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Ausgabe:

Dezember/2023

Spalte:

1175-1196

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Harm-Peer Zimmermann

Titel/Untertitel:

Die Grimms, die Märchen und das Alter
Ein intra- und ein paratextueller Abriss

Grimms Märchen haben einen doppelten Bezug zum Alter: einen inneren und einen äußeren.1 Der innere Bezug besteht darin, dass in diesen Märchen bestimmte Altersbilder vorherrschen, dass sich also anhand von Figuren und deren Handlungen eine intratextuelle Agenda des Alters verfolgen lässt. Der äußere Bezug besteht darin, dass sich die Brüder Grimm immer wieder zum Thema Alter im Allgemeinen und besonders zu Altersaspekten in Märchen geäußert haben. Jacob Grimm hat sogar eine große Rede Über das Alter (1860) gehalten.2 Grimms Märchen sind also eingebettet in eine paratextuelle Alters-Agenda. Diese äußeren Aspekte sollen im ersten Teil erläutert werden, denn sie machen die Altersbilder, die in Grimms Märchen vermittelt werden, erst recht eigentlich verständlich. Im zweiten und längeren Teil geht es um die Präsenz, um die Figuren und Eigenschaften sowie um die Bilder des Alters in den Märchen selbst.

Die Brüder Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) sind in einem evangelischen Elternhaus in Hanau und in Steinau an der Straße sowie in Kassel aufgewachsen. Väterlicherseits waren sowohl der Großvater als auch der Urgroßvater Geistliche, und zwar reformierten (nicht lutherischen) Glaubens.3 Diese protestantische Prägung hat zweifellos Einfluss auf das wissenschaftliche Schaffen der Brüder Grimm gehabt. Jedoch gibt es darüber bislang keine einschlägige Untersuchung. Auch dieser Beitrag kann das nicht grundlegend nachholen, nicht einmal in Hinblick auf das Thema Märchen und Alter. Deshalb müssen sich Hinweise auf Religiöses auf eindeutig christlich inspirierte Märchen mit Altersthematik wie Der alte Großvater und sein Enkel (KHM 78) oder Die alte Bettelfrau (KHM 150) konzentrieren. Darüber hinaus werden Grimms Bezugsnahmen zur germanischen Mythologie und zu Figuren wie Hexen, Zauberer, Zwerge herausgearbeitet, die heute neureligiöse Bildwelten bevölkern. Eine Brücke zur Religion schlagen auch ethische, anthropologische und utopische Aspekte von Altersbildern in Grimms Märchen. Insgesamt aber bietet dieser Beitrag eher indirekte Bezüge zu Religion und Glauben.

I Das Thema Alter bei den Brüdern Grimm (die paratextuelle Agenda)



Die Brüder Grimm haben den ersten Band ihrer Kinder- und Hausmärchen (KHM) 1812 veröffentlicht; 1815 ist der zweite Band erschienen. Diese Erstveröffentlichungen enthielten 85 und 70 Märchen, dazu umfangreiche Vorreden.4 Mit der zweiten Auflage beider Bände (1819) wuchs der Inhalt auf 86 und 75 Märchen plus neun Kinderlegenden an.5 1822 erschien ein dritter Band, der aber ausschließlich aus Anmerkungen und Kommentaren besteht.6 Für die Grimm-Forschung von besonderer Bedeutung sind außerdem die Handexemplare der Brüder Grimm, die inzwischen zum Weltkulturerbe erklärt worden sind. Es handelt sich um die zweite Ausgabe von 1819 und um den Anmerkungsband von 1822, worin Wilhelm Grimm handschriftliche Notizen (Quellenangaben etc.) vermerkt hat.7 Die dritte Auflage beider Bände (1837) enthielt dann zusammen 168 Märchen und neun Kinderlegenden.8

Bis zur Ausgabe letzter Hand (1857) wuchs die Sammlung auf 200 Märchen und zehn Kinderlegenden an.9 Diese 7. Auflage liegt den Auswertungen in diesem Beitrag zugrunde. Rahmend sind vor allem die Vorreden zur ersten und zweiten Auflage sowie Jacob Grimms Rede Über das Alter relevant. In diesen Paratexten haben sich die Brüder Grimm eingehend einerseits zum Alter der Märchentexte, andererseits zum Alter der Märchenerzählerinnen und Märchenerzähler (Gewährsleute) und schließlich zum Alter im Allgemeinen geäußert.

1 Zum Alter der Märchentexte



Ein möglichst uraltes Herkommen ihrer Märchen nachzuweisen, daran war den Brüdern Grimm besonders gelegen, und dafür haben sie zwei Grundunterscheidungen getroffen: diejenige zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit der Überlieferungswege sowie diejenige zwischen Naturpoesie und Kunstpoesie als Schöpfungsprinzipien.

Sehr offensiv haben die Brüder Grimm die Auffassung vertreten, Märchen seien ursprünglich mündlich überliefert worden. Sie stammten demnach aus vorliterarischer Zeit, als man gemeinsam am Feuer oder am Ofen saß, am Küchenherd, auf Bodentreppen, in Spinnstuben sowie an »heimlichen Plätzen in Wohnungen und Gärten«.10 Überdies haben die Brüder Grimm die Meinung vertreten, es gebe Natur- und Volkspoesie auf der einen Seite, Schriftkultur und Kunstpoesie auf der anderen Seite.11 Wobei erstere die ursprüngliche und weitaus ältere Poesie sei als letztere. Die Volkspoesie ist demnach aber keineswegs abgetan, überwunden und vergangen, sondern sie ist weiterhin gegenwärtig und produktiv: Aus alter mündlicher Überlieferung schöpfend, würden Märchen und Sagen vor allem in der einfachen Bevölkerung bis auf den heutigen Tag (die Zeit um 1800) fortleben.

Gemeint sind vor allem diejenigen Bevölkerungsschichten, die zu Grimms Zeiten wenig mit Schrift in Berührung kamen und kaum oder gar nicht lesen konnten. Diese Bevölkerungsteile würden »die alten Sagen [und Märchen] fest im Gedächtnis« bewahren, schrieben die Brüder Grimm im Vorwort zur zweiten Auflage der Kinder und Hausmärchen (1819).12 Und weil sie eben nicht auf eine schriftliche Fixierung zurückgreifen würden, seien die Märchenerzählerinnen und Märchenerzähler aus dem Volk auf die besonders genaue Wiedergabe von Überlieferungen gleichsam geeicht. So berichten Jacob und Wilhelm Grimm in demselben Vorwort über eine ihrer wichtigsten Erzählerinnen, die Märchenfrau Dorothea Viehmann aus Niederzwehrn bei Kassel:

»Wer an leichte Verfälschung der Überlieferung, Nachlässigkeit bei Aufbewahrung und daher an Unmöglichkeit langer Dauer als Regel glaubt, der hätte hören müssen, wie genau sie immer bei der Erzählung blieb und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie änderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber.«13

Die Brüder Grimm haben das Alter der Märchen letztlich mit einem Zirkelschluss begründet: Märchen stammen aus der Volkskultur, die Volkskultur besteht im Wesentlichen aus mündlicher Überlieferung, und diese geht der schriftlichen weit voraus – also sind Märchen oder zumindest Teile davon Zeugnisse aus uralten Zeiten. Und das gilt nicht nur für einzelne Märchen: Ausdrücklich wird die »lange Dauer als Regel« ausgewiesen. Märchen oder ihre Figuren und Motive sind demnach in der »Regel« uralt, und sie verdanken ihre »lange Dauer« der »Anhänglichkeit des [schriftlosen] Volkes ans Überlieferte«:

»Die Anhänglichkeit an das Überlieferte ist bei Menschen, die in gleicher Lebensart unabänderlich fortfahren, stärker als wir [mit Literatur vertraute Menschen], zur Veränderung geneigt, begreifen.«14

Dieses uralte Alter haben die Brüder Grimm genauer bestimmt: Sie sprechen vom »epischen Grund der Volksdichtung«.15 Damit ist die mythisch heidnische Zeit der Germanen gemeint: »In diesen Volks-Märchen liegt lauter urdeutscher Mythus, den man für verloren gehalten«, heißt es in der Vorrede zum zweiten Band der Kinder- und Hausmärchen (1815).16 In Märchen seien »Anschauungen und Bildungen der Vorzeit erhalten«17, so 1819; sie würden »manche überraschende Verwandtschaft mit alten Göttersagen«18 (1837) aufweisen. Die Brüder Grimm behaupten weiter, sie hätten »in der Übereinstimmung [von Märchen] mit nordischen Mythen den Beweis des ursprünglichen [Überlieferungs-] Zusammenhangs gefunden«.19 In seiner Deutschen Mythologie versucht Jacob Grimm 1835 diesen Nachweis im Einzelnen zu erbringen. In Märchen leben demnach »überreste [sic20] des heidnischen glaubens«21 fort; zum Beispiel finde sich die germanische Göttin Holdâ in Volkserzählungen von Frau Holle wieder.22 Mythische Vorstellungen von Zwergen und Wichten hätten sogar eins zu eins Eingang in Märchen und Sagen gefunden.23

Hohes Alter, volkstümlich treue und genaue Überlieferung – das ist die Idealvorstellung einer Erzähltradition, wie sie die Brüder Grimm bis zum Schluss vertreten haben. Bei zahlreichen Märchenfiguren und Märchenmotiven, selbst bei bestimmten Handlungsabläufen handele es sich um Reste, Splitter der nordischen Mythologie. So heißt es 1856:

»Dies Mythische gleicht kleinen Stückchen eines zersprungenen Edelsteins, die auf dem von Gras und Blumen überwachsenen Boden zerstreut liegen und nur von dem schärfer blickenden Auge entdeckt werden.«24

Diese Auffassung ist inzwischen nur noch in germanophilen Kreisen verbreitet, überdies gelegentlich in esoterischen Kreisen. Wissenschaftlich spielt sie keine Rolle mehr; denn sie lässt sich nur durch Analogieschluss behaupten: aufgrund von Ähnlichkeiten bestimmter Figuren, Gegenstände, Motive in Märchen mit denjenigen in Mythen, was jedoch eine historisch zusammenhängende Überlieferungskette keineswegs belegt. Und schon gar nicht ist diese Kette bei allen Märchen und in der »Regel« so lang, wie die Brüder Grimm angedeutet haben. Was aber nicht heißt, dass nicht (aufgrund literarischer Quellen) von einem beachtlich hohen Alter des einen oder anderen von Grimms Märchens gesprochen werden kann. Einige Figuren und Episoden, die dort anzutreffen sind, reichen bis ins Mittelalter zurück und zum Teil darüber hinaus bis in die Antike. Zum Beispiel ist die Übereinstimmung des Märchens Der Arme und der Reiche (KHM 87) mit der von Ovid überlieferten Sage Philemon und Baucis offensichtlich.25 Wobei der christliche Einfluss (mehr noch als der heidnische) nicht zu unterschätzen ist.26 Man denke nur an die Märchen Marienkind (KHM 3) und Die Sterntaler (KHM 153).

