Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2023

Spalte:

809-811

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bernhardt, Reinhold

Titel/Untertitel:

Monotheismus und Trinität. Gotteslehre im Kontext der Religionstheologie.

Verlag:

Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2023. 329 S. = Beiträge zu einer Theologie der Religionen, 25. Kart. EUR 56,00. ISBN 9783290185251.

Rezensent:

Karlheinz Ruhstorfer

Theologie konstruktiver Begegnung zwischen den Kulturkreisen, Religionen und Traditionen ist angesichts sich dramatisch zuspitzender globaler Konflikte ein dringendes Desiderat. Vor diesem Horizont kommt der religionstheologisch gewendeten Dogmatik Reinhold Bernhardts eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Nach einer interreligiösen Christologie (Jesus Christus – Repräsentant Gottes. Christologie im Kontext der Religionstheologie, Zürich 2021) liegt nun eine entsprechende Gotteslehre vor. Deren Anliegen ist nichts Geringeres, als die Lehre vom einen und drei-einen Gott im Kontext anderer »großer Wege« neu zu durchdenken. Dabei rückt die Theologie der Religionen von einer Unterdisziplin der Fundamentaltheologie ins Herz christlicher Dogmatik vor (12). Dem christlichen Theologen geht es darum, die Lehr- und Lebensformen der anderen als wesentlichen Auslegungszusammenhang (12) aufzunehmen und die eigenen theologischen Gedanken damit systematisch in Verbindung zu setzen. Dies geschieht nicht in der Weise, dass einfach Gemeinsamkeiten gesucht oder einfach Gegenüberstellungen verschiedener Auffassungen und Lehren vorgenommen werden, vielmehr sollen »die religionsdialogischen Überlegungen theologieproduktiv werden und so die bisherigen Denkwege über sich hinausführen« (15). Mit diesem ganz besonderen Ansatz grenzt sich B. sowohl von pluralistischer Theologie der Religionen als auch von komparativer Religionstheologie ab und sichert sich einen ganz eigenen Ort in den aktuellen Debatten.

Das Werk ist, wie der Titel bereits andeutet, zweigeteilt. Ein erster Teil geht der Frage nach, ob und inwiefern der Monotheismus die monotheistischen Religionen eher verbindet oder trennt, während der zweite Teil die Dreieinigkeit mit dem dezidierten Eingottglauben des Judentums und des Islams, aber auch des Christentums selbst in Beziehung setzt. Die Abhandlung über den Monotheismus beginnt mit einer detaillierten Einführung in Entstehung, Entwicklung und Bedeutung des Begriffs (19–25), um dann in einer dialektischen Figur sowohl den verbindenden als auch den trennenden Grundzug des Monotheismus vorzustellen (19–33). Es folgen wichtige und klug ausgewählte Differenzierungen, Vertiefungen und Perspektivierungen in der Sache. So werden »abstrakter« und »konkreter« Monotheismus unterschieden (33–52), der potenziell autoritäre und intolerante Charakter des Glaubens an einen einzigen Gott diskutiert (52–67) und der Übergang von der Monolatrie zum Monotheismus in der Religionsgeschichte Israels und dem Neuen Testament vorgestellt (67–86). Der jüdische Eingottglaube wird unter dem Stichwort »ethischer Monotheismus« vertieft (86–115), während der islamische Monotheismus unter der Chiffre (tawhid) erörtert wird (116–135). Schon hier sei angemerkt, dass sich der Verfasser bei jedem dieser Punkte auf der Höhe der biblischen, religionswissenschaftlichen, aber auch systematisch-theologischen Forschung bewegt. Der erste Teil endet mit einem umfangreichen Kapitel über die Personalität Gottes (163–190). Ausgehend vom sogenannten Atheismusstreit wird der Personbegriff ausführlich kritisch diskutiert, um »nachkritisch« (165) wiedergewonnen zu werden. Gott gilt als überpersonale Wirklichkeit, die sich durchaus personal repräsentiert, allerdings eben in diesen Repräsentanzen nicht aufgeht, sondern die personalen Kategorien immer wieder sprengt (185) und so als »Grund des Subjekt- und Substanzhaften« bestimmt werden kann. Hier findet sich eine sensible und materialreiche Auseinandersetzung mit den apersonalen Formen östlicher Religiosität namentlich des Hinduismus und Buddhismus.

