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Ausgabe:

Oktober/2023

Spalte:

971-975

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Nordhofen, Eckhard

Titel/Untertitel:

Media divina. Die Medienrevolution des Monotheismus und die Wiederkehr der Bilder.

Verlag:

Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 320 S. Geb. EUR 34,00. ISBN 9783451397462.

Rezensent:

Philipp Stoellger

»Media divina« von Eckhard Nordhofen liest sich als seine Weiterführung von »Corpora«. Dort ging es 1. um die Medien Schrift, Sprache, Bild und Name Gottes, daher 2. um die Geschichte, den Bund, Grapholatrie und Schriftkritik im Neuen Testament, und 3. um das Medium der Vorenthaltung, die Brotbitte, die Eucharistie und den Menschen als Gottes Medium (»Inkarnation für alle«). In »Media divina« wird mit dem Untertitel präzisiert, es gehe um »Die Medienrevolution des Monotheismus und die Wiederkehr der Bilder«. Während in »Corpora« eine mediengeschichtstheologische Folge von Bildkult (AO), Schriftkult (AT) zur Inkarnation und über die Eucharistie zur Verkörperung im Menschen entworfen wurde, werden in »Media divina« einerseits die zentralen Thesen vertieft und weiter ausgeführt, andererseits »die Bilder« in der Mediengeschichte des Christentums eigens und exemplarisch erörtert.

»Media divina« liest sich im Vergleich zu »Corpora« so weiterführend und vertiefend wie material- und ideenreich (wenn auch teils wie ein Aufsatzband, vgl. u. a. c. 8 zu c. 9; c. 12 zu c. 13). Es finden sich Reaktionen auf die Anfragen im Umfeld der Diskussion von »Corpora« (Martin W. Ramb, Joachim Valentin, Ansgar Wucherpfennig und Holger Zaborowski [Hgg.], Die anarchische Kraft des Monotheismus. Eckhard Nordhofens »Corpora« in der Diskussion, Freiburg/Basel/Wien 2021). Die Studien sind teils systematisch, teils chronologisch (vom »ästhetischen Urknall« bis in die Gegenwart), exemplarisch zu Bildern (Katharinenkloster, El Greco, Raffael), interreligiös (drei Monotheismen), interkonfessionell (zur Reformation c. 16 und 17), interkulturell (c. 14) und gegenwartsdiagnostisch (c. 22 und 23).

Der Band hat 24 Kapitel: 1. »Die Herstellung der Gegenwart« über die Schrifttafeln am Sinai gegenüber dem Bildkult – der »Frage aller Fragen« nach dem Willen Gottes folgend.

2. »Babylon oder die Schrift« zur historischen Genese des Medienwechsels.

3. »Das große Gegenüber« zum Darstellungsproblem von Transzendenz im Tetragramm.

4. »Die Schrift. Von Joschija zu Jesus« über den Schriftkult von Verehren und Befolgen (mit einer würdigenden Deutung der jüdischen »Schriftler«).

5. »Inkarnation« bei Johannes und Lukas als »Ausbuchstabierung« des Tetragramms in der Fleischwerdung.

6. »Vom Zelt zum Tabernakel« mit der Geschichte des Zeltens vom Offenbarungszelt über den Tempel zur Inkarnation und der Eucharistie;

7. »Brot – Lebensmittel und Sinnträger« (gesäuert, ungesäuert, Manna, Christus, Eucharistie) entfaltet (nochmals) die originelle Deutung der Brotbitte im Vaterunser als eucharistisches eschatologisches »Brot für morgen« (86; »Unserhimmlisches Brot gib uns heute«, 88), sodass das Brot »veritables Gottesmedium« (75) wird.

8. »Bilderverbot« treffeauch die Schrift (91 f.), wenn sie den Willen Gottesfixiert. Denn Grapholatrie kann der Idolatrie ähnlich werden (wobei hier »Bildkritik« i. S. von G. Boehm passender sein könnte). Damit öffnet sich die Frage nach der Wiederkehr der Bilder im Christentum trotz des Bilderverbots. Hier macht N. die normative Differenz von narrativen versus präsentativen Bildern geltend (98 f.105 f.130; gegen optische Präsenz Jesu, 105).

9. »Mimesis und Gottmensch« erörtert die antike Mimesislehre und deren Ungenügen für ein Bild Jesu (105) im »Streit um die sekundären Modalitäten seiner möglichen Präsenz« (105).