Fragwürdig geworden ist auch die rein mündliche Überlieferungslinie.27 Die Brüder Grimm selbst haben zahlreiche Märchen aus schriftlichen Quellen gezogen und diese in ihren Anmerkungsbänden (1822 und 1856) auch benannt. Für Die Bremer Stadtmusikanten (KHM 27) zum Beispiel geben sie mehrere literarische Überlieferungen aus dem 16. Jahrhundert an.28 Von entscheidendem Einfluss auf die ganze Sammlung ist die italienische (Straparola, Basile, Boccaccio) und die französische (Perrault, Madame D’Aulnoy) Märchenliteratur gewesen.29 Zugleich aber hat die Forschung nachgewiesen, dass die Grimms tatsächlich nach mündlicher Erzählung aufgezeichnet haben.30 Man kann also davon ausgehen, dass außer schriftlichen auch mündliche Überlieferungswege für die Grimms wichtig gewesen sind.31

Insgesamt lässt sich sagen: Grimms Märchen beziehungsweise zahlreiche ihrer Motive stammen aus einem gemeinsamen europäischen Erzählfundus. In diesem Sinne hat Wilhelm Grimm 1811 erklärt: »so scheint es immer deutlicher zu werden, wie die Völker auf einander gewirkt, was sie sich gegenseitig mitgetheilt« haben.32 Viele Episoden aus Grimms Märchen sind im gesamten Abendland verbreitet gewesen, und mit Entdeckern, Auswanderern und Kolonisatoren sind sie dann weit über Europa hinaus gewandert. Bis heute sind diese weiträumigen Überlieferungswege aktuell, und sei es in Gestalt von Kinofilmen und Videospielen.

2. Zum Alter der Märchenerzähler



Wir stellen uns Märchenerzählerinnen und Märchenerzähler gern als alte Leute vor – mit Vorliebe als alte Mütterchen am Ofen, die ihren Enkelkindern und angelegentlich den Brüdern Grimm, die wir uns natürlich auch als ältere Herren vorstellen, alte Geschichten erzählten. In Wirklichkeit aber waren sowohl die Brüder Grimm als auch die meisten ihrer Gewährsleute recht jung.

Als sie 1806 mit dem Märchensammeln begannen, war Jacob Grimm 21 Jahre alt, sein Bruder Wilhelm war ein Jahr jünger. Bei Erscheinen der ersten Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen zu Weihnachten 1812 waren Jacob und Wilhelm Grimm 28 und 27 Jahre alt. Wir verdanken die bedeutendste deutschsprachige Märchensammlung also jugendlicher Begeisterung für Volkserzählungen und nicht etwa altersreifen Germanisten und Volkskundlern. Übrigens verhielt es sich bei anderen Märchensammlungen ebenso. Als Ludwig Bechstein (1801–1860) seine erste Märchensammlung herausgab, die Thüringischen Volksmärchen (1823), war er 22 Jahre alt. Theodor Storm und Theodor Mommsen waren Studenten in Kiel, als sie die schleswig-holsteinischen Volksmärchen sammelten, die später Karl Müllenhoff herausgegeben hat.33

Auf künstlerischen Darstellungen, die postum angefertigt worden sind (wie etwa diejenige von Louis Katzenstein, 1892), erscheinen die Brüder Grimm wesentlich älter, nämlich als gesetzte Männer von 60 Jahren und mehr.34 Für dieses Alt-Machen sind sie natürlich nicht selbst verantwortlich. Aber es lässt sich doch sagen, dass solche Inszenierung durchaus ihrem Geschmack und ihren Intentionen entsprach. Es ging ihnen in jeder Beziehung darum, das Alter herauszustellen: das Alter der Überlieferung, das Alter der Gewährsleute – und womöglich auch ihr eigenes Alter. Der Grund dafür mag vor allem in einer älteren Vorstellung über den Beitrag des Alters zur Kultur gelegen haben, nämlich dass es darauf disponiert sei, Erinnerungen und Wissen zu bewahren. Alte Leute gelten seit der Antike als Träger des kulturellen Gedächtnisses. Sie scheinen die Weisheit einer ganzen Kultur zu verkörpern. Demnach ist vor allem das Alter an Traditionen und kulturellen Werten interessiert und deshalb auch besonders glaubwürdig.35

Entsprechend waren die Brüder Grimm bestrebt, das zumeist jugendliche Alter ihrer Gewährspersonen zu kaschieren.36 Zum Beispiel war die Apothekertochter und spätere Ehefrau von Wilhelm Grimm, Dorothea Wild (1793–1867), als sie den Brüdern Grimm Märchen erzählte (1811 und 1812), gerade einmal 18 bis 19 Jahre alt. Mindestens 15 Stücke der Sammlung stammen von ihr, darunter so bekannte wie Frau Holle (KHM 24), König Drosselbart (KHM 55), Allerleirauh (KHM 65).37 Eine weitere Gewährsfrau war Marie Hassenpflug (1788–1856). Sie hat 1811/12 (da war sie um die 23 Jahre alt) 16 Märchen zur Grimmschen Sammlung beigetragen, darunter Das Mädchen ohne Hände (KHM 31), Daumerlings Wanderschaft (KHM 45), Dornröschen (KHM 50). Es handelte sich also um eine Runde ziemlich junger Leute, die an Märchen interessiert waren. Auch stammten die jungen Märchenerzählerinnen keineswegs aus ländlichen oder altbäuerlichen Verhältnissen, sondern aus dem gehobenen hessischen Stadtbürgertum. Sie hatten nicht selten hugenottischen Familienhintergrund, waren literarisch gebildet und kannten die französische Märchenliteratur, insbesondere die Feenmärchen von Charles Perrault.39 Man traf sich auch nicht in alten Bauernhäusern, wie manche ältere Darstellung den Anschein erweckt, sondern in der Wohnung der Brüder Grimm in der Marktstraße in Kassel.40

Überhaupt nur eine Märchenerzählerin war in einem Alter, das der Grimmschen Inszenierung in etwa entsprach. Das ist Dorothea Viehmann (1755–1815), die bereits genannte Märchenfrau aus Niederzwehrn bei Kassel. Ludwig Emil Grimm, der Bruder der Märchenbrüder, hat sie gezeichnet.41 Mit dieser Darstellung ist Dorothea Viehmann zur Frontfrau der gesamten Sammlung geworden. Das Portrait war allen Großen Ausgaben von 1819 bis 1857 (2. bis 7. Auflage) als Frontispiz vorangestellt. Man kann vom Idealtypus einer Grimmschen Märchenerzählerin sprechen. Die Grimms berichten im Vorwort zur zweiten Auflage ihrer Kinder- und Hausmärchen (1819) über das Alter der Frau Viehmann wie folgt:

»Einer jener guten Zufälle aber war es, dass wir aus dem bei Cassel gelegenen Dorfe Niederzwehrn eine Bäuerin kennen lernten, die uns die meisten und schönsten Märchen des zweiten Bandes erzählte. Diese Frau, namens Viehmännin, war noch rüstig, und nicht viel über 50 Jahre alt.
Ihre Gesichtszüge hatten etwas Festes, Verständiges und Angenehmes, und aus großen Augen blickte sie hell und scharf. Sie bewahrte die alten Sagen fest im Gedächtnis, eine Gabe, die, wie sie wohl sagte, nicht jedem verliehen sei […].
Dabei erzählte sie bedächtig, sicher und ungemein lebendig mit eigenem Wohlgefallen daran, erst ganz frei, dann, wenn man es wollte, noch einmal langsam, so dass man ihr mit einiger Übung nachschreiben konnte.«42

Wie es sich wirklich verhielt, hat der Wuppertaler Germanist Heinz Rölleke in den 1970er Jahren herausgefunden: Dorothea Viehmann war, als sie den Brüdern Grimm Märchen erzählte (1813/14), tatsächlich 57 bis 58 Jahre alt, aber keineswegs Bäuerin, wie die Brüder Grimm behauptetet haben, sondern Tochter eines Gastwirts und Ehefrau eines Schneiders.43 Auch sie hatte hugenottische Vorfahren (geb. Pierson), und auch sie kannte die französische Märchenliteratur. Es handelte sich also nicht um eine einfache, fern von Schrifttradition aufgewachsene Frau aus dem Volk, und besonders alt war sie auch nicht. Sie hat aber tatsächlich an die 40 Märchen zur Grimmschen Sammlung beigetragen, darunter so bekannte wie Die zwölf Brüder (KHM 9), Die Gänsemagd (KHM 89), Der Teufel und seine Großmutter (KHM 125).44

Insgesamt können wir festhalten: Die Grimms haben mit ihrer Frontfrau eine Inszenierung und Stilisierung des Alters vorgenommen, die auf die ganze Sammlung abfärben sollte. Das ist wohl zu dem Zweck geschehen, bestimmte Erwartungen zu wecken und bestimmte Stimmungen zu erzeugen, nämlich die Atmosphäre des Alters, des Altehrwürdigen und Altweisen, wie sie die Brüder Grimm für ihre Märchen bevorzugt haben.

3. Zum Altersbild Jacob Grimms



Jacob Grimms Altersbild findet sich zusammengefasst in seiner Rede Über das Alter, gehalten 1860 zum Gedenken an Friedrich den Großen in der öffentlichen Festsitzung der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.45 Grimm ist zu diesem Zeitpunkt 75 Jahre alt, und mit zunehmendem eigenen Alter ist seine Hochschätzung des Alters zu einem differenzierten Standpunkt herangereift. Das Alter erscheint ihm nun keineswegs nur als Hort des kulturellen Gedächtnisses und der Traditionswahrung, sondern eben auch mit allen möglichen Problemen belastet. Jacob Grimm unternimmt einen Wandelgang durch die Kulturen des Alterns; er sammelt Belege zur Altersfrage, woher immer er sie bekommen kann: von der Antike bis zur Gegenwart, von Europa bis Übersee. Einerlei ob Hochkultur oder Volkskultur, religiös oder säkular, Theorie oder Praxis – nichts soll ausgeschlossen sein, weil es etwa gerade nicht passt oder inkorrekt erscheint. So entsteht insgesamt ein höchst ambivalentes Altersbild, wobei Ambivalenz geradezu zum Programm erhoben wird.

Im Interesse eines Gesamtpanoramas werden sogar extrem negative Altersbilder zitiert: Der Volksmund spottet über schrumpelnde Haut, zahnlose Mäuler, mümmelnde Greise, alte Hexen46, sagt Grimm: »zu allen zeiten haben die menschen das nahende alter […] gehaszt, gescholten und verflucht, oder sind in wehklage darüber ausgebrochen«.47 In allen Kulturen Europas herrschen »volksmäsziger widerwille und abscheu vor dem alter« vor.48 Entsprechend ergehen sich »alle sprachen in ausdrücken«, die das Alter in schlechtes Licht rücken. Im Deutschen werde behauptet, es sei »mürrisch, grämlich, eigensinnig«, es sei sauertöpfisch und pedantisch, faul, geschwätzig, zornig.49 Schonungslos legt der 75-Jährige auch seine eigenen Schwächen offen: die Harthörigkeit, die Knauserigkeit, die Strenge.

