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Ausgabe:

November/2023

Spalte:

1081–1082

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Perepparambil, Sajan George

Titel/Untertitel:

Jesus as the Way to the Father in the Gospel of John. A Study of the Way Motif and John 14,6 in Its Context.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2023. XXI, 470 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 2. Reihe, 584. Kart. EUR 114,00. ISBN 9783161619250.

Rezensent:

Michael R. Jost

Die Monographie ist die geringfügig überarbeitete Dissertation von Sajan George Perepparambil, die 2018 von der Universität Wien mit summa cum laude angenommen wurde. Perepparambil ist katholischer Theologe und derzeit Professor am Jyotir Bhavan, einem Institut für Theologie und Spiritualität in Indien.

Im Mittelpunkt des Buches steht das bekannte Ich-bin-Wort Jesu aus Joh 14,6: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, außer durch mich.« Auf 470 Seiten werden diese wenigen Worte einer gründlichen Untersuchung unterzogen. In der Einleitung wird die Forschungsgeschichte seit 1920 kurz skizziert. Daraus wird deutlich, dass P. seine Arbeit als Korrektiv zur Monographie von Laura Tack »John 14,6 in Light of Jewish-Christian Dialogue« versteht, die 2021 auch in der 2. Reihe der WUNT als Band 557 erschienen ist. Das Gespräch mit Tack findet jedoch in den meisten Fällen nur in Fußnoten statt. Methodisch will P. den Text in seinem Kontext auslegen, d. h. vor allem im Kontext des Johannesevange-liums selbst und der biblischen Tradition.

Der erste Teil ist dem Motiv des Weges gewidmet. Ausgehend von der klassischen griechischen Literatur (7 Seiten) über die Hebräische Bibel (32 Seiten), die Septuaginta (9 Seiten), die Schriftrollen vom Toten Meer (4 Seiten) und Philo und Josephus (4 Seiten) wird schließlich das Wegmotiv im Neuen Testament (7 Seiten) und speziell die vier Belege von ὁδός im Johannesevangelium (22 Seiten) untersucht. Allein an der Seitenzahl lassen sich die Schwerpunkte leicht erkennen. Zudem hält er fest: »Hence, we may suppose that the salvific journey language in the Old Testament is the literary background for the salvific journey language in the Gospel of John.« (120)

Im zweiten Teil wird eine Kontextanalyse von Joh 14,6 geboten, konkret eine exegetische Untersuchung von Joh 13 und 14, mit dem Ergebnis, dass Joh 14,6 eng mit seinem Kontext verwoben ist.

Im dritten, knappen Teil wird demgemäß auf 9 Seiten die Einheit und Integrität von Joh 14,6 diskutiert und bestätigt: »It is impossible to regard v. 6b as a later addition to v. 6a from the viewpoint of grammar, vocabulary, structure, context and theology of the text.« (192–193)

Im vierten Teil werden mögliche traditionsgeschichtliche Hintergründe von Joh 14,6 untersucht. Im Zentrum steht dabei eine intertextuelle Interpretation, die ausgehend vom Wegmotiv in Joh 1,23 den Fokus auf Jes 40,3 richtet, wobei auch die Qumrantexte zur Interpretation herangezogen werden und die intratextuelle Verbindung von Jesaja-Zitaten in Joh 12,38–41 zu Joh 14,7–14 aufgezeigt wird. Damit wird der Exklusivitätsanspruch von Joh 14,6 mit dem in Jes 40–55 betonten Monotheismus verbunden.

Im fünften Teil werden die weiteren Motive »Wahrheit« und »Leben« sowie der Zusammenhang mit dem Wegmotiv untersucht und darüber hinaus eine kurze Studie zum Vatermotiv vorgelegt.

Der sechste Teil untersucht die Herkunft und den Zusammenhang von Joh 14,6 mit den anderen Ich-bin-Worten. Dabei wird nochmals die Relevanz von Deuterojesaja herausgearbeitet.

