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Ausgabe:

November/2023

Spalte:

1089–1090

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Klein, Franziska

Titel/Untertitel:

Die Domus Conversorum und die Konvertiten des Königs. Fürsorge, Vorsorge und jüdische Konversion im mittelalterlichen England.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2021. XII, 308 S. m. 3 Abb. = Europa im Mittelalter, 37. Geb. EUR 99,95. ISBN 9783110687149.

Rezensent:

Görge K. Hasselhoff

Ein Problem (nicht nur) des mittelalterlichen Religionskontakts ist der Wechsel der Konfession oder der Religion. Neben dem möglichen Verlust vertrauter religionsspezifischer Praxen kann die Folge auch eine sozio-ökonomische Entwurzelung sein. Um einer solchen zu begegnen, schuf der englische König Henry III. (1207–72) im Jahr 1232 die Domus conversorum als Ort der Konvertitenfürsorge. Noch lange nach der Ausweisung von Juden aus England im Jahr 1290 bestand das Haus bis zum Jahr 1609.

In ihrer 2018 an der Universität Duisburg-Essen verteidigten Doktorarbeit untersucht Franziska Klein die Arbeitsweise des Hau-ses. Im Blickpunkt steht dabei weniger die Frage nach der Ermöglichung von Konversion als vielmehr die königliche Fürsorge für die Konvertiten in wirtschaftlicher Hinsicht. Ausgewertet werden dafür die sehr umfangreich erhaltenen königlichen Register (rolls).

K. geht in fünf Schritten vor. Im ersten Kapitel beschreibt sie die Arbeit der Domus conversorum im Kontext der Armenfür- sorge. Der Unterhalt des Hauses wurde vermittelst einer fortdauernden königlichen (Zu-)Stiftung ermöglicht. Das Haus beherbergte durchgängig zwischen 70 und 100 Personen, wobei es sich nicht nur um Konvertiten, sondern auch um deren schon zuvor christliche Familien handeln konnte. Im sehr knappen zweiten Abschnitt werden Alternativen zur königlichen Fürsorge in den Blick genommen. Als solche nennt K. Ehe, den Eintritt in den Klerus (»deutlich vielversprechender als eine Ehe«, 113), das Ergreifen eines Berufs (z. B. Händler, Geldverleiher oder Goldschmied) oder das Abgleiten in die Kriminalität. Dagegen stand die Möglichkeit, in den königlichen Dienst einzutreten. Der dritte Teil ist dem royalen Umgang mit Juden und Konvertiten gewidmet. Juden wurde eine begrenzte, zugleich aber auch überwachte Autonomie eingeräumt. Dennoch kam es aus unterschiedlichsten Gründen zu Konversionen. Das Ausscheiden aus der jüdischen Gemeinschaft ging für den Konvertiten oder die Konvertitin mit einem Namenswechsel als Unterscheidungsmerkmal einher. Jedoch war Konversion nicht der Regelfall: nur etwa 5–10 % der 3000–5000 in England im 13. Jh. lebenden Juden konvertierten (vgl. 159), wohl zum einen wegen der sozialen Entwurzelung und zum anderen wegen der Skepsis auf Seiten der christlichen Mehrheitsgesellschaft. Es hat aber den Anschein, dass der »Fokus der Krone […] wohl weniger auf der Beförderung des Übertritts als auf dessen Bewältigung« lag (197). Im vierten Kapitel wird die Konvertitenfürsorge in der Domus conversorum selbst beschrieben. Zu dieser Fürsorge gehörte auch das Bemühen, eine Rückkehr zum Judentum zu verhindern (vgl. 204 f. u. ö.). Im abschließenden fünften Abschnitt wird die Fortexistenz des Hauses nach der Vertreibung der Juden von 1290 beschrieben. Für eine Übergangszeit beherbergte es weiter Konvertiten aus England, ab 1308 dann solche, die aus Kontinentaleuropa eingewandert waren. Daneben wurde das Haus ab 1289 als Dokumentenlager der königlichen Verwaltung genutzt. Auf eine knappe Zusammenfassung folgen eine Edition der erhaltenen Konvertitenlisten sowie mehrerer Einzeldokumente, ein Literaturverzeichnis und Register.

Trotz vereinzelter Redundanzen und einer mitunter sehr phrasenhaften Wortwahl (z. B.: »Vorsorge ist eine Form des Kontingenzmanagements, aber nicht die einzige. Konversion in der oben angerissenen Form wird als Kontingenzgenerator verstanden […]«, 18) werden die Lebensumstände von Konvertiten im 13. Jh. in Eng-land anschaulich beschrieben. Die theologischen Implikationen von Judenmission und ihre Grenzen werden jedoch allenfalls gestreift.