Auf der anderen Seite kommt Grimm nicht weniger deutlich und ausführlich auf positive Darstellungen des Alters zu sprechen. Das tut er regelmäßig in einem Zug mit der negativen Seite, sodass beinahe der Eindruck einer strukturalen Analyse entsteht. Zwar werde das Alter vielfach für hässlich befunden, aber zugleich heiße es doch auch, »dasz alte leute manchmal schöner werden als sie vorher waren«.50 Auf der einen Seite ist vom geizigen, strengen, verdrossenen Alter die Rede, auf der anderen Seite von Großzügigkeit, Milde und Heiterkeit.51 Dem Bild der Nachlässigkeit stehe das Bild gesteigerter Sorgfalt entgegen52, dem Bild des Starrsinns und der Ängstlichkeit das der »freien gesinnung« und Kühnheit53.Grimm sortiert das in Epochen und Kulturen der Welt Vorgefundene nach Gegensätzen und Widersprüchen. Er plädiert für ein Denken und Darstellen in Oppositionen, kontrastiert, was er vorfindet, entlang von Ambivalenzen wie hässlich/schön, pedantisch/großzügig, ängstlich/kühn.

Auf diese Weise hat Jacob Grimm kulturelle und soziale Spannweiten des Sagbaren, Sichtbaren, Lebbaren ausgemessen und ausgemittelt. Alle Gegensätze zusammengenommen repräsentieren das gesamte Spannungsfeld von Alternsmöglichkeiten in Kultur und Gesellschaft. Dabei kann es ausdrücklich nicht darum gehen, für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen. Es geht Grimm nicht einmal darum, negative Altersbilder zu widerlegen. Denn der Nachweis, dass sie falsch sind, kann weder empirisch noch logisch erbracht werden. Sie sind ja richtig, allerdings nur in einer bestimmten Richtung. Unter anderen Gesichtspunkten und Umständen aber treten andere und vielfach positive Seiten des Alters hervor, die ebenso richtig und richtungweisend sind. Grimm begreift das Alter also in Gegensätzen, Ambivalenzen, Antinomien. Letztere sind Widersprüche, die sich argumentativ nicht auflösen oder aufheben lassen: einerseits »übel und gebrechen des alters«, andererseits »mannigfache vergütung« und »gefühl des wohlseins«.54

Wir können also bei den Brüdern Grimm von früh her ein intensives Interesse am Alter konstatieren, das mit dem eigenen Älterwerden keineswegs nachgelassen hat. Es handelt sich um eine Hochschätzung des Alters, die aber vor Problemen, die mit dem Alterungsprozess einhergehen, keineswegs die Augen verschließt, vielmehr auch negative Seiten zu thematisieren und in die Wertschätzung einzubeziehen weiß. Das Altersbild der Brüder Grimm ist heterogen und bewusst auf Ambivalenzen bedacht: Es verschweigt und beschönigt nichts, aber es würdigt das Alter auch nicht herab oder mindert sein Ansehen. Und ebenso verhält es sich in Grimms Märchen.

II Alter in Grimms Märchen (die intratextuelle Agenda)



Zunächst sei nach der generellen Präsenz des Alters in Grimms Märchen gefragt, sodann nach dem Ensemble an alten Leuten, die darin anzutreffen sind. Schließlich geht es um die Frage, in welchen Märchen das Alter selbst und als solches überhaupt zum Thema gemacht wird. Nur für diese Märchen kann von Altersbildern gesprochen werden, die für die Sammlung insgesamt prägend sind, und zwar unter anthropologischen, ethischen und utopischen Gesichtspunkten.

1. Die Präsenz des Alters



Die Bedeutung des Alters in Grimms Märchen kann zuallererst an seiner quantitativen Präsenz verdeutlicht werden. Zunächst also sei der Textkorpus statistisch ausgewertet: Wie oft kommt das Wort »alt« in der gesamten Sammlung vor? Daraus lassen sich Rückschlüsse auf den Stellenwert von Alter in Grimms Märchen ziehen, indem vergleichend die Häufigkeit anderer Adjektive und Attribute herangezogen wird: Kommen zum Beispiel Wörter wie »gut«, »schön«, »fleißig« häufiger oder weniger häufig vor als das Wort »alt«? Die Analyse basiert auf der Großen Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen von 1857.55 Sie umfasst 200 Märchen und zehn Kinderlegenden.

Das Märchen ist »ein differenziertes Kontrastkunstwerk«, schreibt der Zürcher Märchenforscher Max Lüthi.56 Typisch für Märchen sei das Ordnen und Darstellen des Geschehens in Kontrasten, Polaritäten, Extremen.57 Das heißt, um Protagonisten und andere Figuren zu charakterisieren, werden Eigenschaftswörter bevorzugt, die als Gegensatzpaare auftreten. Das sind vor allem Konstellationen wie gut und böse, schön und hässlich, arm und reich, fleißig und faul, treu und falsch (ungetreu), klug und dumm, stark und schwach, klein und groß, schwarz und weiß – und nicht eben selten: alt und jung. Außerdem finden sich Attribute wie »lustig«, »fröhlich«, »glücklich« im Gegensatz zu »traurig«, »ernst«, »leidend«. – Im Folgenden werden nur qualifizierende, d. h. direkt wertende Adjektive und zugehörige Substantive berücksichtigt, während eher wertneutrale oder indirekt wertenden Adjektive wie »groß« und »klein«, »schwarz« und »weiß« außen vor bleiben.

Was die Hauptsache angeht, können wir feststellen: Das Wort »alt« und das zugehörige Substantiv »Alter« fällt genau 585 Mal (inklusive mundartlicher Bezeichnungen wie »ol«, »old«, »olen«, »olle«). Hinzu kommen sechsmal »steinalt«, aber keinmal »uralt«; außerdem 96 Mal »älter« samt der, die, das »Älteste« (zum Beispiel: der »ältere Sohn«, die »älteste Tochter«). Wir haben es also im weiten Sinne 687 Mal mit Alter zu tun. Das Pendant »jung« fällt dagegen nur 389 Mal. Allerdings kommen 128 »Jungfrauen« und 78 »Jünglinge« hinzu sowie 81 Mal der, die das »Jüngste« oder »Jüngere« und viermal »Jugend«. Wir haben es also im weiten Sinne 680 Mal mit Jugend zu tun. Somit ist der Kontrast von »alt« und »jung«, statistisch gesehen, nahezu ausgeglichen: 687 zu 680 Treffer.

Vergleichend sei zunächst ein Wortpaar herangezogen, das schon bei schneller Lektüre ins Auge springt: »schön« und »hässlich«. Meistens geht es um Frauen, vor allem um Prinzessinnen, aber auch Männern wird Schönheit oder Hässlichkeit attestiert. Die Wörter »schön«, »schöner«, am »Schönsten« fallen genau 547 Mal. Hinzu kommen siebenmal »wunderschön« und zweimal »bildschön«. Insgesamt haben wir es 556 Mal mit Schönheit zu tun, also deutlich weniger als mit dem Alter, und das, obwohl es in Märchen von schönen Königstöchtern zu wimmeln scheint. Die quantifizierende Korpusanalyse aber zeigt: Weit häufiger werden Menschen als »alt« charakterisiert. Das Wort »hässlich« und seine Steigerungsformen kommen hingegen erstaunlich selten vor: nur 27 Mal.

Gibt es überhaupt ein Adjektiv, das häufiger auftaucht als »alt«? Ja, aber nur ein einziges, und das ist das Wort »gut« mitsamt seinen Steigerungsformen »besser«, am »besten«. Dieses Wortfeld wird genau 703 Mal bedient. Aber auch hier ist auffällig, dass der Gegenpol weit weniger präsent ist. Das Wortfeld »böse«, »boshaft«, »schlecht«, »garstig« kommt mitsamt Steigerungsformen auf 236 Treffer. Häufig vertreten ist auch das Wortfeld »golden« oder »Gold«: 486 Mal, gefolgt von »lieb«, inklusive der, die, das »Liebste«: 311 Mal; zudem »lustig«, »fröhlich«, »vergnügt«, »glücklich«: zusammen 238 Mal. Mit armen Leuten und mit »Not« und »Elend« im sozialen Sinne haben wir es 291 Mal zu tun, mit reichen Leuten und mit »Reichtum« 136 Mal. Alle anderen Gegensatzpaare finden sich weit weniger: »treu« (auch »getreu«): 88 Mal, »falsch«: 23 Mal; »klug«: 49 Mal, »dumm«: 26 Mal; »faul«: 30 Mal, »fleißig«: 18 Mal; »stark«: 44 Mal, »schwach«: 17 Mal.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Wortfeld »alt« wird nur durch das Wortfeld »gut« übertroffen. Nimmt man aber »jung« und »böse« hinzu, überwiegt die Alterskennzeichnung mit 1.367 zu 939 Treffern deutlich. Somit lässt sich der Schluss ziehen: Statistisch gemessen spielt das junge und das alte Alter in Grimms Märchen die Hauptrolle. Jedoch darf dabei nicht übersehen werden, dass in vielen Märchen vom Alter überhaupt nicht die Rede ist – nicht mit einem Wort, nämlich in genau 74 von 210 Texten. In weiteren 65 Texten fällt zwar gelegentlich das Wort »alt«, und es kommen alte Personen vor, aber nur nebenher oder en passant. Es handelt sich gewissermaßen um Statisten, die keinen relevanten Einfluss auf das Geschehen nehmen. Nur 71 von 210 Texten thematisieren Aspekte des Alters anhand zentraler Figuren und Charaktere. Wobei weiter einschränkend zu sagen ist, dass das Alter selbst und als solches sehr selten zum Thema gemacht wird: Nur zehn Märchen kreisen um eigentliche Altersfragen wie etwa Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit oder verbleibende Handlungsmöglichkeiten im Alter.58

Die 687 Treffer im Wortfeld »alt« konzentrieren sich also auf rund ein Drittel der Texte. Mithin ist der statistische Querschnitt irreführend insofern, als er ausblendet, dass immerhin zwei Drittel der Märchen nichts oder kaum etwas und dass nur zehn Märchen (unter fünf Prozent) zentral mit dem Alter zu tun haben. Außerdem wird das Ergebnis dadurch verzerrt, dass die Zuschreibung »alt« nur in 421 von 687 Fällen Menschen betrifft. Die anderen Nennungen beziehen sich auf Tiere, Pflanzen und Gegenstände, etwa auf alte Esel, alte Eichen, alte Schlösser. Aber auch diese Attributierungen gehen durchaus mit Altersbildern einher: So sind alter Wein und alter Käse positiv konnotiert, alte Lappen, alte Strümpfe und alte Hosen hingegen negativ. Was aber für das Wortfeld »alt« gilt, trifft auch auf die ähnlich oft vertretenen Wortfelder »gut« und »schön« zu. Auch hier gibt es sozusagen Hotspots der Häufigkeit, während andere Märchen keine oder kaum Treffer aufweisen. Und ebenso werden wiederum Tiere, Pflanzen und Gegenstände als »schön« oder »hässlich«, als »gut« oder »schlecht« bezeichnet.