10. »Im Katharinenkloster« behandelt die Christusikone, die vor dem Hintergrund der ägyptischen Mumienporträts mit ihren »großen Augen« präsentifiziere (112; vs. 105) und zum Blicktausch einlade (110 ff.114.130). In dem Streit um die Darstellbarkeit der Einheit der Person, also auch der göttlichen Natur, setze das Paradigma der Ikone (gegenüber dem der Mimesis) eine Alteritätsmarkierung (119 f. als Indizierung von Heiligkeit) im Verzicht auf Illusionierung. Mit Ps.-Dionysius werden die »unstimmigen Bilder« zur Bildform der »privativen Vorenthaltung« mit dem Ikonenstil der »Dialektik von Zeigen und Nicht-Zeigen« (121). Das Ikonenschreiben und die Beschriftung der Ikone markierten die Alterität eines Bildes Christi (in Verschränkung von Schrift und Bild, 122 f.126 ff.).

11. »Ost und West auf getrennten Wegen« erzählt von der Divergenz der Bildpraktiken in Ost- und Westkirche – und zeigt an der Tradition der Veronika: »Bildmagie gibt es in Ost und West« (133).

12. »Karl der Große: Vom Bilderstreit zur monotheistischen Gewaltenteilung«, handelt vom gescheiterten »Konzil« zu Frankfurt und der Anerkennung einer Gewaltenteilung vonregnum undsacerdotium.

13. »El Greco: ein Konvertit hält die Treue«, da er als ehemaliger Ikonenschreiber gegen die Renaissancenormen Vasaris an der »Alteritätsmarkierung« festhält.

14. »Alteritätsmarkierung im Wandel« (bzw. Verfremdung, Vorenthaltung,privatio) steht für das Proprium monotheistischen Mediengebrauchs, sodass die »Simultaneität von Präsenz und Vorenthaltung« das »Alleinstellungsmerkmal in der religiös-kulturellen Vielstimmigkeit« (156) sei. Gezeigt wird das im Blick auf »primitive« Bilder wie Gnadenbilder, die mimetisch schwach sein können, aber in ihrer Mischung von »Nicht-Können und Anders-Wollen […] dem Heiligen zu einer Präsenz« (164) verhelfen, die nicht mit dem Gezeigten zu verwechseln sei (also einer »guten« Präsentifikation ohne Verwechslungspotential, »Ikonenparadigma«).

15. »Die Renaissancen der Grapholatrie« expliziert, wie die Schrift zur »Heiligen« wurde durch Autorisierung, maßgebend durch den »Finger Gottes« und die Geschichte der Sakralisierung. Diese Schrift bleibt das »Referenzmedium« (177) des Monotheismus auch angesichts der Inkarnation. Daher gebe es auch (legitime oder illegitime?) Grapholatrie in der Liturgie, sei es im katholischen Wortgottesdienst oder im »Logozentrismus« des Protestantismus, der »das ›Wort Gottes‹ kultisch verehrt« (179 f.). Eigentlich gehe es um die Eucharistie als »Übergang vom Medien-Haben zum Medium-Werden als Grundfigur« (180; vgl. 174 f.), wenn in der Eucharistie der Leib Christi einverleibt werde und man dann »sich selbst als Gottesmedium« (181) begreifen könne und solle (mit der Gefahr der Usurpation des Willens Gottes, 182). – Eine Rückfrage nur: War nichtdas bereits Sinn und Wahrheit der Tora als guter Gabe spätestens seit dem Sinai: GottesmediumWerden im Tun seines Willens? Dass das rabbinische Judentum nur darauf ziele, »den Text zu deuten und zu verstehen« (177), nicht aber wie Jesus die Verwirklichung dieses Willens in Gottes- und Nächstenliebe suche, dürfte eine Verkürzung sein. Dann aber wird die Differenz der »zwei Wege« (177) fraglich.