Während der erste Teil insgesamt 14 Kapitel hat, legt sich der zweite lediglich in vier auseinander. Er beginnt mit außerchristlichen Analogien zur Trinitätslehre, wobei hier besonders die hinduistischen und buddhistischen Aspekte hervorgehoben werden sollen (192–203). Darauf folgt die Kritik der beiden anderen monotheistischen Religionen am Trinitätsglauben, die entsprechend dem Grundansatz des Werks produktiv aufgenommen wird (203–216). In seinen Ausführungen über die christliche Trinitätslehre (216–306) bietet B. nicht nur eine hervorragende theologiegeschichtliche Aufarbeitung der Trinitätslehre im Allgemeinen und der sozialen Trinitätslehren im Besonderen – wobei er sich gerade von den letzteren deutlich abgrenzt –, vielmehr geht es ihm hier darum, die systematisch-theologischen Grundentscheidungen auf­- zudecken, die hinter den verschiedenen Modellen stehen, Trinität zu denken (217). Dabei leistet er eine gründliche Analyse der Grundmodelle, aber auch eine scharfe und zugleich produktive Kritik eines relationalen Personbegriffs, wie er hinter der sozialen Trinitätslehre steckt. Das Kapitel endet mit einer Darstellung des eigenen Ansatzes, der Trinität als Strukturprinzip des christlichen Glaubens ausführt (243–305). In diesem zentralen Unterkapitel werden spekulativ-metaphysische, heilsgeschichtliche und glaubensphänomenologische Konzeptionen vorgestellt und ins Gespräch gebracht, wobei er selbst der letzteren Konzeption folgt (258). Trinität wird gewissermaßen »von unten« ausgehend von der Glaubenserfahrung und Glaubensgewissheit der Christinnen und Christen gedeutet (265). B. grenzt sich nicht nur von der sozialen, sondern auch von der lateinischen Trinitätslehre ab, und bestimmt seinen eigenen Ansatz als »Rede von drei Beziehungspolen in Gott« (289). Im Hintergrund steht hier sein Anliegen, nicht so sehr eine Lehre von drei Gottpersonen zu entfalten, sondern die »biblischen Zeugnisse [...] von der Weltzuwendung und der Menschenfreundlichkeit Gottes« her zu interpretieren (ebd.). Interessanterweise kommt B. im Kontext der Spannung von Entzogenheit Gottes im Monotheismus und der dreifachen Zuwendung Gottes in der ökonomischen Trinitätslehre auf den trinitarisch und religionsphilosophisch einschlägigen Impuls von Jean-Luc Nancy zu sprechen (289–297). Schließlich wird die Israeltheologie als Muster für die Vermittlung von trinitarischem Gottesglauben und strengem Monotheismus vorgestellt (297–304), um dann auf die interreligiöse Relevanz der Trinität einzugehen (302–306). Das ganze Werk wird mit einem äußerst spannenden Kapitel über die Trinitätslehre als »Rahmentheorie für die Religionstheologie« abgeschlossen (306–340). Noch einmal unterscheidet der Verfasser drei Modelle (ein ontologisch-phänomenologisches, ein funktionalistisch-strukturalistisches und ein inhaltlich-theologisches), die als miteinander kompatibel vorgestellt werden, wobei er sich wieder dem dritten besonders verbunden weiß (307).

Nach einem faszinierenden Panoptikum einschlägiger religionstheologischer Modelle bekennt sich B. zu einem »hermeneutischen mutualen Inklusivismus«, der jegliche soteriologischen Überlegenheitsansprüche zurückweist, wohl aber aus den drei christlichen Glaubensartikeln Ansätze für eine theologische Wertschätzung der anderen Religionen zu gewinnen versucht (330). Dabei wird die Trinitätslehre äußerst plausibel als Rahmentheorie für die Religionstheologie aufgewiesen. Es geht darum, »das Selbstverständnis des christlichen Glaubens so zu entfalten, dass die religionsübergreifende Unbedingtheit und Universalität des Heilswillens und -wirkens Gottes zur Sprache kommt« (337). Eben weil dasselbe Recht auf die je eigene Rahmentheorie allen religiösen Traditionen zukommt, wird keine »religionstheologische Vogelperspektive eingenommen, sondern die eigene Innenperspektive auf die Pluralität der Religionen hin ausgelegt« (337). Das gesamte Werk endet mit einer knappen, aber äußerst erhellenden Bilanz (337–340).

Die Studie führt das in der Christologie begonnene Projekt in brillanter Weise weiter. Es gelingt, die einschlägigen religionsphilosophischen, religionstheologischen und dogmatischen Diskurse in sehr luzider Weise aufzunehmen, klar und deutlich darzustellen und höchst originell weiterzuentwickeln. Das Buch bietet für die Dogmatik ein hervorragendes Lehrbuch der Gotteslehre, für die Fundamentaltheologie eine wichtige Weiterentwicklung der Theologie der Religionen und für das Gespräch der Religionen eine innovative Diskussionsgrundlage. Damit wird es ohne Zweifel seinen angemessenen Ort in der akademischen Lehre, aber auch in der Forschungslandschaft finden. Konkret erhalten vor allem die Debatten über die Personalität Gottes, über die Dreieinigkeit und über das Verhältnis der Religionen zueinander maßgebliche Impulse. Weder Dogmatik noch Religionstheologie kommen künftig an diesem Werk vorbei.