Die jeweiligen Trefferquoten basieren somit auf denselben Voraussetzungen und Kriterien, sodass die Vergleichbarkeit gegeben und die Statistik aussagekräftig ist. Sie hat ein eindeutiges Ergebnis: Das Gegensatzpaar »alt« und »jung« ist mit weitem Abstand am häufigsten präsent. Wir können daraus verlässlich schließen, dass dem Alter in Grimms Märchen eine herausragende Stellung und Bedeutung zukommt. Jedoch gilt das in der Hauptsache nur für ein Drittel der Texte, während die überwiegende Mehrzahl nichts oder nur wenig mit dem Alter zu tun hat.

2. Das Ensemble des Alters



Das Ensemble an alten Leuten, die in Grimms Märchen vorkommen, besteht (um mit einem Begriff aus der Filmwissenschaft zu sprechen) aus einer recht überschaubaren Reihe an stock characters.59 Das heißt, in jedem Märchen, in dem Protagonisten des Alters auftreten, agieren sie ähnlich. Sie weisen gewissermaßen standardisierte Rede- und Verhaltensweisen auf, haben charakteristische Merkmale, Eigenarten und Wesenszüge, die für die Gattung Märchen und ihre Sicht auf das Alter kennzeichnend sind. In Grimms Märchen kommen nicht mehr als sechs stock characters des Alters vor: alte Hexen und Zauberinnen; alte Helferinnen und Ratgeber; alte Könige und Väter; alte Zwerge, Wichtel und Männlein; erbarmungswürdige alte Menschen sowie schließlich agile Alte.60

Hexen und Zauberinnen sind die wohl eindrucksvollsten Alters-Protagonistinnen beziehungsweise Antagonistinnen61, nämlich Gegenspielerinnen von (jungen) Märchenheldinnen und Märchenhelden. Dazu gehören auch die bösen alten Stiefmütter, die nicht selten als Hexen bezeichnet werden, beispielsweise in Brüderchen und Schwesterchen (KHM 11), wo es heißt: »Die böse Stiefmutter war aber eine Hexe«. Abgesehen davon, dass Hexen oft abgelegen (etwa in alten Wäldern) und in seltsamen Behausungen (etwa in alten Schlössern) leben, wird ihr Alter vor allem durch körperliche Merkmale veranschaulicht, wie es in Jorinde und Joringel (KHM 69) geradezu mustergültig der Fall ist:

»Es war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. […] Nun war die Sonne unter: die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rote Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte.«

Mögen solche Beschreibungen auch ins Auge springen, so sollten wir bei aller Eindrücklichkeit von bösen und hässlichen alten Hexen (wie in Hänsel und Gretel, KHM 15) dennoch nicht übersehen, dass in Grimms Märchen zugleich Hexen, Zauberinnen und Stiefmütter vorkommen, die nicht als »alt« und »hässlich« bezeichnet werden, sondern sogar als »schön«. Die wohl populärste unter den bösen Stiefmüttern ist in den sogenannten besten Jahren und wäre sogar die Schönste im ganzen Land, gäbe es nicht ihre Stieftochter (Sneewittchen, KHM 53). Jedoch nimmt die schöne Stiefmutter-Hexe die Gestalt eines »alten Weibes« an, um ihre »Hexenkünste« unerkannt ausüben zu können. Sogar ganz ohne Altersangabe kommt die Hexe in Frau Trude (KHM 43) aus.

Allerdings ist das Bild der alten Frau in Grimms Märchen keineswegs komplett negativ konnotiert. Fast ebenso zahlreich sind gute alte Frauen in Gestalt von Helferinnen und Ratgeberinnen62 beispielsweise in Die zertanzten Schuhe (KHM 133) und in Die wahre Braut (KHM 186). Auch diese guten alten Frauen beherrschen Zauberkünste, die sie allerdings zugunsten der Märchenheldinnen und Märchenhelden einsetzen, so in Der süße Brei (KHM 103) und in Der Teufel mit den drei goldenen Haaren (KHM 29). Körperlich ähneln die gutmütigen den böswilligen alten Frauen. In Der Räuberbräutigam (KHM 40) gerät eine junge Braut in ein »Mörderhaus«: »Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte Frau, die wackelte mit dem Kopfe.« Das seltsame Verlies, die dunkle Atmosphäre lassen das Schlimmste erwarten, aber das Gute geschieht: Die alte Frau erweist sich als Helferin in der Not. Wir sehen: Was sonst böse alte Hexen kennzeichnet, kann ebenso zur Charakterisierung von sympathischen Großmüttern und weisen alten Helferinnen eingesetzt werden.

Alte Könige und Väter kommen in Grimms Märchen häufig vor.63 Die allermeisten von ihnen erweisen sich als gut, obwohl sie gelegentlich granteln oder streng und herrisch auftreten wie der Vater in Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack (KHM 36). Böse Könige kommen nur selten vor, und dann werden sie nicht als »alt« charakterisiert, etwa in Allerleirauh (KHM 65) und Das blaue Licht (KHM 116). Auffällig ist, dass (im Unterschied zu Hexen) weder im Hinblick auf gute noch im Hinblick auf böse Könige von körperlichen Merkmalen die Rede ist. Das königliche Altersmerkmal besteht außerdem nicht in charakterlichen Eigenschaften, sondern vor allem in ihrem patriarchalischen Gebaren: Sie beobachten genau, durchschauen Problemlagen klar und haben eine scharfe Urteilskraft, wenngleich sie gelegentlich irren.

Das heißt jedoch nicht, dass gute alte Könige und Väter per se weise sind. Sie geben im Grunde keine Ratschläge (wie die weisen Helferinnen), sondern ihre Herrscherqualität besteht darin zu wissen, was recht und billig ist. So heißt es in Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich (KHM 1): »Da sagte der König ›was du versprochen hast, das mußt du auch halten‹«. Des Königs Hauptrolle ist die des Richters; Gerechtigkeit ist seine hervorstechende Eigenschaft. Wenn wir überhaupt von einem Charakterzug reden können, dann ist es die Gut- und Großmütigkeit. Sie greift allerdings nur gegenüber guten Menschen, während die bösen auf Geheiß des Königs grausame, aber verdiente Tode sterben müssen – wie etwa die alte Hexe in Die drei Männlein im Walde (KHM 13).

Zwerge, Wichtel und Männlein werden überwiegend als »alt« charakterisiert, aber nicht immer. So kommen die wohl populärsten Zwerge, gleich sieben an der Zahl (Schneewittchen, KHM 53), ohne Altersangabe aus. Es gibt böse, und es gibt gute Zwerge, gute zum Beispiel auch in Das Wasser des Lebens (KHM 97) und in Das blaue Licht (KHM 116). Wie Hexen können Zwerge zaubern und dämonische Kräfte entwickeln; und wie bei jenen werden bei diesen seltsame Wohnorte, Accessoires und körperliche Merkmale eingesetzt, um ihr Alter zu betonen. Eine prägnante Darstellung des bösen alten Zwergs findet sich im Märchen Schneeweißchen und Rosenroth (KHM 161). Die beiden Kinder spielen im Wald, da springt plötzlich an einem Stamm und

»zwischen dem Gras etwas auf und ab, sie konnten aber nicht unterscheiden was es war. Als sie näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten verwelkten Gesicht und einem ellenlangen schneeweißen Bart. […] Er glotzte die Mädchen mit seinen roten feurigen Augen an und schrie […].«

Optisch gleichen böse Zwerge den bösen Hexen bis aufs Haar: schlohweiß, dazu glühende Augen, verschrumpelte Haut, gelbe oder graue Hautfarbe, verwachsene Gestalt, schreiende oder schnarrende Stimme. Nur der schleichende Gang der Hexen (wie in Brüderchen und Schwesterchen, KHM 11) fehlt den Zwergen, und sie haben statt einer krummen Nase ein anderes markantes Merkmal: weiße Bärte. Auch charakterlich haben wir es mit Zwillingsgestalten zu tun: Böse alte Zwerge sind nicht minder abscheulich als böse alte Hexen. Beide geraten schnell in Wut, können sich nicht beherrschen, folgen ihren Begierden ungehemmt. Wobei sie es mit Vorliebe auf Kinder abgesehen haben.

Dasselbe wiederholt sich auf der guten Seite: Wie alte hutzelige Frauen treten auch alte Zwerge als Ratgeber und Helfer in Erscheinung und setzen ihre Zauberkünste zugunsten ihrer Schützlinge ein. Sie treten sogar als Widersacher von bösen Hexen auf. Eindrucksvoll geschieht das in Das blaue Licht (KHM 116): Ein altgedienter Soldat wird vom König um seinen Lohn geprellt. Frustriert zieht der Soldat ab. Auf dem Weg trifft er eine böse alte Hexe. Die stößt ihn unter dem Vorwand, ein blaues Licht heraufzuholen, in einen Brunnen. Dort taucht plötzlich »ein klein schwarz Männlein« auf. Das hilft dem Soldaten aus der Notlage und begleitet ihn zurück zum bösen König. Dieser wird in der Schlussszene wie folgt zur Raison gebracht:

»Da fuhr das Männchen wie der Blitz, zickzack, hin und her, und wen es mit seinem Knüppel nur anrührte, der fiel schon zu Boden, und getraute sich nicht mehr, sich zu regen. Dem König ward angst, […] und um nur das Leben zu behalten, gab er dem Soldaten das Reich und seine Tochter zur Frau.«

Im Unterschied zu den guten alten Frauen sind gute alte Zwerge, Wichtel und Männlein nicht eigentlich weise. Vielmehr sind sie gewitzt und gewieft. Was für die bösen unter ihnen heißt: Sie sind verschlagen, gerissen und gemein, das heißt für die guten: Sie agieren blitzgescheit, schlitzohrig und pfiffig. Sie tun das je nach Erzählkontext. Wiederum ist das bloße Merkmal nicht ausschlaggebend.

