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Ausgabe:

September/2023

Spalte:

880-881

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Nierop, Jantine

Titel/Untertitel:

Geschlecht und Kirche. Praktische Theologie und Genderforschung.

Verlag:

Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 2022. 109 S. m. 10 Abb. u. 1 Tab. Kart. EUR 19,00. ISBN 9783170422148.

Rezensent:

Ricarda Schnelle

Jantine Nierop, Jahrgang 1975, ist evangelische Pfarrerin und Privatdozentin für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät in Heidelberg. Von 2017 bis 2019 war sie Geschäftsführende Studienleiterin am Studienzentrum der EKD für Genderfragen. An diese berufsbiografische Station knüpfen die hier vorgelegten sieben Aufsätze zum Thema Geschlecht und Kirche bzw. Praktische Theologie zeitlich und inhaltlich an. Teilweise wurden Beiträge für den Band noch einmal überarbeitet. Als roter Faden durch die rund 100 Seiten der kleinen Aufsatzsammlung zieht sich die Forderung einer Geschlechterneutralität in der Kirche und in der Praktischen Theologie – und das durchaus im biblischen Sinne: Hier ist nicht Mann noch Frau (vgl. Gal 3,28). Dabei geht es N. jedoch nicht um die Nivellierung der Geschlechterkategorien, sondern um eine Sensibilisierung und Dekonstruktion von Genderstereotypen innerhalb der evangelischen Kirche (vgl. u. a. 58).

N. wählt unterschiedliche Wege, das Thema ihres Buches auszuloten: Die ersten beiden Aufsätze haben mit ihren biblischen bzw. systematisch-theologischen Zugängen u. a. zu den Schöpfungserzählungen einen grundlegenden Charakter. Es folgen zwei Ausarbeitungen zu kybernetischen Fragestellungen, in denen N. auf der Basis von empirischen Daten zu Frauen auf der mittleren kirchlichen Leitungsebene, ihre Forderung nach Dekonstruktion von stereotypen Rollenbildern zugunsten einer in Vielfalt geführten Kirche ausformuliert. Zwei homiletische Aufsätze verschreiben sich der »Vision einer genderneutralen Kirche« (73), die auch ein Ziel homiletischer Ausbildung sein sollte. Seinen Abschluss findet der Band in einem Aufsatz über das Taufgespräch als Chance genderkompetenter Seelsorge sowie in zwei Universitätspredigten N.s, in denen sie Bibeltexte mit Fokus auf den Topos der Gerechtigkeit auslegt. Die Funktion der beiden Predigten im Aufsatzband bleibt jedoch unklar.

Erscheint das Buch auf den ersten Blick als eine Art praktisch-theologisches Sammelsurium zum Gender-Thema, wird das Anliegen N.s, nämlich die Sensibilisierung und Überwindung von Genderstereotypen in der Kirche, erst im Nebeneinander aller Aufsätze sichtbar. Dieser wertvolle Gedanke wäre – etwa am Ende des Buches – eine aktuelle und umfassende Ausarbeitung wert gewesen. Dennoch ist die Aufsatzsammlung ein Gewinn und eine vielfältige Anregung für die kirchliche und praktisch-theologische Diskussion zum Thema Gendersensibilität und Diversität.