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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

779–781

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schneider, Katharina

Titel/Untertitel:

Studien zur Entfaltung der altkirchlichen Theologie der Auferstehung.

Verlag:

Bonn: Borengässer 1999. XLVI, 298 S. gr.8 = Hereditas, 14. Geb. DM 65,-. ISBN 3-923946-41-4.

Rezensent:

Gisbert Greshake

"Es ist das Anliegen dieser Arbeit, einen Einblick in diesen frühen Prozess der Entfaltung der altkirchlichen Theologie der Auferstehung [der Toten bzw. des Fleisches] und ihrer Verkündigung zu gewinnen. Ein Hinweis von Staats [R. Staats, Auferstehung: TRE 4, 468], dass es an einer ,umfassenden Darstellung der altkirchlichen Auferstehungslehre' mangele, hat dazu angeregt, die Arbeit zu erstellen" (2). Sie wurde als Dissertation im Juni 1996 an der Kath.-Theol. Fakultät, Bonn, bei Prof. E. Dassmann eingereicht.

Hat sie ihr selbstgestecktes Ziel, der Anregung von Staats zu entsprechen und in einer Untersuchung der diesbezüglichen Aussagen der sog. Apostolischen Väter und einiger frühchristlicher Apologeten (bis Ende des 2. Jh.s) einen besseren und umfassenderen Einblick in das Werden der Auferstehungstheologie zu gewinnen, erreicht? Zweifellos ist es der Vfn. gelungen, die wesentlichen Strukturlinien des Auferstehungsglaubens sowie deren Entwicklungen und Umakzentuierungen darzustellen und einsichtig zu machen, so etwa im Blick auf den jeweiligen "Interlokutor" eines bestimmten Autors oder einer bestimmten Schrift, in Bezug auf den "Stellenwert" der Auferstehung in den einzelnen theologischen Entwürfen oder hinsichtlich der Fragen: Gibt es eine Auferstehung nur der Gläubigen oder aller Menschen? Gründet die Auferstehung der Toten in der Auferstehung Christi oder/und wird schöpfungstheologisch argumentiert (nämlich vom Willen des Schöpfers her, dem Menschen ewiges Leben zu geben, und seiner Macht, dies auch durchzuführen)? Für all diese Fragen und Probleme ist ein reiches Material dargeboten, aufgearbeitet und im Zusammenhang dargestellt. Nur: Neu ist das hier Dargelegte nicht, vielmehr findet sich alles Wichtige bereits in vorliegenden Arbeiten (wobei insgesamt der Teil über die Apologeten in seiner Zusammenstellung origineller ist als der über die Apostolischen Väter). Vielleicht hat diesen Mangel an Originalität die Vfn. selbst gespürt, da sie in der Einleitung ausdrücklich bemerkt: "Die Untersuchung geht ... über neuere Abhandlungen, die ebenfalls Einzeluntersuchungen zum Thema der altkirchlichen Auferstehungslehre ... darstellen oder enthalten, wie die von van Eijk, O'Hagan, Lohmann und Lona hinaus. Allen genannten Autoren ist gemeinsam, dass sie den Auferstehungsglauben in den von ihnen herangezogenen Schriften nur ansatzhaft auf dem theologischen Hintergrund der Autoren dieser Quellen analysieren, oder ihre Untersuchung vielfach lediglich auf Teilaspekte dieses Glaubens richten" (4). Dies trifft aber nur z. T. zu. Richtig ist, dass die Vfn. ihr Tableau für den jeweiligen theologischen Hintergrund weiter und breiter fasst. Ob dies aber immer notwendig oder zielführend war, kann m. E. bezweifelt werden. Jedenfalls sehe ich nicht, dass auf Grund der weiter ausgreifenden Darstellung neue oder auch nur anders geartete Ergebnisse erzielt wurden. Im Gegenteil: Eine ganze Reihe von dringend zu klärenden, auch in der bisher vorliegenden Literatur noch keineswegs erledigten Probleme sind nicht aufgegriffen worden, ja scheinen in ihrem Gewicht überhaupt nicht in das Gesichtsfeld der Vfn. geraten zu sein.