Während diese vier stock characters jeweils in doppelter Ausprägung vorkommen (in guter und in böser Variante), treten die beiden verbleibenden nur in einer Variante auf: der positiven. Bei Märchen, in denen erbarmungswürdige alte Frauen und Männer die Protagonistinnen und Protagonisten sind, handelt es sich vor allem um christlich inspirierte Exempelgeschichten. Sie beginnen mit einer drastischen Schilderung von Not und Elend, wie es in Die alte Bettelfrau (KHM 150) der Fall ist: »Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn? diese Frau bettelte auch, und wann sie etwas bekam, dann sagte sie ›Gott lohn euch‹.« Solche Märchen sind sozialgeschichtliche Zeugnisse; und insofern Not und Elend nicht als schicksalhaft vorherbestimmt erscheinen, sondern deren Verursacher benannt und als böse charakterisiert werden, sind diese Märchen sozialkritisch, indem sie erbarmungsloses Verhalten und soziale Missstände anklagen. Dergleichen Geschichten laufen stets auf intensive moralische Belehrungen hinaus: Das Alter soll gerecht und menschenwürdig (christlich) behandelt werden.

Agile Alte fristen ihr Dasein zunächst ebenfalls in Not und Elend, aber sie bleiben dabei nicht passiv und leidend, sondern sie nehmen (wie rechte Märchenheldinnen und Märchenhelden es tun) ihr Schicksal selbst in die Hand und wenden es zum Guten. Das Musterbeispiel dafür ist das Märchen Die Bremer Stadtmusikanten (KHM 27), das mit krassem Elend beginnt, aus dem sich vier Alters-Akteure (Esel, Hund, Katze, Hahn) durch Solidarität und eigene Initiative befreien.64 Agile alte Leute kommen vor allem in Schwankmärchen vor, besonders in Tierschwänken wie Die Hochzeit der Frau Füchsin (KHM 38). Dieses Märchen bildet eine markante Ausnahme, weil es einen heiklen Aspekt des Alters zum Ausdruck bringt: den sexuellen.65

Zusammenfassend lässt sich mit Max Lüthi sagen: Grimms Märchen folgen einem festen Bauplan, und der besteht darin, alles und jedes gegensätzlich zu gestalten. Diesen binären Code haben die Brüder Grimm sowohl in ihrer allgemeinen Auffassung über das Alter als auch in ihren Märchen bevorzugt: »übel und gebrechen des alters« versus »gefühl des wohlseins«.66 Entsprechend ist einer der wichtigsten Kontraste in Grimms Märchen (noch vor schön und hässlich, arm und reich) derjenige zwischen alt und jung. Aber nicht nur das, auch das Alter für sich betrachtet tritt höchst ambivalent auf. Das heißt, es gibt kein eindeutiges Altersbild, sondern ein sehr kontrastreiches, ein heterogenes. Alte Frauen und Männer können sowohl gut als auch böse, sowohl ehrlich als auch betrügerisch, sowohl klug als auch dumm erscheinen. Für sie gilt, was für alle Figuren des Märchens gilt: Sie repräsentieren ein Spektrum menschlicher Charaktereigenschaften und Handlungsmöglichkeiten.

3. Bilder des Alters



Nur in sehr wenigen von Grimms Märchen wird das Alter selbst und als solches zum Thema gemacht. Wenn das geschieht, dann vor allem anhand von erbarmungswürdigen alten Frauen und Männern sowie von agilen Alten, darüber hinaus in Märchen, die sich um Verletzlichkeit und Endlichkeit des Lebens drehen. Sonst aber sind die allermeisten Alters-Protagonistinnen und -Protagonisten in Handlungen und Konflikte verstrickt, die im Grunde nichts oder nur wenig mit dem Alter zu tun haben. Handlungen etwa von bösen alten Hexen und Zwergen könnten durchaus altersneutral ausgeführt werden, was gelegentlich auch der Fall ist, etwa in Frau Trude (KHM 43) oder in Der singende Knochen (KHM 28). Hexe und Zwerg kommen hier ohne Altersangabe aus.

Bei den allermeisten von Grimms Märchen haben wir es also nicht mit einer direkten, sondern mit einer indirekten Thematisierung von Alter zu tun. Indirekt heißt, dass Altersmerkmale gewissermaßen als sekundäre Verstärker eingesetzt werden, um das Erscheinungsbild der betreffenden Figuren positiv oder negativ zu akzentuieren. Altersattribute (nicht zuletzt körperliche Merkmale) dienen hier zur Verdeutlichung böser oder guter Eigenschaften. Was aber Relevanz und Virulenz nicht ausschließt; denn auch auf diese Weise werden kulturgängige Altersstereotype aufgerufen und bestärkt, zum Beispiel dasjenige des gehässigen und starrsinnigen Alten im Märchen Tischlein deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack (KHM 36) oder dasjenige der guten und weisen Alten in Die zwölf Brüder (KHM 9).

Direkt heißt, dass sich ein Märchen tatsächlich primär und zentral um Fragen des Alters dreht. In der Großen Ausgabe letzter Hand von 1857 sind es nicht mehr als zehn von insgesamt 210 Texten. Nur diese zehn kreisen um alterstypische Herausforderungen, beispielsweise um Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit, um Armut, Not und Elend, um Handlungsmöglichkeiten im Alter oder um das Verhalten Jüngerer gegenüber Älteren. In diesen Märchen tragen alte Leute nicht bloß zu einem Geschehen bei, das wenig oder gar nichts mit dem Alter zu tun hat, sondern hier steht das Alter im Mittelpunkt der Geschichte, ist deren Dreh- und Angelpunkt. Somit sind besonders diese Texte geeignet, um über Altersbilder in Märchen nachzudenken. Darin findet sich in verdichteter Form wieder, was Märchen überhaupt zum Alter zu sagen wissen. Diese zehn Märchen können als Beiträge zu einer Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters gelesen werden.67

Anthropologie heißt im Hinblick auf Märchen,68 dass diese immer auch und sogar mit Vorliebe Aussagen über die conditio humana treffen, das heißt hier: darüber, dass das Leben einen Alterungsprozess darstellt, der mit unvermeidlichen Problemen einhergeht und notwendig auf ein Ende zuläuft. Für anthropologische Fragen stehen drei von den zehn Märchen über das Alter. Das sind diejenigen, die über die Lebenszeit und den Alterungsprozess mitsamt Sterben und Tod Auskunft geben. Darin ist ›der Mensch‹ als solcher Thema, nämlich in seiner altersbedingten Hinfälligkeit und in seiner Vergänglichkeit. Das ist der Fall in: Die Lebenszeit (KHM 176), Das junggeglühte Männlein (KHM 147), Die Boten des Todes (KHM 177).69

Ethik heißt im Hinblick auf Märchen,70 dass darin nicht selten Antworten auf die Grundfrage der praktischen Philosophie gegeben werden: Wie soll ich handeln? Das heißt hier: Wie sollen wir mit dem Alter umgehen, mit dem eigenen wie mit dem unserer Angehörigen und anderer Menschen. Wie können wir menschen- würdig zurechtkommen mit Verletzlichkeit und Gebrechlichkeit, Vergänglichkeit und Endlichkeit des Lebens? Selbstverständlich ist ein Märchen keine moralphilosophische Abhandlung, aber wir können es unter moralphilosophischen Gesichtspunkten betrachten. Für solche Fragen stehen vier von den zehn Märchen über das Alter. Hierin haben wir es mit alten Leuten zu tun, deren Schicksal zum Erbarmen ist und die unser soziales Gewissen anrühren. Das ist der Fall in: Der alte Sultan (KHM 48), Der alte Großvater und der Enkel (KHM 78), Der undankbare Sohn (KHM 145), Die alte Bettelfrau (KHM 150).

Utopie heißt im Hinblick auf Märchen,71 dass darin Antworten auf die Frage gegeben werden, wie ein gutes Leben im Alter aussehen könnte. Insofern sie meistens glücklich ausgehen, eignet allen Märchen ein utopisches Moment. Dieses betrifft jedoch meistens junge Leute, während alte (vor allem Hexen) zur Hölle fahren müssen. Alters-Utopien dagegen finden sich sehr selten, zumindest in Grimms Märchen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Vision glücklichen Lebens im Alter entwickeln. Dafür stehen drei von den zehn Märchen über das Alter. Das sind diejenigen, in denen alte Leute ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und es zu wenden wissen. Das ist einerseits der Fall in: Die Bremer Stadtmusikanten (KHM 27) und Die Hochzeit der Frau Füchsin (KHM 38,1), andererseits in Der Arme und der Reiche (KHM 87).

Mit dieser Einteilung in drei Gruppen (Anthropologie, Ethik und Utopie) sind die Haupttendenzen der betreffenden Märchen gemeint. Stets aber handelt es sich um Mischformen. Das heißt, dass zum Beispiel in anthropologisch orientierten Märchen auch ethische und utopische oder in ethisch orientierten Märchen auch anthropologische und utopische Aspekte mit zu bedenken sind. – Im Folgenden können die zehn Märchen nicht in allen Einzelheiten untersucht werden. Lediglich die Haupttendenzen seien zusammengefasst. Verweise auf ausführlichere Analysen finden sich in den Fußnoten.

Anthropologie

Am Ende kommt der Tod, das ist gewiss.72 Das existentielle Problem des Alters ist die Endlichkeit des Lebens, die sich in Gestalt zunehmender Vorankündigungen (Krankheiten, Gebrechlichkeit, Hinfälligkeit) bemerkbar macht. Davon handelt das Märchen Die Boten des Todes (KHM 177).73 Darin tritt der Tod sogar höchstpersönlich auf, um die Grenzen des Lebens zu markieren. Was aber auch heißt, von menschlichen Möglichkeiten zu berichten, eben diese Grenzen immer wieder zu bestreiten und zu verschieben, und zwar bis ins hohe Alter. Dazu wird der Tod in ein Gespräch verwickelt, woraus ein Pakt folgt: Ein paar Jahre hast du noch, dann komme ich wieder. Aber vorher schicke ich dir meine Boten, damit du weißt, wann dein Stündlein geschlagen hat.

Der Held dieses Märchens muss sich schließlich in das Unausweichliche fügen; dennoch wird auch mit dieser Lösung derjenige Schlussakkord gesetzt, der für Märchen insgesamt typisch ist: der glückliche Ausgang. Dieser besteht hier nicht in Traumhochzeit und Luftschloss. Nicht einmal von einem Wiedersehen im Himmel oder vom ewigen Leben, »jung und gesund«, ist die Rede. Im Gegenteil, die Gebrechen des Alters werden in Gestalt der »Boten des Todes« akribisch aufgelistet: Fieber, Schwindel, Gicht, Tinnitus, Zahnausfall, Kreislaufprobleme – und: »‘lagst du nicht in der Nacht, als wärst du schon gestorben?‘ Der Mensch wußte nichts zu erwidern, ergab sich in sein Geschick und ging mit dem Tode fort.« Das ist das Ende, und damit ist eine Form von metaphysischem Trost präsent: Zuletzt kapiert und akzeptiert der Märchenheld, dass sein Leben enden muss. Loszulassen, sich gelassen in sein Schicksal zu ergeben – das ist die glückliche Lösung, die dieses Märchen vorschlägt, und sie entspricht der letzten Form von Lebenskunst: der Kunst des Sterbens (ars moriendi).

