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Ausgabe:

Juli/August/2000

Spalte:

759 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Laufen, Rudolf [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Gottes ewiger Sohn. Die Präexistenz Christi.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1997. 301 S. 8. Kart. DM 58,-. ISBN 3-506-75118-2.

Rezensent:

Peter Pilhofer

"Der vorliegende Band wurde mit neuester Drucktechnik hergestellt, es erfolgte eine Direktübertragung der Textdaten auf die Druckplatte. Innerhalb dieses Prozesses ist durchgängig ein Fehler entstanden, der nach den Buchstabenkombinationen fi und fl jeweils einen Wortzwischenraum hervorruft. Wir bitten um Ihr wohlwollendes Verständnis" lässt der Verlag den Käufer des Buches auf einem beigelegten Zettel wissen. Das Verständnis dieses Rez. ist gering - was nützt "neueste Drucktechnik", wenn sie die Lektüre derartig erschwert? Und vor allem: Die Autoren hätten Besseres verdient, denn ihre Beiträge sind weit solider als die benutzte Drucktechnik!

Retractationes zu seiner Dissertation sind es nicht, was Gottfried Schimanowski in seinem Beitrag bietet ("Die frühjüdischen Voraussetzungen der urchristlichen Präexistenzchristologie", 31-55). Die von Nikolaus Walter geübte Kritik trifft "nicht die wirkliche Intention der Arbeit" Schimanowskis (Weisheit und Messias. Die jüdischen Voraussetzungen der urchristlichen Präexistenzchristologie, WUNT II 17, Tübingen 1985; vgl. auch Walters Rez. ThLZ 112, 1987, 896-898). Die weit ausgreifenden Thesen am Schluss (54 f.) lassen jegliche Begründung vermissen: beati possidentes.

Thomas Söding wendet sich dem Corpus Paulinum zu: "Gottes Sohn von Anfang an. Zur Präexistenzchristologie bei Paulus und den Deuteropaulinen" (57-93). In Kol 1 gewinnt die Präexistenz Jesu "gegenüber den Paulus-Briefen größere Bedeutung: Sie hat selbst soteriologische Relevanz" (79). Im Epheserbrief wird dann die "Theozentrik des Präexistenten ... auf das - allerdings alles entscheidende - Motiv der Agape konzentriert" (85). Dass die "Entwicklung jener Christologie, die nach Nikaia führte und im Chalkedonense gipfelt", weder mit "einer unnötigen Komplizierung" noch mit "einer problematischen Hellenisierung des christlichen Glaubens" einhergeht, sondern lediglich eine konsequente "Entfaltung neutestamentlicher Ansätze" darstellt, wie der Vf. in seinem Ausblick (92) formuliert, ist freilich nach dem Urteil dieses Rez. reines Postulat.

Knut Backhaus, ausgewiesener Kenner des Hebräerbriefs (vgl. meine Rez. seiner grundlegenden Monographie in ThLZ 124, 1999, 623-625), wendet sich in seinem sorgfältigen Beitrag der Präexistenz Christi in diesem Schreiben zu ("Licht vom Licht", 95-114). Das der Auslegung des Johannes Chrysostomos entlehnte Bild Licht vom Licht verdichtet "die Präexistenz-Christologie des Hebräerbriefs sachgerecht" (109). Die feinsinnige Unterscheidung von idealer Präexistenz des ewigen Priestertums im Gegenüber zur personalen Präexistenz des Melchisedek allerdings, die Backhaus gegen meinen Entwurf (ThLZ 121, 1996, 319-328) entwickelt (105), wird meines Erachtens dem Textbefund (Hebr 7,1-3) nicht gerecht.

Auch Jürgen Habermann ist schon mit einer Dissertation zu den Präexistenzaussagen im Neuen Testament hervorgetreten, die den Johannesprolog besonders eingehend dargestellt hatte (EHS.T 362, Frankfurt/Bern/New York 1990, vgl. die Rez. von Nikolaus Walter, ThLZ 119, 1994, 646-649). Im vorliegenden Band befasst er sich mit dem Johannesevangelium als Ganzem ("Präexistenzchristologische Aussagen im Johannesevangelium", 115-141). Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Präexistenzaussagen bei Johannes "das Extra nos, das Unvordenkliche des Offenbarers zum Ausdruck bringen" wollen (141).

Karl-Josef Kuschel, dessen in der ThLZ nicht rezensiertes Werk Geboren vor aller Zeit? Der Streit um Christi Ursprung, München 1990, der Anlass für den vorliegenden Sammelband war (zur Geschichte vgl. 143, Anm. 1), greift selbst in die Diskussion ein mit dem Beitrag "Exegese und Dogmatik - Harmonie oder Konflikt? Die Frage nach einer Präexistenzchristologie bei Paulus als Testfall" (143-161). Eine Präexistenzchristologie liegt Kuschel zufolge bei Paulus überhaupt nicht vor: "Nimmt man die Texte beim Wort, so ist in der von Paulus selbst entwor-fenen Christologie weder eine unzweideutige explizite Präexistenzaussage zu erkennen, noch kann von einer eigenen Präexistenzchristologie ... bei Paulus die Rede sein" (155).

Georg Essen und Thomas Pröpper wollen in ihrem Beitrag ("Aneignungsprobleme der christologischen Überlieferung: Hermeneutische Vorüberlegungen", 163-178) "die grundsätzlichen methodischen und hermeneutischen Fragen diskutieren, die Kuschels Argumentationsstrategie hervorruft" (165).

Die restlichen Beiträge im Überblick:Wilhelm Breuning: Die trinitarische Christologie der frühen Konzilien: Plädoyer für ihre Verwurzelung im Christusereignis selbst (179-198); Karl-Heinz Ohlig: Ein Gott in drei Personen. Die griechische Komplizierung des jüdischen Monotheismus (199-226); Gotthold Hasenhüttl: Von der Menschlichkeit Gottes (227-237); Ilsetraud Ix: Jesus - reinste Pansche oder einzige Chance? Zur Christologie des christlichen Religionsunterrichts (239-258); Oliver Lellek: Der islamische Jesus und Gottes unerschaffenes Wort. Präexistenzvorstellungen im Islam (259-275); Francis X. D'Sa: Nicht der kleine Christus des populären Christentums, sondern der universale Christus! Zur Präexistenz Christi aus ,indischer' Sicht (277-300).

Ein Autorenverzeichnis (301) schließt den Band ab, dem leider jedwede Indices fehlen. Trotz der genannten formalen Mängel ist die Lektüre vieler Beiträge überaus lohnenswert.