Da ist zunächst einmal das Problem der bereits auferweckten Toten, nämlich der Propheten und anderer Gerechten des AT, von denen es in IgnMagn 9,2 heißt, dass Christus "sie von den Toten erweckt hat". Die Vfn. deutet diese Aussage so, "dass sich Ignatius die Erweckung der Propheten zu einem Zeitpunkt denkt, der auf die Auferstehung Christi folgt" (64). Der Rez. sieht dies anders. Doch das ist noch nicht entscheidend. Tatsache ist aber, dass für Ignatius Auferweckung und zwar nicht nur die von Christus allein bereits geschehen ist. Damit wird in den Ignatianen eine Tradition greifbar, die in Weiterführung spätjüdischer Märtyrertheologie von einer leiblichen Auferstehung der Märtyrer (und anderer Gerechter) im Tod, also vor den apokalyptischen Endereignissen, weiß und mithin ohne einen "Zwischenzustand" auskommt. - Auf diesen Punkt der spezifischen Märtyrer-Eschatologie, wonach leibliche Auferstehung bereits geschehen ist und geschieht, geht die Vfn. bei der Behandlung der Ignatianen (wie auch dann später bei Polycarp) nicht ein. Mehr noch: sie deutet gegen den ausdrücklichen Text um, wenn sie - allerdings in Form eines Potentialis - schreibt: "Während der Auffahrt Christi in den überirdischen Raum führt Christus die dort weilenden Seelen [!] der Propheten in die Gemeinschaft mit Gott, so daß sie im himmlischen Zwischenzustand [!] der himmlischen Seligkeit teilhaftig werden" (64). Ja, sogar über des Ignatius eigene Erwartung, die eindeutig "Auferstehung" heißt, schreibt sie, "daß die Seele [!] des Märtyrers im Tod in den überirdischen Raum aufsteigt, um hier im himmlischen Zwischenzustand [!], in dem ein theou epitychein möglich ist, zu verweilen" (71). Anders gesagt: Die Vfn. liest gegen den Wortlaut und ohne weitere Problematisierung in den Text eine Aussage über die im Tod selige Seele hinein. Dies geschieht auch an anderen Stellen (z. B. 18, 20, 67 f.), ja, dies wird für Ignatius sogar belegt (62 Anm. 145!) mit Hinweis auf eine Publikation des Rez., der aber an der angegebenen Stelle überhaupt nicht von Ignatius spricht, sondern von den ganz anders lautenden eschatologischen Vorstellungen Tertullians (!), die als solche sogar in einer eigenen Kapitelüberschrift - eigentlich unübersehbar - markiert werden. (Nebenbei: Auf S. 123 weist die Vfn. darauf hin, dass der Rez. von einer Engführung der Auferstehung spricht. Die dafür angegebene Stelle handelt von etwas total anderem. Ist ein Druckfehler im Spiel, eine Verwechslung des Autors? Der Rez. weiß von keiner diesbezüglichen Bemerkung). Kein Wunder jedenfalls, dass es nach all dem in der Zusammenfassung heißt: "Alle Verfasser [der behandelten altkirchlichen Schriften] nehmen für die verstorbenen Toten einen Zwischenzustand an" (121). Doch dies darf mit Nachdruck bezweifelt, müsste jedenfalls aber problematisiert werden. Kurz: Was in der vorliegenden Untersuchung ausfällt, ist (a) eine Beachtung der spezifischen "Märtyrer-Eschatologie" (und ihrer Folgen) und (b) eine Klärung der Begriffe sarx und psyche sowie - damit verbunden - die Frage, wann und wo denn in der Eschatologie eindeutig eine platonisierende dichotomische Anthropologie (in Spannung zur älteren semitischen Auffassung) einsetzt. Hierzu finden sich zwar treffliche Darlegungen im Teil über die Apologeten (Justin, Tatian), aber wie steht es damit vorher? Jedenfalls ist es reichlich gewagt, sich dafür, wie auf S. 20 Anm.89 u. a. auf einen Artikel von Dihle/Jacob und Stemberger zu beziehen, die - sieht man genauer zu - genau das Gegenteil dessen zum Ausdruck bringen, was die Vfn. belegen will.

Nicht ganz geklärt zu sein, scheint mir auch die Frage, ob man so ohne weiteres formulieren kann, dass bei den Apologeten "die christliche Schöpfungslehre bewußt zur Begründung der Wahrheit des christlichen Glaubens an die Auferstehung der Toten angeführt wird, ja bereits für diese Begründung unverzichtbar geworden ist" (246). Ist es nicht vielleicht (jedenfalls was den "Entdeckungszusammenhang" der Autoren angeht) umgekehrt, dass nämlich der Glaube an Auferstehung erst eine dezidierte Schöpfungstheologie initiiert hat oder dass wenigstens zwischen beiden eine ganz enge wechselseitige Interferenz besteht (so dürfte sich das Ganze jedenfalls bei Irenäus darstellen). Auf jeden Fall verdiente dieses Problem einer Behandlung und düfte nicht einfach übergangen werden.

Vor dem Resümé noch zwei kleine Bemerkungen: (1) Es ist klar, dass bei einer solch umfassenden Arbeit nicht alle Sekundärliteratur berücksichtigt werden kann. So hätte auch des Rez. Kapitel über die "Auferstehung der Toten in 2Clem" (in: Auferstehung der Toten, Essen 1969, [305] 311-316) wohl nicht wesentlich weitergeholfen, aber hier wäre die Vfn. auf eine, was 2Clem 14,2 f. angeht, wichtige Literaturangabe gestoßen (A. Müller, Ecclesia - Maria, Fribourg 1955, bes. 34-41). (2) Ich will wahrlich keine Beckmesserei betreiben, aber ich frage mich, warum man sich bzgl. der Abkürzungen der biblischen Schriften nicht strikt an die Loccumer Richtlinien hält und anders als vorgesehen hinter den Abkürzungen noch einen Punkt setzen "muss".

Summa Summarum: Die vorliegende Untersuchung ist eine gründliche und umfassende Arbeit. Indem sie bisherige Forschungsergebnisse zusammenfasst und auf eine breitere Grundlage stellt, gibt sie eine guten Überblick über das Thema Auferstehung der Toten in der Frühen Christenheit. Ob aber die von Staats beklagte "derzeit unergiebige Forschungslage" damit wesentlich weitergebracht ist, lässt sich gar sehr bezweifeln.