16. »Humanismus und Reformation« rekonstruiert die Reformation und Lutherssola scriptura aus der Angst vor Hölle und Fegefeuer und der Kritik an dessen kirchlicher Bewirtschaftung im Ablasswesen. »Wer Zugriff auf das originale Wort Gottes hatte, brauchte im Prinzip keine Kirche mehr« (189). Die Kirche als »Ursakrament« wurde »durch die Kultschrift ersetzt« als das »neue Zentralsakrament« (189). Nur werde durch »hermeneutische Selbstreferenz« (sui ipsius interpres; vgl. 190) letztlich verkannt, »dass Jesus mehr wollte, als eine Schrift je kann« (190; vgl. 197; ob die Deutung belastbar ist, wäre eigens zu erörtern). So wurde es zur »Tragik des Protestantismus«, die Bibel zum Kultobjekt einer »entsakralisierten Kirche« (195) zu machen, und damit von den Naturwissenschaften wie von Fundamentalisten zugleich angreifbar zu werden. Von innen komme durch das »Seziermesser der historisch-kritischen Exegese« die »Heiligkeit der Schrift ins Rutschen« (197). Dafür ruft N. Ingolf Dalferth auf als Verkörperung der »hermeneutischen Selbstreferenz«, wenn er das »›Wort Gottes‹ zu einer idealen Variable amplifiziere« (197).

17. »Déjà vu: Die Reformatoren und die Bilder« rekonstruiert die reformatorischen Bildpositionen (Luther, Calvin, Zwingli), die »Kultpersistenz« des Reliquienwesens (204, zu Luther), und die profane Malerei in den Niederlanden.

18. »Die wiedergewonnene Mimesis wird alteritär«. War die Alteritätsmarkierung im Ikonenparadigma visuell befremdlich (»primitiv«), wandert sie unter dem Mimesisparadigma von der Darstellungsweise aus ins Dargestellte, in die Bildsujets. Dafür formuliert N. das »Prinzip der Passage« (225), mit dem die Übergänge von der Normalität zur Alterität narrativ ins Bild gesetzt werden. Für die Transzendenzdarstellung als Inszenierung des Transzendierens wird Raffaels »Disputa del Sacramento« (Stanze im Vatikan) aufgerufen: Im Zentrum steht die Hostie, und »die weiße Scheibe schaut ihn [den Betrachter] wie aus einem Auge an« (227). Hier koinzidieren narratives und präsentatives Bild, ohne Verwechslungsgefahr.

19. »Die Brotgeschichte. Ein Fortsetzungskapitel« führt die Bitte um das »himmlische Brot« weiter, da es nicht nur verzehrt, sondern auchverehrt wird (230 ff.). Fronleichnam, Tabernakel und Monstranz werden hier als »Medienverbund« (233) von Kult und Doktrin gedeutet, der sich um die Hostie dreht, »ein Bild, das zeigt, dass esnichts zeigt« (232), als die »größte aller Vorenthaltungen« (226; ob indes die Hostie zeigt, dass sie nichts zeigt, oder ob sie ist, was sie zeigt, und zeigt, was sie ist? Die Präsentifikation dürfte man sich doch intensiver nicht denken können durch diese »größte Vorenthaltung«).

20. »Raffaels Passagenwerk« deutet die »Transfiguration« als »erzählte Ikone« (243), die den Übergang in die »Sichtbarkeit der alteritären Wirklichkeit« (244) vor Augen führt (ob hier das Bild selbst zur Christusvision wird, die zeigt, was die Hostie zeigt, oder gar wird, was die Hostie ist?). Jedenfalls findet N. hier das Paradigma einer »passageren Ästhetik« (246; deren Performanz auf die Passage der Betrachter zielt, auf deren Transfiguration?).

21. »Wunder für die Augen. Eine Simultaneität von Illusion und Intelligenz« zeigt in illusionistischen wie anamorphotischen Bildpraktiken des Barocks die Dialektik von Illusion und Dekonstruktion (mit Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs, 257; vgl. 285 f.).

22. »Die letzten Wechsel« springt zu Barnet NewmansVir heroicus sublimis von 1951 in eine Inszenierung des Erhabenen, das »wie ein Blitz alle Dinge zerreißt« (260). Mit G. Boehm geht es um eine »Epiphanie der Leere« als Alteritätsmarkierung und die Wandelbarkeit solcher Markierungen (260 f.). Das Paradigma der Leere sei mittlerweile langweilig geworden. Wenn »der Künstler« zum Medium wird, werde er nur »zum Medium seiner selbst« (267). Dagegen kommt dann Michael Triegel zu stehen (271 f.; »Theophanie« auf dem Einbandcover, vgl. 273) als »Renaissance der Mimesis« mit »Alteritätsmarkierung« und einer »Dialektik von Präsenz und Entzug« (272 f.).

