Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2023

Spalte:

894-896

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Selejan, Ioan, Pál, József-Csaba, Schoenauer, Hermann u. Jürgen Henkel [Hgg]

Titel/Untertitel:

Christentum und kirchliches Leben im Banat in Geschichte und Gegenwart. Crestinismul si viata bisericeasca din Banat în trecut si în prezent.

Verlag:

Bonn – Sibiu: Editura Schiller Verlag 2022. 355 S. = Deutsch-Rumänische Theo-logische Bibliothek, 12. Geb. EUR 24,90. ISBN: 9783949583063.

Rezensent:

Hacik Rafi Gazer

Das Banat gilt als Modell für gelingendes multiethnisches und multikonfessionelles Zusammenleben in Rumänien und als Beispiel für Europa. Die Kirchen aus der Familie der Ostkirchen und aus der Familie der Westkirchen formen seit Jahrhunderten ein einzigartiges Mosaik an kirchlichen und kulturellen Strukturen, Räumen und Prägungen. In dem vorliegenden Band sind 13 Beiträge in deutscher und rumänischer Sprache zur Landeskunde, Religions- und Kulturgeschichte des Banats veröffentlicht sowie Einzelstudien, die die Rumänisch-Orthodoxe Kirche, die Katholische Kirche und protestantische Kirchen der Region in Geschichte und Gegenwart porträtieren.

Der vorliegende Sammelband »Das Christentum und kirchliches Leben im Banat in Geschichte und Gegenwart« bietet nun erstmals eine umfassende Darstellung der kirchlichen Landschaft, des kirchlichen Lebens und der Kirchengeschichte im Banat sowie einen breit angelegten Überblick zur Siedlungs-, Religions- und Kulturgeschichte und zur Geographie dieser Region. Es ist ein zweisprachiger deutsch-rumänischer Band und damit für einen breiten Leserkreis gedacht. Temeswar zählt im Jahre 2023 zu einer der Kulturhauptstädte Europas. Der Band liefert nicht nur für Besucher der Stadt Temeswar und der Region Banats nützliche Informationen und Hintergrundwissen zu Landeskunde, Geschichte und Gegenwart, sondern auch für Interessierte des Landes Rumänien im Allgemeinen.

Der Band besteht aus zwei Haupteilen – Teil I. »Das Banat – Landeskunde, Geschichte und Gegenwart« (25–136), Teil II. »Die Kirchen des Banats in Geschichte und Gegenwart« (137–332) – und einem Anhang (335–355). Alle gelieferten Beiträge sind zweisprachig, d. h. auf Deutsch und Rumänisch verfasst.

In einem ersten Beitrag »Das rumänische Banat – eine landeskundliche Einführung« (27–32.) führt Wilfried Heller (Potsdam) in die Landeskunde Banats ein. Der Name Banat und die multi-ethnische Bevölkerungsstruktur des Banats mit Eckdaten der Geschichte stehen im Blickpunkt. Anton Sterbling (Fürth) betrachtet das Banat in seinem Beitrag »Das Banat als historischer Sozial- und Kulturraum« (39–51) als einen spezifischen Regionalkulturraum. »Die Regionalkultur besteht und entfaltet sich gewissermaßen unterhalb, aber zum Teil auch außerhalb nationalkultureller Standardisierungen und Diffusionsprozesse und nicht selten in Abgrenzung und Reaktion auf diese.« (39). Sterbling liefert Informationen über die multiethnisch und multireligiös bewohnten Städte und Dörfer Banats. Ksenija Knežević (Belgrad) vertieft in ihrem Beitrag »Multinationalität im Banat« (64–73) diese Themen des Multikulturalismus, Interkulturalismus sowie der Migration und Einwanderung. Dabei steht die Ansiedlungsgeschichte der Rumänen und Serben im Banat im Mittelpunkt. Mit der Darstellung einer weiteren Ansiedlungsgeschichte führt Jürgen Henkel (Selb) in die Geschichte der deutschen ethnischen Minderheit der Banater Schwaben in Rumänien ein: »Die Banater Schwaben – Geschichte, Schulwesen, Kultur« (83–96). Henkel schildert die facettenreiche Geschichte der Deutschen in Banat. »Die Banater Deutschen kamen aus dem Westen und Südwesten Deutschlands (Rheinpfalz, Hessen, Trier, Lothringen, Franken; wenige auch aus Bayern und Württemberg). So sind sie nicht im eigentlichen Sinne »Schwaben«, doch war es zu dieser Zeit in Ungarn üblich, deutsche Siedler »Schwaben« zu nennen.« (85). In seinem zweiten Beitrag »Lebenswelten und religiöser Widerstand im Kommunismus« (110–122) schildert Anton Sterbling (Fürth), welchen vielfältigen und wirkungsvollen lebensweltlichen Widerstand von Seiten der Kirchen gegen den sozialistischen Staat in Rumänien geleistet wurde.

