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Ausgabe:

Dezember/1998

Spalte:

1233 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Abt Suger von Saint-Denis

Titel/Untertitel:

Abt Suger von Saint-Denis: De Consecratione. Kommentierte Studienausgabe. Hrsg. von G. Binding u. A. Speer.

Verlag:

Köln: Kunsthistorisches Institut der Universität, Abt. Architekturgeschichte 1995. 269 S. 8 = Veröffentlichung der Abt. Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 56.

Rezensent:

Christoph Markschies

Verschiedenste Disziplinen interessieren sich gegenwärtig wieder für Suger, von 1122 bis 1151 Abt der fränkischen Königs- und Benediktinerabtei Saint Denis: Für die Geschichtswissenschaft steht traditionell die politische Dimension seines Wirkens, beispielsweise als Reichsverweser für Ludwig VII. in den Jahren 1147 bis 1149, im Vordergrund; für die Kunstgeschichte seine Neubauten von Teilen der Abteikirche, die lange Zeit fälschlich als "Gründungsbau der Gotik" galt. Aber auch die Kirchen- und Theologiegeschichte hat sich immer wieder mit Suger und seinem reformerischen Wirken beschäftigt (zuletzt A. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997, 437). Leider fehlte bisher eine wirklich gründliche kritische Edition seiner Schriften; die jüngst nachgedruckte Ausgabe von Lecoy de la Marche (uvres complètes de Suger, Paris 1867 = Hildesheim 1979) verglich lediglich die vorhergehenden Editionen, da man die Handschriften für verloren hielt. Der weit verbreitete Text in Erwin Panofskys "Abbot Suger on the Abbey Church of St.-Denis and its Art Treasures" (Princeton 21979, 40-137) kann trotz aller Bemühungen des Autors und seiner Frau, Gerda Panofsky-Soergel, um die Handschriften nicht als kritische Edition gewertet werden. Zudem ist die englische Übersetzung nicht unproblematisch. Um so bedeutsamer ist es, daß jetzt ein Kölner Team um den Philosophiehistoriker Andreas Speer und den Architekturhistoriker Günther Binding eine kritische Gesamtausgabe der Schriften Sugers vorbereitet. Es legte als ein erstes "Zwischenergebnis" (7) und als Modell zunächst eine Studienausgabe von de consecratione vor, also eine kritische Edition und Übersetzung des Berichtes, der die Weihe des Neubaus des Chores der Benediktinerabtei am Vorabend des 11.7. 1144 beschreibt. - Der Band enthält außer der kritischen Edition und einer deutschen Erstübersetzung Passagen einer Chronik aus Saint Denis, die als unabhängiger Zeuge von Teilen des Textes gelten darf (Anhang, 209-213). Ein Glossar zu wichtigen Begriffen und ein lexikographischer Wortindex schließen das Buch ab (215-244. 245-264).

In der ausführlichen und mehrteiligen Einleitung demonstrieren Mitglieder des Teams eindrücklich, wie folgenreich die Neuedition für "Stand und Methoden der Suger-Forschung" sein dürfte (A. Speer, 11-19). Dabei bestätigt sich die auch schon vom Rez. vorgetragene Ansicht, daß die Theologie Sugers im Gegensatz zur Theorie Panofskys und von Simons nicht im besonderen Maße von der pseudodionysischen Mystik geprägt ist (Ch. Markschies, Gibt es eine Theologie der gotischen Kathedrale? Nochmals: Suger von Saint Denis und Sankt Dionys vom Areopag, AHAW.PH 1/1995; vgl. ThLZ 121, 1996, 868 und Binding/Speer, 82-93). Speer führt die neu aufgebrochene Debatte um die Frage, ob der Stilwandel zur gotischen Architektur hin auch theologische Motive hatte, insofern weiter, als er (mit Hanns Peter Neuheuser) energisch auf die Quellengattung der Schrift hinweist und zeigt, daß man aus ihr mehr über die durch Hugo von St. Viktor geprägte Liturgie- und Sakramententheologie des Abtes erfährt als über eine "Theologie der gotischen Kathedrale". Der neue Baustil der Ile de France mit seiner neuen Wirkung wird von Suger mit weitgehend konventionellen Termini und Theologumena beschrieben (88/ 241; an dieser Stelle setzt jetzt auch Martin Büchsel mit seinem neuen Büchlein an: "Die Geburt der Gotik. Abt Sugers Konzept für die Abteikirche St.-Denis" [Rombach Wissenschaft. Reihe Quellen zur Kunst 5, Freiburg/B. 1997]).

Die kritische Ausgabe des Kölner Teams stellt einen entscheidenden Fortschritt im Umgang mit den Texten Sugers dar; ihre Deutungsansätze sollten auch in der Theologie Allgemeingut werden. Dem Gesamtunternehmen ist weiterhin so gutes Voranschreiten zu wünschen.