23. »Ein Sprung ins 20. Jahrhundert« wendet den Blick auf die Frage nach Schrift und Bild nach dem »Holocaust« hin zu Celans Überschreibung des Tetragramms durch »Niemand« (279 f.).

24. »Der weite Blick der Zwerge« revidiert rückblickend den Gedankengang und ruft das monotheistische »Pensum« (285) in Erinnerung, privative Entmächtigung von usurpativer Ermächtigung zu unterscheiden (286).

Für »drei Begriffe und eine Formulierung« (11) erhofft sich N. ein Nachleben über die Vergänglichkeit eines gedruckten Buches hinaus. Da er einleitend nicht verrät, was genau er im Sinn hat, bleibt dem Leser ein österliches Begriffesuchen – mit dem einzigen Problem, dass N. mehr versteckt hat, als er ankündigt. Seine prägnanten Prägungen sind u. a.: Grapholatrie versus Idolatrie, Transfunktionalismus versus Funktionalismus (»transfunktionalistischer Glutkern des Monotheismus«, 231), die Alteritätsmarkierung (im Namen Gottes, in Brot, Schrift, Eucharistie, Bild), daher Schrift als Medium der Differenz, (Bild dito, 129), denn: »Das Medium ist nicht identisch mit dem, auf das es verweist« (129); und vor allem die Wendung »Simultaneität von Präsenz und Vorenthaltung« (vgl. Entzug 24.64.273; vgl. ferner 27.46.261) als »der rote Faden des biblischen Monotheismus« (70), woraus sich auch die normative Differenz von privativem und usurpativem Denken ergibt (286), und das Programm einer privativen Theologie und Ästhetik (24), mit dem soteriologischen Ziel »Inkarnation für alle«.

N.s Programm ist die Erschließung des Monotheismus über seine Mediengeschichte, des jüdischen Monotheismus über »Schrift statt Bild« und des christlichen Monotheismus über Inkarnation und Verkörperung (mit Bild und Schrift), mit dem »Suchscheinwerfer, der den Gottesmedien folgt« (134). Dabei zeigt sich eine teleologische Tendenz, die im römisch-katholischen Monotheismus mit seinem Eucharistieverständnis ihr Ziel findet. Dabei wird die Sakralität von Raum, Kult und Ritual gegen Profanierungen verteidigt. Die finale Pointe einer wundersamen Wandlung der Empfänger der Eucharistie, die dadurch zu Medien Gottes werden (sollen, können, dürfen), ist auch protestantisch durchaus der Anerkennung fähig. Hier liegen ökumenische Potentiale. Wird doch N. zufolge die Gemeinde zum Medium Gottes, nicht gleich die theopolitische Institution (die er einleitend aktueller Kritik unterzieht).

Im ersten Medienwechsel vom Kultbild des Alten Orients zur Kultschrift Israels wird diejenige »Vorenthaltung manifest«, die N. als das »Proprium« (72) des neuen Monotheismus bestimmt (vgl. 107 zum Chalkedonense: Dogma als Vorenthaltung, bzw. Fremdheit 127 f., als ästhetisches Koordinatensystem). Die Kultschrift sei »Simultaneität von Gottes Präsenz und Vorenthaltung« (60). Die Grundfigur dieses »simul« ist das Tetragramm, die Tora daher dessen Entfaltung, dessen Verkörperung die Inkarnation, von der her die Eucharistie gedeutet wird, und als deren Ziel die Gemeinde bzw. »der Mensch« als Gottesmedium.

Die Brotbitte des Vaterunsers sei die Bitte um das »himmlische Brot« und damit im Grunde Eucharistiebitte. Denn die Eucharistie ermögliche »Inkarnation für alle«, sodass die Gemeinde zum Gottesmedium werde. »Inkarnation für alle« meint nicht eine linkshegelianische Generalisierung Christi, sondern operiert mit Ratzingers Differenz von »vertikaler Inkarnation in Jesus und horizontaler Inkarnation für alle« (69; vgl. mit Karl-Heinz Menke, 182). »In der Inkarnation verdichtet sich die Vorstellung, dass nicht nur in den Buchstaben der Tora das große Gegenüber präsent ist, sondern auf neue lebendige Weise im Menschen Jesus, der sich selbst zum Gottesmedium gemacht hatte. Anders als beim babylonischen Medienwechsel, der die Kultbilder verwarf, führte die Entdeckung des Menschen als letztem Medium der Medien nicht zur Verabschiedung des alten« (60). Inkarnation sei »die tiefste Antwort auf die Frage nach der Wiederkehr der Bilder« (59) im Christentum. Die Bildfrage wird so plausibel wie traditionell von der Inkarna-tion her beantwortet (unter Appräsenz einer kreuzestheologischen Bildtheorie).