Auch im Märchen Die Lebenszeit (KHM 176)74 erleben wir einen Aushandlungsprozess: 30, 18, 12 plus 10 Jahre handelt der Mensch bei Gott heraus. »Unser Leben währet siebzig Jahre«, besagt Psalm 90,10. Davon können aber nur die ersten dreißig recht eigentlich glücklich genannt werden, weiß das Märchen; die anderen sind mühselig, schließlich sogar hündisch und äffisch. Besonders die letzten zehn Jahre haben es in sich: »Da ist der Mensch schwachköpfig und närrisch, treibt alberne Dinge und wird ein Spott der Kinder.« Dieses Märchen deckt die erschreckenden Seiten des Alterungsprozesses schonungslos auf. Jedoch wird die Misere dann augenzwinkernd relativiert. Es handelt sich um eine Beispielgeschichte mit schwankhaften Zügen75, deren Glücksversprechen in einer Form von Resignation besteht: in Humor. Wir lachen ob der unwiderleglichen Unzulänglichkeiten des Alterns; und zugleich lachen wir über die negative Einstellung zum Alter, die uns mit einem Mal ebenfalls unzulänglich erscheint: Sie verdoppelt das Elend nur. Indem wir über sie lachen, werden die Miseren des Alters nicht nur erträglich, sondern sie werden uns auf komische Weise sogar sympathisch. Darin besteht der Witz dieses Märchens: Es plädiert dafür, sich heiter und gelassen ins Schicksal zu fügen.

Was geschehen kann, wenn es an dieser Ergebenheit mangelt, darüber berichtet Das junggeglühte Männlein (KHM 147).76 Wiederum handelt es sich um ein Schwankmärchen, das (avant la lettre) das Anti-Aging-Bestreben aufspießt. Es macht sich über den menschlichen Wunsch lustig, den Alterungsprozess aufhalten, ja ihn mit einem Streich umkehren und ewige Jugend gewinnen zu können. Das geschieht hier nicht mit Hilfe eines Jungbrunnens, sondern mit den handwerklichen Mitteln eines Grobschmieds, was aber gründlich misslingt. Die Moral dieses Märchens besteht in der Empfehlung, den Alterungsprozess zu akzeptieren, Nachsicht zu üben sowie im Alter, »sanftmütig« umzugehen mit sich selbst wie mit anderen.

Ethik

Kein anderes Märchen aus Grimms Sammlung bringt deren Ethik des Alters prägnanter auf den Punkt als Der alte Großvater und der Enkel (KHM 78).77 Es ist sehr kurz, besteht aus nur zwei Episoden: Die erste schildert ein krass unmoralisches Verhalten von erwachsenen Kindern gegenüber ihrem pflegebedürftigen alten Vater; in der zweiten wendet der Enkel das Geschehen zum Guten, und moralische Läuterung wird veranschaulicht.

Es handelt sich um eine Exempelgeschichte, ja, »um den Prototyp einer protestantischen Parabel für das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern«, die »seit dem 16. Jahrhundert in den meisten Predigt- und Exempelkompilationen enthalten war«.77 Das Märchen appelliert sowohl an das Mitgefühl als auch an das Gewissen, indem ein Kind (der Enkel) seinen Eltern den Spiegel vorhält: Der Alte, der da leidet, das bist du! Eine einfache Perspektivenverschränkung ist es, die hier die ›Banalität des Bösen‹ bricht. Das Gebot der Nächstenliebe wird plötzlich anschaulich und fühlbar, aber auch das Sittengesetz in seiner neutestamentarischen Fassung79 oder sozusagen der Kategorische Imperativ für Kinder: ›Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!‹

Was für ein Unglück aber geschehen kann, wenn Mitleid und Gebot nicht oder zu spät anschlagen, zeigt das ebenfalls sehr kurze Märchen Die alte Bettelfrau (KHM 150)80. Zwar lädt ein junger Mann sie in sein Haus ein, damit sie sich wärmen möge. Aber er kommt ihr nicht zu Hilfe, als ihre »alten Lumpen« Feuer fangen:

»[Sie] ging aber zu nahe ans Feuer, sodaß ihre alten Lumpen anfingen zu brennen, und sie wards nicht gewahr. Der Junge stand und sah das, er hätts doch löschen sollen? Nicht wahr, er hätte löschen sollen? Und wenn er kein Wasser gehabt hätte, dann hätte er alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen herausweinen sollen, das hätte so zwei hübsche Bächlein gegeben zu löschen.«

Das ist alles andere als ein glücklicher Ausgang, wodurch aber die moralische Belehrung umso drastischer ausfällt. Am Ende steht eine entsetzliche Klage, die uns Leserinnen und Leser zur Verantwortung ruft. Die Botschaft lautet schlicht und einfach: Tue alles dafür, dass arme alte Frauen (und Männer) nicht durch deine Nachlässigkeit umkommen.

Abermals um die Versorgung im Alter geht es in Der undankbare Sohn (KHM 145).81 Dieser lädt seinen alten Vater nicht zum Hühnerschmaus ein, sondern versteckt den Braten. Als der Alte fort war, »wollte der Sohn das gebratene Huhn wieder auf den Tisch tragen, aber als er danach griff, war es eine große Kröte geworden, die sprang ihm ins Angesicht und saß da, und ging nicht wieder weg«. So muss der Sohn zur Strafe für sein Lebtag das Stigma des Geizes tragen, noch dazu die Kröte »alle Tage füttern, sonst fraß sie ihm aus seinem Angesicht«. Das Märchen endet mit einem grotesken Szenario, das aber zugleich eine intensive moralische Belehrung darstellt.

Am Übergang von der Ethik zur Utopie des Alters steht Der alte Sultan (KHM 48).82 Es handelt sich um ein Tiermärchen, das anhand eines alten Hundes namens Sultan das Versorgungsproblem im Alter aufzeigt und es sozialkritisch auf die Undankbarkeit der Herrschaft gegenüber ihren Untergebenen zurückführt. Am Ende steht eine patriarchalische Moral: Das Märchen begründet die Altenversorgung mit dem Treueverhältnis zwischen Herr und Knecht.

Utopie

Zwischen Ethik und Utopie ist zunächst das Legendenmärchen Der Arme und der Reiche (KHM 87) angesiedelt, ein Remake der antiken Sage von Philemon und Baucis.83 Utopisch ist dieses Märchen zunächst in sozialer Hinsicht: Es zeugt von der möglichen Solidarität zwischen armen alten Leuten, die sich gegenseitig helfen und in Harmonie leben. Utopisch ist es sodann in religiöser Hinsicht, indem den guten alten Leuten höchste Gerechtigkeit widerfährt. Gott selbst bereitet ihnen zum Dank für ihre vorbildliche Fürsorglichkeit und Gastfreundlichkeit ein fortan gutes Leben auf Erden. Mag dies eine schlichte und stille Utopie sein, so stellt sie doch ein Glück dar, das auf ein anderes hoffen lässt, das jenseits aller Vorstellungskraft liegt.

Rundum und tollkühn utopisch geht es nur in einem einzigen von Grimms Märchen zu, in dem Tierschwank Die Bremer Stadtmusikanten (KHM 27).84 Sie sind Glücksritter wie alle rechten Märchenhelden. Sie finden zusammen und schmieden einen Plan, wie der Misere zu begegnen sei: auf nach Bremen, da lässt sich lustig leben:

»›Ei was, du Rothkopf, […] zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musicieren, so muß es eine Art haben.‹ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie giengen alle viere zusammen fort.«

Dieses Märchen formuliert einen Weckruf, der wie das gebündelte Echo aller märchenhaften Aufbrüche klingt: »etwas besseres als den Tod findest du überall«! Wir hören den Hahnenschrei des Aufbegehrens gegen Verhältnisse, in denen Menschen erniedrigt und beleidigt, unterdrückt und geknechtet werden. Und hier ist es das Alter, das besonders leidet und endlich aufbegehrt. Unterwegs aber bewältigen diese phantastischen Vier (Hahn, Katze, Hund und Esel) die abenteuerlichsten Herausforderungen, bevor sie irgendwo ankommen und gleichsam die erste Alten-WG der Welt gründen, jedenfalls die erste märchenhafte. Wir haben es also mit einem Glücksentwurf für das Alter zu tun, mit einer Alters-Utopie.

Eine Utopie besonderer Art entwickelt schließlich der Tierschwank Die Hochzeit der Frau Füchsin (KHM 38).85 Er verhandelt recht offen das Nachlassen der Manneskraft im Alter:

»Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwänzen, der glaubte seine Frau wäre ihm nicht treu, und da wollte er sie in Versuchung führen. Er streckte sich unter die Bank, regte kein Glied und stellte sich als wenn er mausetot wäre.«

Wir sehen einen vormals hyperpotenten alten Fuchs (»mit neun Schwänzen«), der seine libidinöse Not bearbeitet, indem er sich totstellt, um seine Frau zu prüfen, ob sie ihm treu sei, auch wenn sich bei ihm nichts mehr regt. Das Märchen variiert den literarisch weit verbreiteten Topos von der heiratslustigen Witwe. Jedoch geht der Spaß hier nicht auf Kosten der Frau. Vielmehr ist es der Mann, der am Ende dumm dasteht. Das Utopische an diesem Märchen ist, dass es ganz unkonventionell Untreue inszeniert. Noch dazu erscheint die Sexualmoral utopisch, indem weibliche Lust (noch dazu im Alter) nicht, wie sonst in Schwänken üblich, verächtlich gemacht und verlacht wird, sondern im Gegenteil: gefeiert.

Fazit



Nur wenige von Grimms Märchen drehen sich um Fragen und Probleme des Alters an und für sich. Es sind nicht mehr als zehn. Darin aber steckt nicht weniger als eine Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters. Auffällig ist, dass genau die Hälfte dieser zehn Märchen schwankhafte Züge trägt, nämlich alle anthropologisch und zwei von den drei ins Utopische ausschlagenden Märchen (KHM 27, 38, 147, 176, 177). Die vier ethisch relevanten Märchen (KHM 48, 78, 145, 150) und auch das Legendenmärchen (KHM 87) geben mahnende Beispiele ab und sind religiös inspiriert. Alle gemeinsam laufen auf Inklusion des Alters hinaus.

Mit ihrer Komik vermitteln schwankhafte Märchen eine befreiende Erfahrung und Wirkung im Hinblick auf das Alter, die sich im Gefühl der Erleichterung und Entlastung Ausdruck verschafft. So vermitteln sie eine Stimmung, die dem Glück entspricht, das sie ausmalen: Heiterkeit und Lebenslust, Freude und Faszination für die Offenheit menschlicher Möglichkeiten bis ins hohe Alter herrschen in diesen Märchen vor. Das Legendenmärchen (KHM 87) hingegen hat eine ethische Grundierung, die einen utopischen Effekt zeitigt: Mit der Milde des Alters verbundene Tugenden (Gastlichkeit, Freigiebigkeit, Güte) werden am Ende reich belohnt. Damit wird zugleich ausgemalt, wie ein gutes Leben im Alter aussehen könnte.