Im II. Hauptteil (137–332) befassen sich die Verfasser mit den Kirchen des Banats in Geschichte und Gegenwart. Dieser kirchenhistorisch und konfessionskundlich sehr informative Teil wird mit einem Beitrag von Alin Cristian Scridon (Temeswar) »Einführung in die Geschichte der (Rumänischen) Orthodoxen Kirche im Banat« (160–186) eingeleitet. Dieser Überblick über die Geschichte des Christentums auf dem Gebiet Banats hat insbesondere die Geschichte der orthodoxen Kirche mit all ihren Verflechtungen vom 1. bis zum 21. Jh. im Blick.

Die folgenden drei Beiträge befassen sich mit der Geschichte und Gegenwart der römisch-katholischen sowie der mit Rom Unierten Griechisch-katholischen Kirche im Banat. Claudiu-Sergiu Călin führt in die Geschichte der Römisch-katholischen Diözese Temeswar ein: »Einführung in das religiöse Leben der Römisch-Katholischen Diözese von Temeswar/Timişoara 1990–2010« (202–218). Das heutige Römisch-katholische Bistum von Temeswar ist Nachfolger der Römisch-katholischen Diözese von Tschanad. Die Bistumsgründung von Tschanad wurde bereits 1030 von König Stefan von Ungarn vorgenommen. Im Mittelpunkt des Beitrags steht aber eine sehr informative Ausführung über die Zeiten der Wiederaufbauphase 1990 bis 2010. P. Szilvágyi Zsolt stellt die kirchlich-pastorale Arbeit der Römisch-katholischen Diözese Temeswar im 21. Jh. dar. Hierbei werden sehr aktuelle Themen wie die Gestaltung des kirchlichen Lebens während der Corona-Pandemie behandelt: »Aktuelle Aspekte der Pastoral in der Römisch-Katholischen Diözese von Temeswar (2000–2021)« (224–229). Die Multikonfessionalität zeichnet sich auch innerhalb der Römisch-katholischen Kirche ab. Die katholischen Ostkirchen bilden eine eigene Kirchenfamilie innerhalb der »Großen Kirchenfamilie der römisch-katholischen Kirche«. Mit der Geschichte der Unierten Griechisch-katholischen Kirche – sie besteht seit Mitte des 18. Jh.s auf dem Gebiet Banat – und ihrer gegenwärtigen Situation befasst sich Alexandru Mesian (Lugosch): »Die Rumänische mit Rom Unierte Griechisch-Katholische Kirche im Banat in Geschichte und Gegenwart« (241–253).

Der Beitrag über die evangelischen Kirchen im Banat, »Zur Geschichte der deutschen Gemeinden der Evangelischen Kirche im rumänischen Banat« (254–278), wurde von den drei Autoren – Georg Schmidt (Grevenbroich), Walther Sinn (Semlak) und Jürgen Henkel (Selb/Hermannstadt) – verfasst. Georg Schmidt skizziert die Voraussetzungen, die zur Entstehung der deutschen evangelischen Kirchengemeinden auf dem Gebiet Banats geführt haben. In Liebling wurde nach dem Erlass des Toleranzpatents von Joseph II. 1871 eine neue evangelische Gemeinde gegründet (254–256). Im Anschluss daran stellt Walther Sinn die weiteren Gemeindegründungen in Birda, Butin, Detta, Ebendorf, Engelsbrunn, Ferdinandsberg, Karansebesch, Kleinschemlak, Klopoidia, Liebling, Lu- gosch, Reschnitz, Semlak, Stierdorf, Orawitz, Waldau, und Temeswar dar. Jürgen Henkel fasst die Ergebnisse zusammen und fügt sehr informative und weiterführende Literatur und Internetquellen (276–278) an.

Mit dem Beitrag von Juraj Dušan Vanko (Semlak) »Evangelische Slowaken im Banat in Geschichte und Gegenwart« (317–332) wird der Hauptteil II abgeschlossen. Hier wird die Ansiedlungs- und Kirchengeschichte einer weiteren Ethnie, nämlich die Slowaken im Banat, dargestellt.

Im Anhang sind zwei weitere Beiträge veröffentlicht. Im ersten Beitrag »Die Geschichte der rumänischen orthodoxen Eparchien von Arad und Karansebesch« (338–341) werden die kirchengeschichtlichen Eckdaten über Rumänisch-orthodoxe Eparchien von Arad und Karansebesch geliefert. Im letzten Beitrag wird mit »Die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde in Arad« (346–349) eine kurze Geschichte der Kirchengemeinde in Arad dargeboten.

Der Sammelband ist sehr informativ und zugleich auch ein gelungener Beitrag für die Territorialkirchengeschichtsforschung nicht nur Rumäniens, sondern auch Europas.