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Ausgabe:

Oktober/2023

Spalte:

945-947

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt u. hg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. Th. J. Bauer. Bd. 14/1: Danihel. Hg. v. J.-C. Haelewyck. Fasc. 5: Dn 8,8–fin, Index. Hg. v. J.-C. Haelewyck.

Verlag:

Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 80 S. Kart. EUR 58,00. ISBN 9783451003462.

Rezensent:

Heinrich Holze

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Vetus Latina: Arbeitsbericht 2020/21. 62. Bericht der Stiftung. 51. Forschungsbericht des Instituts. Hgg. v. B. Steimer u. Th. Johann Bauer. Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2021.
Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt u. hg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. Th. J. Bauer. Bd. 14/1: Danihel. Hg. v. J.-C. Haelewyck. Fasc. 3: Dn 3,18–4,24. Hg. v. J.-C. Haelewyck. Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 80 S. Kart. EUR 64,00. ISBN 9783451003448.
Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt u. hg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. Th. J. Bauer. Bd. 14/1: Danihel. Hg. v. J.-C. Haelewyck. Fasc. 4: Dn 4,25–8,7. Hg. v. J.-C. Haelewyck. Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 80 S. Kart. EUR 64,00. ISBN 9783451003455.


Unter dem Begriff der Vetus Latina wird die Gruppe der lateinischen Bibeltexte versammelt, die in den ersten Jahrhunderten des Christentums vor und neben der Vulgata entstanden sind und für die lateinischen Kirchenväter und die antiken christlichen Schriftsteller die grundlegende Textbasis für das Studium der Heiligen Schrift darstellten. An ihnen lässt sich nachverfolgen, wie sich das Lateinische als Sprache der Bibel gegenüber dem Griechischen immer stärker durchgesetzt hat, wobei anfänglich verschiedene Übersetzungen nebeneinander bestanden. Bis zum frühen Mittelalter war sie der am meisten gelesene lateinische Bibeltext mit großem Einfluss auf die Geistes- und Kulturgeschichte der westlichen Welt. Die Vetus Latina ist darum eine unverzichtbare Grundlage für das Studium der Geschichte der christlichen Theologie. Das 1945 von Bonifatius Fischer gegründete Vetus Latina-Institut der Erzabtei Beuron arbeitet an der wissenschaftlichen Edition dieser Bibelübersetzungen.

Der Arbeitsbericht 2020/21 informiert über den Fortgang der Arbeiten an der Vetus Latina im Berichtszeitraum. In seinem einleitenden Beitrag blickt der wissenschaftliche Leiter des Instituts Thomas Johann Bauer auf »mehr als 75 Jahre Forschung zur Lateinischen Bibel in der Erzabtei Beuron«. Er beschreibt die Anfänge unter Pierre Sabatier und Paul de Lagarde im 18./19. Jh., die Gründung des Instituts in Beuron unter Bonifatius Fischer und die Entwicklung dieses Instituts zu einer international vernetzten Forschungsinstitution, an der nicht nur zur Vetus Latina, sondern auch zur Vulgata und zum griechischen Bibeltext gearbeitet wird.

Im Berichtszeitraum finden sich folgende Arbeitsergebnisse:

Abgeschlossen werden konnte die Edition des altlateinischen Textes des Buches Daniel (altlat. Danihel). Hatte es noch im 61. Arbeitsbericht 2018/19 geheißen, dass die Edition des Buches Daniel erst am Anfang stehe (vgl. ThLZ 146, 2021, 296 f.), kann nunmehr mit den hier anzuzeigenden drei Teillieferungen von Band 14 der Abschluss der Edition vermeldet werden. Als Herausgeber zeichnet Jean-Claude Haelewyck, Professor em. an der Faculté de Théologie de l’Université catholique de Louvain und am Centre d’Études Orientales de Louvain. Unter seiner Leitung konnte die Edition des altlateinischen Textes des Buches Danihel in kurzer Zeit vollständig und mit einem detaillierten textkritischen Apparat ediert werden. In der Einführung zur ersten Teillieferung unterstreicht Haelewyck die enorme Bedeutung des Danielbuches für die Ikonographie und die Theologiegeschichte. Er macht aber auch darauf aufmerksam, dass die Überlieferung des lateinischen Textes nur sehr bruchstückhaft ist. Bei der Rekonstruktion des Textes seien darum Hinweise der lateinischen Kirchenschriftsteller und anderer antiker christlicher Autoren berücksichtigt worden. Haelewyck unterscheidet vier altlateinische Texttypen. Deren älteste reicht, wie lateinische Übersetzungen des Barnabasbriefes und des Hermas belegen, in das 2./3. Jh. zurück. Zwei afrikanische Überlieferungslinen zeigen sich bei Tertullian, Cyprian, Tyconius, Optatus von Mileve und Quodvultdeus. Eine europäische Textüberlieferung wird im 4./5. Jh. bei Lucifer von Calaris und Hilarius von Poitiers sowie beim Ambrosiaster und Salvian von Marseille erkennbar. Augustin und Hieronymus bilden eigenständige Überlieferungstraditionen. Bei einem Vergleich der Überlieferungslinien wird deutlich, dass das Danielbuch in den früheren Texten einen Aufbau hatte, der sich an den zwölf Visionen orientierte, während sich in späterer Zeit andere Gliederungsschemata durchsetzten. Wirkungsgeschichtlich waren vor allem die Lieder des Danielbuches von Bedeutung. Sie wurden nicht nur einzeln überliefert, sondern fanden auch in die gottesdienstliche Liturgie Eingang.

Auch die 2001 begonnene Edition des Buches Judith konnte mit der Publikation der beiden letzten Faszikel 6 und 7 (2020) abgeschlossen werden.

Die Edition des Buches Tobit hat, worauf der verantwortliche Herausgeber Jean-Marie Auwers (Louvain-la-Neuve) hinweist, durch die Edition des altlateinischen Textes von Judith neue Impulse bekommen, da beide biblische Schriften (sowie das Buch Esther) in gleichen altlateinischen Manuskripten enthalten sind, was auf eine gemeinsame Textgeschichte schließen lässt.

Die Arbeiten an der Edition von Esra I–II (= Nehemia) unter der Leitung von Bonifatia Gesche (Mariendonk) wurden fortgesetzt, allerdings hat die Einbeziehung einer bislang nicht berücksichtigten Handschriftengruppe, die einen Mischtext aus der Vetus-Latina-Tradition und dem Vulgata-Text enthält, zu Verzögerungen geführt.

Die Edition der altlateinischen Texte des Buches Richter wurde von Jean-Claude Haelewyck (Louvain-la-Neuve) übernommen.

Die Edition des Buches Sirach (Ecclesiasticus) kommt unter Anthony J. Forte gut voran. Fasz. 1 und 2 liegen vor. Die Publikation des dritten Faszikels wird für die nächsten Monate erwartet. Von Gewicht ist nach Ansicht des Herausgebers das Verhältnis von griechischer Textvorlage und lateinischer Übersetzung, insbesondere die Frage, wer der Übersetzer war und ob das Lateinische für ihn Muttersprache war.

Die Editionen des Matthäusevangeliums und des Lukasevangeliums, die von Thomas Johann Bauer (Erfurt) und Annette Weissenrieder (Halle) geleitet werden, kommen nur langsam voran. Das hängt damit zusammen, dass jeder Beleg bei den lateinischen Kirchenvätern und Kirchenschriftstellern in den Handschriften überprüft werden muss. Auch die Edition des Johannesevangeliums, deren letzte Lieferung 2013 vorgelegt wurde, stagniert, wobei H. A. G. Houghton (Birmingham) die Fortsetzung der Arbeiten angekündigt hat.

Die Edition der altlateinischen Apostelgeschichte wird von Wilhelm Blümer (Mainz) geleitet. Neben den Kapiteln 1 und 2 sind inzwischen auch die Kapitel 4–6 fertiggestellt und werden auf der Homepage des Mainzer Projektes online publiziert (https://nttf.klassphil.uni-mainz.de/).

Bezüglich der Briefe des Apostels Paulus an die Römer, die Korinther und die Galater sind keine weiteren Ergebnisse zu vermelden, allerdings besteht die Hoffnung, dass durch Bewilligung weiterer Forschungsmittel die Arbeiten demnächst verstärkt fortgesetzt werden können.