein wird.

Die Liederkunde, so ist abschließend zu sagen, ist mehr, viel mehr geworden »als eine Art Reiseführer für alle, die in unserem Gesangbuch auf Entdeckungsfahrt gehen wollen« (Heft 1, 7), wie der Ratsvorsitzende der EKD Manfred Kock im Jahr 2000 treuherzig meinte. Sie ist ein hymnologisches Grundlagenwerk, das seinesgleichen bisher nicht hatte. Angesichts schwindender hymnologischer Kompetenz – die Praktische Theologie an den deutschen Theologischen Fakultäten hat hier so gut wie nichts mehr zu bieten – ist es ein Glück, dass Ilsabe Alpermann, eine Schülerin des Begründers Jürgen Henkys, und Martin Evang, einer der kundigsten Hymnologen dieser Zeit, die seit Jahrzehnten für das Gedeihen dieses Werkes gewirkt haben, die Liederkunde nunmehr haben abschließen können. Ein vergleichbares Werk wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben – aber es bedarf eines solchen auch nicht.