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Ausgabe:

November/2023

Spalte:

1142–1144

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Buch, Alois J., u. Josef Freitag [Hgg]

Titel/Untertitel:

Ausbildung und Dienst künftiger Priester. Herausforderungen – Vergewisserungen – Perspektiven.

Verlag:

Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 312 S. Geb. EUR 48,00. ISBN 9783451392450.

Rezensent:

Johannes Schäfers

Alle warten auf den großen Wurf: die Klärung des zukünftig anzustrebenden »Rollenbildes« der römisch-katholischen Priester. »Alle« ist vermutlich übertrieben. Aber priesterliche Identität ist eines der Zukunftsthemen der römisch-katholischen Kirche, mindestens in Deutschland. Denn »es ist alles andere als klar, wer und was der Priester im Hier und Heute des Volkes Gottes sein soll, sein kann und sein will.« (248) Den Herausgebern Alois J. Buch, Dozent für Moraltheologie sowie Studienleiter, und Josef Freitag, Spiritual am Überdiözesanen Priesterseminar Studienhaus St. Lambert ist es anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Priesterausbildung in Lantershofen gelungen, bedeutende Stimmen zusammenzutragen und dem Titel der Herausgeberschrift gerecht zu werden. Mit Beiträgen von Stephan Ackermann, Klaus Baumann, Paul Deselaers, Margit Eckholt, Hans-Joachim Höhn, Siegfried Kleymann, Volker Malburg, Wunibald Müller, Józef Niewiadomski, Ursula Nothelle-Wildfeuer, Matthias Sellmann, Michael Sievernich SJ, Jürgen Werbick und Martin Werlen sowie von den Herausgebern selbst war es ihnen Ansporn, Herausforderungen, Vergewisserungen und Perspektiven aufzuzeigen.

Nach einer Einleitung von Alois J. Buch (Ausbildung und Dienst künftiger Priester: Phänomene und Kontexte) eröffnet Klaus Baumann mit seinem Aufsatz »Neubestimmung der diakonischen Dimension des Priesterseins« den Abschnitt »Herausforderungen«. In seiner Einleitung verbalisiert er die implizite These »Diakonische Priester sind authentische(re) Priester« (33) als Gegenmittel zu einem »abstoßenden Klerikalismus« mit Auswüchsen wie Vertuschung von sexuellem Missbrauch und anderem Rollenmissbrauch. Vielschichtig fokussiert sich Baumann auf den Begriff »diakonisch«. Das angerissene Thema der sexuellen Identität zieht sich neben dem Thema einer sich entwickelnden Gesellschaft auch durch die anderen Artikel dieses Abschnitts, der in Teilen auch als »Problemanzeige« hätte tituliert werden können: Priesterwerden in einer zukunftssensiblen Kirche (Kleymann)/»In die Schule der Frauen gehen«. Der Not wendende Beitrag von Frauen in der Pries-terausbildung (Eckholt)/»Let’s talk about Sex«. Vom ehrlichen Umgang mit der Sexualität in der Priesterausbildung (Müller)/Pries-terinnen und Priester für eine Kirche, die anders ist (Werlen).

Hochkompetent und diskussionsanregend schließen sich die Artikel des Abschnitts »Vergewisserungen« an: Infragestellung und Begründung des sakramentalen kirchlichen Dienstamtes (Freitag)/Die Berufung zum priesterlichen Leitungs- und Heiligungsdienst in einer partizipativen Kirche (Werbick)/Priester als homo theologicus? (Niewiadomski)/Gelebte Spiritualität. Wege und Pro- file (Deselaers). Beispielhaft sei hier Werbicks Aufforderung zur Deutung der (scheinbaren) Alternativen unserer Zeit zitiert:

»Entweder modifiziert man diese Zulassungsbedingungen oder man läuft Gefahr, den kirchlichen Sinn des Weihepriestertums und seines Heiligungsdienstes zu verdunkeln, weil die von den Geweihten wahrgenommene Rolle Jesu Christi für die Gemeinden in deren Alltags- erfahrung zunehmend ausfällt und sie ihn so als »notfalls« verzichtbar anzusehen beginnen. Hier darauf zu warten, dass sich die Zeiten schon wieder ändern werden und dann wieder genügend Priesterberufungen zu gegenwärtigen Bedingungen zur Verfügung stehen oder weniger Priester nötig sein werden, weil der »Gemeindeschwund« dann immer größere Seelsorge-Einheiten möglich macht, würde m. E. kirchlich zu viel aufs Spiel setzen und diejenigen allein lassen, die sich heute und morgen in das priesterliche Dienstamt berufen lassen.« (154 f.)

Ein erfrischender Exot ist der letzte Artikel dieses Abschnitts »Literarische Priesterbilder im Umbruch der Gegenwart« (Sievernich). Auch wenn hier überwiegend literarische Priestergestalten beleuchtet werden, ist Sievernichs Folgerung überraschend sachlich wie realitätstauglich: »Priester sind immer Priester ihrer Zeit und ihres Ortes, zusammen mit ihren Zeitgenossen.« (211 f.)

»Wofür sind wir (noch) da?« (215), mit dieser, von Priestern dieser Zeit gestellten Frage, werden die Artikel des Abschnitts »Perspektiven« eingeleitet: Gesendet – wohin und zu wem? Priester als postsäkulare Religionsexperten (Höhn)/Persönlichkeitsbildung – Priestersein als personale, soziale und öffentliche Existenz (Nothelle-Wildfeuer)/Mut zur Rollenidentität. Warum reine Persönlichkeitsbildung für ein gegenwartsfähiges Priestertum nicht mehr genügt (Sellmann)/Diversität und Identität als Aufgabe der Pries-terausbildung (Malburg)/Priester sein in einer synodalen Kirche (Ackermann)

Die genannten Artikel leisten alle einen Beitrag, aber kein Artikel beantwortet für sich allein wirklich grundlegend die Fragen zukünftiger priesterlicher Identität. Dem Lesenden wird vielmehr eine neue Frage eingepflanzt: Ist es überhaupt (schon) möglich, diese Zukunft zu beschreiben?

Stilistisch sind die Artikel dieser Sammlung sehr unterschiedlich. Teils tagebuchartig, teils persönlich-biografisch, überwiegend wissenschaftlich, aber immer wieder ehrlich ringend. Diese Unterschiedlichkeit dürfte auch einer breiten Leserschaft entgegenkommen. Für Fachleute und Verantwortliche für Ausbildung und Studium, interessierte Christinnen und Christen und naturgemäß (zukünftige) Priester könnte diese Herausgeberschrift hilfreich sein. In der Gesamtheit leisten Buch und Freitag mit diesem selbst erstellten Geburtstagsgeschenk für St. Lambert einen ernstzunehmenden Beitrag zur Meinungsbildung: Es ist nicht hoffnungslos.