Im siebenten Teil wird auf der Grundlage der exegetischen Arbeit der historische Kontext der Aussage in Joh 14,6 bestimmt. P. folgert aus seinen Beobachtungen, dass Joh 14,6 nicht als Reflex auf den Ausschluss aus der Synagoge zu deuten sei, wie es J. L. Martyn einflussreich postuliert hat, sondern umgekehrt, dass die kultische Verehrung Christi und der Exklusivitätsanspruch den Ausschluss provoziert hätten. »Therefore, an anti-Judaistic and a sectarian interpretation of John 14,6 should be discouraged.« (377)

Im achten und letzten Teil wird die Bedeutung der Aussage von Joh 14,6 für den interreligiösen Dialog der Gegenwart diskutiert. Einerseits betont P., dass Johannes einen Heilsuniversalismus vertrete. Andererseits führt er andere neutestamentliche Belege an, die einen Heilsexklusivismus lehren (Apg 4,12; 1Tim 2,3–5). Auf wenigen Seiten skizziert er dann katholische Perspektiven für den interreligiösen Dialog, die er als angemessene Interpretation der johanneischen Aussage versteht, weil die katholische Lehre die Exklusivität des Evangeliums und den Heilsuniversalismus ausgewogen lehre. »The example set by the Catholic Church can serve as a mod-el for the other Christians to follow.« (394) In 15 kleineren Kapiteln werden schließlich die Ergebnisse der Untersuchung als Resümee zusammengefasst und ausgewertet.

Dem Buch sind ein Literaturverzeichnis sowie ein Stellen-, Autoren- und sorgfältig ausgearbeitetes Sachregister beigefügt.

P. hat mit dieser Arbeit eine ausgewogene und zugleich umfassende Analyse der Aussage von Joh 14,6 vorgelegt. Methodisch werden lexikalische, traditionsgeschichtliche und philologische Beobachtungen sinnvoll miteinander verbunden. Der Aufbau, sich dem Vers von verschiedenen Seiten zu nähern, entspricht der johanneischen Denkweise. Die Stärke liegt in der historischen Kontextualisierung und den überzeugend herausgearbeiteten in­ter- und intratextuellen Bezügen. Unklar bleibt hingegen, wie Heilsuniversalismus und der in Joh 14,6 behauptete Exklusivitätsanspruch Jesu zusammen gedacht werden. Die mit den jesajanischen Bezügen intendierte Themenverschiebung vom Heilsexklusivismus zum Monotheismus erleichtert zwar das interreligiöse Gespräch. Es stellt sich aber die Frage, ob die Brisanz der Aussage in Joh 14,6 dadurch nicht abgeschwächt wird. Dass beide Facetten im Evangelium zu finden sind, steht außer Frage. Es fällt aber auf, dass die Worte »außer durch mich« (εἰ μὴ διʼ ἐμοῦ) in P.s Argumentation nur eine untergeordnete Rolle spielen. Kurz kommt er auf den Seiten 289–290 darauf zu sprechen. Er erkennt darin ein dualistisches Denken. »[I]t indicates the conditionality and uniqueness of salvation brought about by Jesus. […] The basic condition for this unique salvation is belief in Jesus and its outcome is union with the Father.« (290, vgl. auch 343) Auf dieser Linie liegt auch sein soteriologisches Fazit: »For John, way is exclusively a salvific term and it is applicable only to Jesus. Therefore, he cannot use this term in any other manner. For him, there are not many ways but only one way which is Jesus.« (397) Allerdings dreht P. die Aussage in ihrer Anwendung auf den gegenwärtigen interreligiösen Dialog: »But this does not mean that all those who do not believe in Jesus are doomed. The statement ›no one comes to the Father except through me‹ implies that all are saved through Christ and that he is the Saviour of the whole mankind. John 14,6 is a statement of Christological monotheism. Monotheism creates a genuine bridge between Christians and the followers of other religions.« (418, ähnlich auch 394–395)

Offensichtlich wird das zuvor noch festgehaltene soteriologi-sche »Nur« nun im Blick auf den gemeinsamen monotheistischen Glauben aufgegeben, womit nebenbei auch seine Kritik der Rede vom Christomonismus im Buch von Laura Tack, die selbst für eine Art christozentrisch-trinitarische Lesart von Joh 14,6 plädiert, unvollständig bleibt.

Gleichwohl bleibt das vorgestellte Werk eine Fundgrube hilfreicher exegetischer und biblisch-theologischer Einsichten. Es trägt nicht nur zum besseren Verständnis von Joh 14,6 bei, sondern bietet darüber hinaus wichtige Impulse zur historischen Verortung und traditionsgeschichtlichen Einordnung des vierten Evangeliums.