In anthropologischer Hinsicht können wir sagen, dass schwankhafte Züge die Härte der conditio humana abmildern. So wird es möglich, über ernsthafte Probleme, die das Alter mit sich bringt, zu reden, ohne Ernst und Härte durch eine strenge Darstellungsweise performativ zu verdoppeln und zu verstärken. Damit eignet auch den anthropologisch relevanten Märchen ein utopisches Moment: Sie lösen sich bis zu einem gewissen Grad von der Gravität des Problems, das sie thematisieren. Damit befreien sie ihre Rezipientinnen und Rezipienten zumindest für einen Moment von der Angst vor dem Alter und seinen Gebrechen. Und womöglich vermitteln diese Märchen sogar ein Gefühl für das Unabgeschlossene des menschlichen Seins, indem sie eine Haltung favorisieren, die sich Alter und Tod öffnet: gelassene Erwartung dessen, was immer das Schicksal bereithält.

Mag schon diese Erwartung religiös konnotiert sein (Psalm 90,12), so sind es diejenigen Märchen allemal, die für eine Ethik des Alters stehen. Hier gibt es nichts zu lachen; alles vollzieht sich gleichsam mit dem heiligen Ernst moralischer Beispiele und Botschaften. Ihren Ausgangspunkt nehmen diese Märchen stets von zwei sozialhistorischen Problemen: vom Elend und von der Exklusion alter Leute. Sozialkritisch sind diese Märchen, weil sie Elend nicht als Schicksal begreifen, sondern als Ergebnis mangelnder Solidargemeinschaft. Sie benennen diejenigen, die Schuld an der Misere tragen, seien es die Angehörigen, sei es die Herrschaft, sei es Ignoranz im Allgemeinen. Die Lösung für die Armut des Alters sehen diese Märchen einerseits im Appell ans Gewissen, andererseits im Erwecken von Mitleid. Der Weg des Gewissens ist vor allem ein religiöser: die Erinnerung an das Vierte Gebot und an die Bergpredigt, an Barmherzigkeit und Nächstenliebe. So soll die Inklusion des Alters auf Dauer abgesichert werden. Der Weg des Mitleids ist vor allem ein performativer, der auf Szenen und Handlungen setzt, die unmittelbar zu Herzen gehen und damit moralische Läuterung auslösen, und zwar ebenfalls im Sinne christlicher Nächstenliebe.

Zusammenfassend können wir sagen: In Grimms Märchen sind Altersbilder anzutreffen, wie sie Jacob Grimm in seiner Rede Über das Alter (1860) versammelt hat. Dort rekapituliert er eine immense Menge an kulturgeschichtlichen und kulturvergleichenden, insbesondere narrativen Zeugnissen über das Alter und ordnet diese Vielfalt in zwei Hauptrichtungen: negative und positive Altersbilder. Diese Gegensätze sind nach Grimm nicht aufzuheben, es handelt sich um Antinomien. Sie sind in ihrer Ambivalenz auszuhalten und ungefiltert aufzuzeigen, wie es kontrastreich dann auch Grimms Märchen tun. Im Interesse eines gelingenden Lebens im Alter aber, so der Schluss von Grimms Rede, und auch im Interesse einer ars moriendi, sei es für jedermann ratsam, das Alter zu loben, auch das eigene. Am Ende empfiehlt Jacob Grimm jedem von uns, eine je eigene glückliche Balance zwischen den unterschiedlichen Seiten der Altersexistenz zu finden – und bei dieser Übung können nicht zuletzt Märchen eine geeignete Lektüre sein.

Abstract



This article asks about images of old age as they can be found in Grimm's fairy tales on the one hand, and in other texts of the Brothers Grimm themselves on the other hand. It deals with anthropological, ethical and utopian aspects. For this purpose, the first part examines the prefaces to the fairy tale collection and other texts. The second part is exemplarily concentrated on ten fairy tales, whose central subject is the care for old people.

Overall, the Brothers Grimm have drawn a very contrasting picture of old age, in which positive and negative sides balance each other out. Especially the fairy tales with anthropological and ethical orientation are permeated by Protestant religiosity. Moreover, it can be said that the Brothers Grimm saw in faith the most significant source of strength to orchestrate and endure ambivalences of the aging process.

Fussnoten:

1) Es gibt bisher zwei Monographien, die sich dem Thema Alter im Märchen widmen: Isabella Wuelfing, Alter und Tod in den Grimmschen Märchen und im Kinder- und Jugendbuch, Herzogenrath 1986, und Ingeborg Scheffler, Alter und Altern im Märchen, Kassel 2000. Hinzu kommen drei jeweils umfangreiche Sammelbände: Ursula Heindrichs, Heinz-Albert Heindrichs (Hg.), Alter und Weisheit im Märchen. Forschungsberichte aus der Welt der Märchen, Kreuzlingen, München 2000, Harlinda Lox, Ricarda Lukas, Sabine Lutkat (Hg.), Vom Geben und Vergeben im Alter. Kinder brauchen Märchen, Krummwisch 2014; Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen. Volkach 2020. Außer den darin versammelten gibt es zahlreiche weitere Aufsätze zum Thema, vgl. u. a.: Brigitte Boothe, Glück des Alters im Märchen, in: Dies. (Hg.), »Wie kommt man ans Ziel seiner Wünsche?« Modelle des Glücks in Märchentexten, Gießen 2010, 153–160; Brigitte Boothe, Die Vitalität des Alters im Märchen und die Generationen im Erzählkontakt, in: Psychotherapie im Alter 11 (2014), 315–328; Brigitte Boothe, Altersfreuden und Alterslaster im Märchenkosmos der Brüder Grimm, in: Claudia Brinker-von der Heide, Holger Ehrhardt, Hans-Heino Ewers (Hg.), Märchen, Mythen, Moderne. 200 Jahre Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Teil 2, Frankfurt am Main 2015, 695–701; Ruth B. Bottigheimer, Fairy Tales, Old Wives and Printing Presses, in: History Today (2004), 38–44; Hans-Heino Ewers, Das Alter im Märchen – ein literaturhistorischer Streifzug, in: Märchenspiegel 25/2 (2014), 9–13; Peter Gross, Alter und Tod. Der alte Grossvater und der Enkel, in: Rolf Wunderer (Hg.): Mythen in Management und Märchen, Volkach 2016, 24–33; Klaus Guth, Stufen des Alterns im Märchen. Die Erzählung »Die Lebenszeit« in der Sammlung der Brüder Grimm, in: Bayerische Blätter für Volkskunde 33/34 (2006/2007), 9–17; Katalin Horn, Von Kindern, Eheleuten und Greisen. Lebensalter im Märchen, in: Märchenspiegel 10 (1999), 56–61; Max Lüthi, Altern, in: Enzyklopädie des Märchens 1 (1977), 403–407; Lutz Röhrich, Macht und Ohnmacht der Alten, in: Ders., »und weil sie nicht gestorben sind …«. Anthropologie, Kulturgeschichte und Deutung von Märchen, Köln, Weimar, Wien 2002, 74–91; Rudolf Schenda, Alte Leute, in: Enzyklopädie des Märchens 1 (1977), 373–379; Rudolf Schenda, Hässliche Alte – lüsterne Greise? Bilder der Dritten Generation in Märchen, Sagen, Sprichwörtern, in: Richard Boeckler, Klaus Dirschauer (Hg.), Emanzipiertes Alter, Göttingen 199, 149–161.
2) Vgl. Jacob Grimm, Rede Über das Alter. Gehalten in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 26. Januar 1860, in: Ders., Kleinere Schriften, Bd. 1, Berlin 1864, 188–210.
3) Vgl. Steffen Martus, Die Brüder Grimm. Eine Biographie, Berlin 2009, 13–56.
4) Vgl. Brüder Grimm (Hg.), Kinder- und Haus-Märchen, Berlin 1812, online: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023]; Brüder Grimm (Hg.), Kinder- und Haus-Märchen. Zweiter Band, Berlin 1815, online: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023].
5) Vgl. Brüder Grimm (Hg.), Kinder- und Haus-Märchen. Erster und Zweiter Band. Mit zwei Kupfern, Zweite vermehrte und verbesserte Auflage, Berlin 1819, online: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023].
6) Vgl. Brüder Grimm (Hg.), Kinder- und Haus-Märchen. Dritter Band [Anmerkungsband], Berlin 1822, online: https://www.grimm-portal.de/viewer/image/1433243665004_3/7/ [31.01.2023].
7) Vgl. Brüder Grimm (Hg.), Kinder und Haus-Märchen. Digitalisat der »Hand- exemplare« der zweiten Ausgabe (1819) und des Anmerkungsbandes (1822), online: https://www.kassel.de/buerger/kunst_und_kultur/brueder-grimm/weltdokumentenerbe.php [31.01.2023].
8) Vgl. Brüder Grimm (Hg.), Kinder- und Hausmärchen. Erster und Zweiter Band, Dritte vermehrte und verbesserte Auflage, Göttingen 1837, online: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023].
9) Vgl. Brüder Grimm (Hg.), Kinder- und Hausmärchen. Erster und zweiter Band, Siebente Auflage, Göttingen 1857, online: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023].
10) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), VI.
11) Vgl. Harm-Peer Zimmermann, Über das Spiel der Poesie im Märchen. Der homo ludens als homo narrans, in: Katarzyna Grzywka-Kolago, Małgorzata Filipowicz, Maciej Jędrzejewski (Hg.), Märchen und Spiel, Warszawa 2021, 20–37.
12) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), XII.
13) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), XIII.
14) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), XIII.
15) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), XIII.
16) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1815), VII–VIII.
17) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), XVIII.
18) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1837), XXIV.
19) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1837), XXIV.
20) Jacob Grimm hat seit der zweiten Ausgabe seinerDeutschen Grammatik für die Kleinschreibung plädiert und sie konsequent praktiziert. Vgl. Jacob Grimm, Deutsche Grammatik. Erster Theil. Zweite Ausgabe, Berlin 1811, XVIII, online: https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/grimm_grammatik01_1822?p=11 [31.01.2023]. Jedoch blieben die Märchenausgaben, für die nach 1815 allein Wilhelm Grimm verantwortlich war, davon unberührt.
21) Jacob Grimm, Deutsche Mythologie, 3 Bde [1835], Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1981, hier: Bd. 1, VII.
22) Grimm, Deutsche Mythologie, 220–222.
23) Grimm, Deutsche Mythologie, 363–428.
24) Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Dritter Band [Anmerkungsband]. Dritte Auflage, Göttingen 1856, 409, online unter: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023].
25) Vgl. Jörg Uther, Handbuch zu den »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretation, 3. Auflage, Berlin, Boston 2021, 191–193. Siehe auch unter Punkt 2.3.
26) Vgl. dazu exemplarisch: Dietz-Rüdiger Moser, Märchenforschung. In: Bayerische Blätter für Volkskunde (1981), 48–64.
27) Vgl. v.a. Lothar Bluhm, Märchen als Literatur aus Literatur. Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Berlin 2022.
28) Vgl. Uther, Handbuch, 68–74.
29) Vgl. Heinz Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm. Quellen und Studien. Gesammelte Aufsätze, Trier 2004; Bluhm, Märchen als Literatur; Uther, Handbuch.
30) Vgl. Holger Ehrhardt, Zur mündlichen Quelle, Textgenese und Textredaktion von KHM 104 Die klugen Leute, in: Maximilian Jablonowski, Valerie Keller, Simone Stiefbold, Malte Völk (Hg.), Analytische Fantasie. Von narrativen Welten zum guten Altern, Weimar 2022, 95–108.
31) Vgl. Heinz Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm, 23–24.60.
32) Wilhelm Grimm, Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen. Vorrede, Heidelberg 1811, V–XL, hier: [V], online: https://books.google.de/books?id=NhyU0K-DKS0C&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false [31.01.2023].
33 Vgl. Karl Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Kiel 1845.
34) Veröffentlicht in: Die Gartenlaube, 1892. Online unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Louis_Katzenstein?uselang=de#/media/File:Die_Gartenlaube_(1892)_505.jpg [31.01.2023].
35) Vgl. Gerd Göckenjan, Das Alter würdigen. Altersbilder und Bedeutungswandel des Alters, Frankfurt am Main 2000; ders., Altersbilder in der Geschichte, in: Kirsten Aner, Ute Karl (Hg.), Handbuch Soziale Arbeit und Alter, Wiesbaden 2010, 403–414; Barbara Gobrecht, Alt und/oder weise? Hexen im Märchen, in: Ursula Heindrichs, Heinz-Albert Heindrichs (Hg.), Alter und Weisheit im Märchen. Forschungsberichte aus der Welt der Märchen, Kreuzlingen, München 2000, 123–140.
36) Für dies und das Folgende vgl. Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm, 8–36; Holger Ehrhardt, Zum Alter der Märchenbeiträgerinnen und -beiträger der Brüder Grimm, in: Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 52–64.
37) Vgl. online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Wild_(Familie) [23.07.2019].
38) Vgl. online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Marie_Hassenpflug [31–01.2023].
39) Vgl. Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm, 19–21, 33–35.
40) Vgl. Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm, 19.
41) Vgl. Isamitsu Murayama, Intermediale Wechselwirkung von Text und Bild. Die Entwicklung des Dorothea Viehmann-Porträts von Ludwig Emil Grimm zum Archetypus einer ›idealen‹ Märchenerzählerin, in: Fabula 60 (2019), 217–243.
42) Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1819), XII–XIII.
43) Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm, 17, 28–30. Vgl. auch: Holger Ehrhardt (Hg.), Dorothea Viehmann, Kassel 2012.
44) Vgl. Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm, 30, 40, 45; Ehrhardt, Dorothea Viehmann. Vgl. auch den Online-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothea_Viehmann [31.01.2023].
45) Grimm, Rede über das Alter. Vgl. dazu Harm-Peer Zimmermann, »‚je älter ich werde, desto democratischer gesinnt bin ich«. Über Jacob Grimm, die Kulturwissenschaft und das Alter, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 109 (2013), 167–183; Werner Neumann, Hartmut Schmidt (Hg.), Jacob Grimm. Reden in der Akademie, Berlin 1984.
46) Vgl. Grimm, Rede über das Alter, 197.
47) Grimm, Rede über das Alter, 194.
48) Grimm, Rede über das Alter, 194.
49) Grimm, Rede über das Alter, 201–202.
50) Grimm, Rede über das Alter, 197 und 203.
51) Vgl. Grimm, Rede über das Alter, 202–204.
52) Grimm, Rede über das Alter, 199.
53) Grimm, Rede über das Alter, 206.
54) Grimm, Rede über das Alter, 198.
55) Eigene Auswertung von: Brüder Grimm, Kinder- und Haus-Märchen (1857). Diese Ausgabe ist zuverlässig digital im Internet verfügbar. Vgl. unter: https://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausmärchen [31.01.2023]. Ich habe die Texte in einer Word-Datei zusammengefasst und zu jedem der hier berücksichtigten Wörter die Programmfunktion »Wörter zählen« angewendet.
56) Max Lüthi, Das Volksmärchen als Dichtung und als Aussage, in: Felix Karlinger (Hg.), Wege der Märchenforschung, Darmstadt 1973, 295–310, hier: 302.
57) Max Lüthi, Das Volksmärchen als Dichtung. Ästhetik und Anthropologie, Düsseldorf, Köln 1975, 109–123.
58) Vgl. unter Punkt 2.3.
59) Vgl. Lexikon der Filmbegriffe, online: http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=1535 [31.01.2023].
60) Vgl. Brigitte Boothe, Alte Könige, alte Hexen in den Märchen der Brüder Grimm: Macht und Abdankung, Intrige und Rebellion – und was noch?, in: Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 41–51; Ruth B. Bottigheimer, Das Alter in Grimms Kinder- und Hausmärchen, in: Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 29–40; Hans-Jörg Uther, Alterstypologien in europäischen Volks-erzählungen, in: Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 14–28; Harm-Peer Zimmermann, Zur Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters. An drei Beispielen aus Grimms Märchen: KHM 27, 78 und 177, in: Ders., Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 299–326.
61) Vgl. Boothe, Alte Könige, alte Hexen; Uther, Alterstypologien in europäischen Volkserzählungen; Bottigheimer, Fairy Tales, Old Wives; Bottigheimer, Das Alter in Grimms Kinder- und Hausmärchen; Gobrecht, Alt und/oder weise.
62) Vgl. Uther, Alterstypologien in europäischen Volkserzählungen; Bottigheimer, Fairy Tales, Old Wives; Bottigheimer, Das Alter in Grimms Kinder- und Hausmärchen; Gertrud Ennulat, Die Großmutter im Märchen, in: Ursula Heindrichs, Heinz-Albert Heindrichs (Hg.), Alter und Weisheit im Märchen. Forschungsberichte aus der Welt der Märchen, Kreuzlingen, München 2000, 76–88; Renate Zelger, Des Teufels Großmutter, in: Ursula Heindrichs, Heinz-Albert Heindrichs (Hg.): Alter und Weisheit im Märchen. Forschungsberichte aus der Welt der Märchen, Kreuzlingen, München 2000, 155–170.
63) Vgl. Hermann Solms, Märchenhafte Väter. In: Ursula Heindrichs, Heinz-Albert Heindrichs (Hg.), Alter und Weisheit im Märchen. Forschungsberichte aus der Welt der Märchen, Kreuzlingen, München 2000, 49-64; Boothe, Alte Könige, alte Hexen.
64) Vgl. unter Punkt 2.3.
65) Vgl. unter Punkt 2.3.
66) Grimm, Rede über das Alter, 198.
67) Vgl. Zimmermann, Zur Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters.
68) Vgl. Lüthi, Das Volksmärchen als Dichtung; Richard M. Dorson, Anthropologische Theorie, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 1, 1977, 586–591; Zimmermann, Zur Anthropologie, Ethik und Utopie des Märchens.
69) Zu dieser Gruppe könnte man außerdem Das Wasser des Lebens (KHM 97) zählen, worin es (wie in KHM 147) um Verjüngung geht. Jedoch ist das Motiv in KHM 97 auf die Rahmenhandlung beschränkt. Im Zentrum stehen die abenteuerlichen Versuche der drei Söhne, das »Wasser des Lebens« zu suchen und herbeizuschaffen, was schließlich dem Jüngsten gelingt.
70) Vgl. Max Lüthi, Ethik, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 4, 1984, 499–508; Katalin Horn, Moral, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 9, 1999, 842–852.
71) Vgl. Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. 3 Bde, Frankfurt am Main, hier: Bd. 1, 409–428; Dieter Richter, Utopie, Utopia, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 13, 2010, 1298–1302.
72) Zur Thematisierung des Todes in Märchen vgl. Harlinda Lox, Tod, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 13, 2010, 696–712; Lutz Röhrich, Der Tod und die Toten, in: Ders., »und weil sie nicht gestorben sind…«. Anthropologie, Kulturgeschichte und Deutung von Märchen, Köln, Weimar, Wien 2002, 92–101; Rölleke, Die Märchen der Brüder Grimm; Hans Joachim Schmidt, Der Tod im Märchen, in: Siegfried Neumann, Christoph Schmitt (Hg.), Sichtweisen in der Märchenforschung, Hohengehren 2013, 108–125; Wuelfing, Alter und Tod in de Grimmschen Märchen.
73) Vgl. Uther, Handbuch, 350–351; Zimmermann, Zur Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters, 301–306.
74) Vgl. Uther, Handbuch, 348–350; Alfred Messerli, Das Märchen »Die Lebenszeit« aus den Kinder- und Hausmärchen: Entstehung und Traditionszusammenhänge in der longue durée, in: Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 277–298; Guth, Stufen des Alterns im Märchen.
75) Vgl. Uther, Handbuch, 349.
76) Vgl. Uther, Handbuch, 297–298; Welf-Gerrit Otto, »Das junggeglühte Männlein«. Anti-Aging in einem Märchen der Brüder Grimm, in: Harm-Peer Zimmermann, Simone Stiefbold (Hg.), Alter im Märchen, Volkach 2020, 246–262; Gisela Just, Vom Wunsch des alten Menschen, wieder jung zu werden, in: Ursula Heindrichs, Heinz-Albert Heindrichs (Hg.), Alter und Weisheit im Märchen. Forschungsberichte aus der Welt der Märchen, Kreuzlingen, München 2000, 201–223.
77) Vgl. Uther, Handbuch, 174–176; Zimmermann, Zur Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters, 307–314; Gross, Alter und Tod.
78) Uther, Handbuch, 174.
79) Matthäus 7,12; Lukas 6,32.
80) Vgl. Uther, Handbuch, 301–302.
81) Vgl. Uther, Handbuch, 292–293.
82) Vgl. Uther, Handbuch, 112–113.
83) Vgl. Uther, Handbuch, 191–193; Horn, Von Kindern, Eheleuten und Greisen.
84) Vgl. Uther, Handbuch, 68–74; Zimmermann, Zur Anthropologie, Ethik und Utopie des Alters, 314–320. Zum Tierschwank im Allgemeinen vgl. Hans-Jörg Uther, Tierschwank, in: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 13, 2020, 637–642.
85) Vgl. Uther, Handbuch, 93–95.