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Ausgabe:

Oktober/2023

Spalte:

942-944

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Loke, Andrew Ter Ern

Titel/Untertitel:

The Origin of Humanity and Evolution. Science and Scripture in Conversation.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T&T Clark 2022. 200 S. Geb. £ 76,50. ISBN 9780567706355.

Rezensent:

Wolfgang Michael Klein

In seiner Monographie versucht Andrew Ter Ern Loke, die Kompatibilität von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und biblischem Kanon auszuweisen. Der studierte Arzt, mit M.A. Philosophie (Biola University) und PhD theol. (King’s College London) schreibt im ersten Kapitel: »There is a possible […] model of reality […] which shows that there is no incompatibility between evolution and the Bible. This model contains details […] not found in the Bible, but that is okay because […] God did not provide an exhaustive knowledge of reality in the Bible.« (13)

Neben dieser Wirklichkeitskonzeption wählt L. einen »transdisziplinären« Zugang. Dessen Ziel ist es, Wissen und Ansätze der Lebens-, Sozial- und Medizinwissenschaften geisteswissenschaftlich zu rezipieren, um die Grenzen eigener Anschauungen zu »transzendieren« (2). L.s Argumentation zielt darauf, Widersprüche biblischer Aussagen mit heutigem Weltwissen auszuräumen. Zugleich sei »die« Bibel nicht auf Übereinstimmung mit naturwissenschaftlichem Wissen angewiesen, wenngleich L. zufolge beiden durchgehende und vergleichbare Modelle eignen (15 f.).

Die Folgekapitel setzen sich mit Akkommodation (2.) und dem Schöpfungszeitraum (3.) auseinander; eine geistesgeschichtliche Einordnung unterbleibt. In Kapitel 4 interpretiert L. die Evolution als Werkzeug der Hervorbringung der Schöpfung.

In Kapitel 5 versucht L., die Harmonie zwischen Evolution und Bibel herauszuarbeiten. L. setzt sich hier damit auseinander, dass der homo sapiens nach naturwissenschaftlicher Kenntnis von einer Vielzahl verschiedener homo abstammt (polygenism). Nach L. habe Gott Adam als sein Ebenbild erwählt und so zu dem einen menschlichen Lebewesen gemacht, der diese Gabe genetisch weitergegeben habe.

Die Deutung L.s ist zunächst vom hebräischen Text her infrage zu stellen. Gen 1 liest ’ādām (Gattung Mensch) und nicht den Eigennamen, der erst ab Gen 4,25 auftaucht; die Gottebenbildlichkeit gilt demnach der Gattung insgesamt. Entsprechend ist L.s Lesart hier im Falle bloßer Unkenntnis veraltet. Für L. ergibt sich, dass alle nicht-genetischen Nachkommen Adams Vormenschen darstellen, da sie nicht gottebenbildlich sind. In latentem Rassismus sind für L. daher alle, die nicht Adams göttliche Gene tragen, letztlich keine Menschen: »At the time of Adam’s creation there were perhaps other ›anatomical Homo sapiens‹. Nevertheless, these […] did not possess the image of God and hence were not truly human beings. While between them and God’s-Image-Bearers, there would be many similarities, both physical and behavioural, there would be differences in their election by God and/or capacities relating to the image of God.« (106)

Darüber hinaus zeigt sich in dieser grammatisch fragwürdigen Auslegung eine strukturelle Abwertung von Frauen, da hier allein Adam die Gottebenbildlichkeit von Gott empfängt. L. spricht im Buch lediglich von Adam und seinen Nachkommen, deren Gabe sich jeweils genetisch dominant vererbe; Eva bleibt demnach Vormensch: »My proposal affirms that the descendants of Adam would possess the image of God, and this would be the case even when these descendants were produced through mating with anatomical Homo that did not have the image of God. […] When mating between humans and non-human Homo occurred, the unique human capacity in the soul as well as the election of being human would be passed on to the offspring, and the offspring would thus have the full image of God and thus be fully human.« (111)

Bezüglich der Sintflut (6.) nimmt L. an, die rein lokale Flut habe die Imago-Träger bis auf Noahs Familie vernichtet. L.s »Theorie« genetischer Übertragung des eigentlichen Menschseins ist auch hier greifbar. Für die nachnoachitische Zeit sei ein Modell anzunehmen, »in which many other animals around the globe – including many anatomical Homo sapiens who did not possess the image of God – would have survived the Flood. It is possible that a number of Noah’s descendants (God’s-Image-Bearers) mated with non-human anatomical Homo after the Flood, thus accounting for the genetic diversity we observe today« (130).

Die Gleichsetzung der noch nicht genetisch vermischten Nicht-Adamiten mit Tieren wie auch L.s »Diversity«-Konzept zeigen eindrücklich, wie sehr rassistische Genetik L.s »Modell« prägt. Trotz der Annahme einer rein lokalen Sintflut ist für L. nur die Ausbreitung genetischer Gottebenbildlichkeit, nicht aber die ursprüngliche Vielfalt der homo für heutige Diversität verantwortlich. Auf L.s Art könnte man sogar sagen, dass die Inbesitznahme ferner Landmassen dazu beitrug und beiträgt, angebliche Nicht-Menschen zu Menschen zu machen.

Insgesamt ist L.s Selbstanspruch, naturwissenschaftlichen Erkenntnissen wie auch »der« Schrift gerecht zu werden, fraglich. Hätte L. die biblischen Texte unter Beachtung seiner hermeneutischen Prinzipien ausgelegt – unter Beachtung von Genre, Kontext, Wortbedeutung, Grammatik, historischer und kultureller Hintergrund etc. (154) –, wäre das Grundargument dieses Buches hinfällig. Die Gottebenbildlichkeit gilt nicht einem Mann und seinen Nachkommen. Sie gilt nach dem Bibeltext der gesamten Menschheit. Von daher ist es nicht nur problematisch, eine letztlich rassistische Konzeption zu entwickeln, nur um den Verunsicherungen des eigenen Literalismus durch modernes Weltwissen etwas oberflächlich Stimmiges entgegenzusetzen. Es ist biblisch wie auch theologisch nicht haltbar.