Die maßgebende Grundfigur der Simultaneität von Präsenz und Vorenthaltung (oder »Präsenz im Entzug« und »im Vorübergehen«?) erscheint im Rückblick durchaus noch näherer Differenzierung fähig und bedürftig. Denn gedacht ist schwerlich an die Karotte vor der Nase des Esels, sondern an sehr unterschiedliche Formen und Praktiken der Vorenthaltung oder Dynamiken des Entzugs, der Diachronie, des Verbergens und der Appräsenz. Inkarnation ist vermutlich weniger Vorenthaltung als vielmehr Hingabe (57), Kreuz erst recht als Entzug der Präsenz. Schrift ist (wenn sie als Wille Gottes gilt) nicht nur Referenz auf Externes, sondern ist »irgendwie« auch, was sie besagt (nur wie?). Eucharistie ist unter Bedingungen der Realpräsenz in aller Vorenthaltung »Präsentifikation« (reine Gabe?). Und ist die Verkörperung im Gott entsprechenden Leben (wenn der Mensch zum Gottesmedium wird) Präsenz und Vorenthaltung oder Gabe, Weitergabe, Teilen, Spur und Zeugnis? In den unterschiedlichen Hinsichten wäre differenzhermeneutisch gut zu fragen: Was genau wird wie von wem warum vorenthalten? So wie Präsenz von Präsenz unterscheidbar wird, so auch Vorenthaltung von Vorenthaltung und von Entzug – Vor- übergehen und indirekte Gabe zum Beispiel.

Konstruktiv wie kritisch richtet sich N.s Lob der Alterität und der Vorenthaltung im Zeichen einer privativen Theologie gegen usurpatorische Ideologie, Ermächtigungsphantasien und gegen Fundamentalismen (142; vgl. 162: »Richtig toxisch wird diese Verwechslung, wenn sie mit einem Fundamentalismus einhergeht, der den Willen Gottes deshalb zu kennen meint, weil er ihn schriftlich vor sich hat«). Diese kritischen Differenzen zehren von der Voraussetzung, dass Gott ein irreduzibles Gegenüber ist und bleibt. Hier hätte man auch, wenn auch etwas anders, auf das Kreuz verweisen können, von dem her sich »Präsenz und Vorenthaltung« nochmals anders zeigen und verbergen als im Blick auf den radikal Transzendenten und seinen Namen. Kreuz und Tetragramm wäre ein Kapitel, das noch zu schreiben bliebe.

Die nachhaltige Bedeutung von N.s Doppelwerk, Theologie medienhermeneutisch anzulegen und dabei von Name über Bild und Schrift zur Menschwerdung und den Menschen bzw. (syn-odal?) zur Gemeinde als möglichem Gottesmedium weiterzudenken, ist gewiss. Dadurch kommen Name, Schrift und Bild sowie Verkörperung und Gemeinschaft in ihren Konkurrenzen und Konvergenzen erhellend in den Blick, nicht »nur« Wort Gottes, Verkündigung, Sprache und Rede.

Bei aller Sympathie für die Medienheilsgeschichte und Heilsmediengeschichte mit dem Telos der Bildwerdung des Menschen als alteritärer Verkörperung des Willens Gottes, fragt sich am Rande doch auch, was dabei mit der Kreuzestheologie passiert sein mag? Die Teleologie von Bild über Schrift über die Inkarnation zum Menschen als finalem Gottesmedium lässt diesen radikalen Riss kaum gravierend erscheinen. Angesichts dessen würde zum Medienbegriff das radikal Andere von Medialität relevant (allein »das große Gegenüber«?); oder auch Medientheorien anderer Prägung (Hörisch, Luhmann, Kittler, Debray, Krämer, Mersch, Tholen …?), und am Ende vielleicht sogar digitale Medien mit dem Virtuellen, Visuellen und Fiktionalen? So oder so erschließt N. neue Horizonte, prägnante Phänomene und einen nicht allein privativen, sondern eben darin sehr präsenten Stil von Theologie, der hoffentlich und gewiss ein reiches Nachleben entfalten wird.