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Ausgabe:

Juni/2023

Spalte:

643-645

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Reber, Joachim

Titel/Untertitel:

Christlich-spirituelles Unternehmensprofil. Prozesse in Caritas, Diakonie und verfasster Kirche fördern.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2018. 115 S. Kart. EUR 20,00. ISBN 9783170339002.

Rezensent:

Lisanne Teuchert

Was macht das christliche Profil von Caritas oder Diakonie aus? Diese Frage gehört zu den Grundthemen der Diakoniewissenschaft und beschäftigt auch Verantwortliche in der Praxis. Joachim Reber, der als katholischer Theologe, Fachreferent, Berater und Trainer beide Felder verbindet, hat dazu bereits zwei Bände veröffentlicht. Während es im ersten von 2009 um Spiritualität und Seelsorge als solche ging, entwickelte der zweite von 2013 Konturen einer entsprechenden Unternehmenskultur. Der nun vorliegende dritte Band fragt »nach strukturellen Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten für christlich-spirituelle Profilbildung« (7) und geht so einen Schritt weiter in die Strukturebene. Anders als in den bisherigen Bänden stellt Reber nämlich hier die verfasste Kirche neben Caritas und Diakonie. Was also können Beteiligte in Diakonie und Caritas einerseits, in der verfassten Kirche andererseits tun, um ein christlich-spirituelles Unternehmensprofil zu fördern? Wie können solche Förderverfahren aufgebaut und gestaltet werden?

Eine solche Fragestellung sieht Joachim Reber in verschiedene »atmosphärische«, aber auch diskursive Hintergründe gestellt (Kap. 2). Atmosphärisch gelingt es Kirche und Caritas/Diakonie nicht immer, sich gegenseitig wahrzunehmen, wertzuschätzen und als kritisches Gegenüber zu verstehen. Diskursiv hat die Profilfrage nach R. insbesondere im Kliniksektor und in der Alten(heim)seelsorge an aktueller Bedeutung gewonnen. Die Entwicklung im Kliniksektor zeigt, dass die Profilfrage die Frage des wirtschaftlichen und personellen Erhalts nicht ersetzt, sondern mit ihr verbunden ist. In der Alten(heim)seelsorge hat Doris Nauer Paradigmenwechsel ausgemacht, die für die Ausrichtung eines christlich-spirituellen Profils von Bedeutung sind (von der »Wende zum Menschen« bis hin zur »Wende zur Lebens- und Arbeitswelt«). Qualitätsmanagement und Gütesiegel können zur Konkretion eines Profils beitragen, sind aber auf theologische Klärung angewiesen und sollten am besten – so wirkt es – als Selbstevaluierung durchgeführt werden.

Zunächst stellt der Autor grundsätzliche Überlegungen zu einem christlich-spirituellen Profil an (Kap. 3). Zwar lasse es sich in vielseitiger Hinsicht beschreiben und erfassen (nämlich über die originäre Tätigkeit selbst, Seelsorge, Vernetzung, Führungsarbeit und Führungskräfteentwicklung, spirituelle Bildung, Unternehmensethik oder Unternehmenskultur), sei aber gewissermaßen dahinter lebendig. »Dass es Gottesdienstangebote gibt, bedeutet nicht notwendigerweise, dass eine Einrichtung ein christliches Profil hat.« (34) Es gehe nicht nur darum, was angeboten wird, sondern auch warum und wie. Das wird an der Vertiefung am Beispiel Unternehmenskultur deutlich, bei der R. aus seinen früheren Arbeiten schöpft und so plastisch macht, wie sich ein christlich-spirituelles Profil äußern kann.

Anschließend stellt R. vier »Weichenstellungen« vor, die die verfasste Kirche einschlagen sollte, um ein christlich-spirituelles Profil in caritativen Unternehmen zu fördern (Kap. 4). Klar plädiert er für ein konzeptgeleitetes Vorgehen auf beiden Seiten: »keine Förderung ohne Konzeption« (50). Kirche als Geldgeberin und Förderin sollte sich darüber im Klaren sein. Aber auch Unternehmen sollten konzeptionell denken, anstatt ihre Darstellung auf Förderrichtlinien »hinzuschreiben«. Als zweite Weichenstellung empfiehlt R. die Förderung von Einzelmaßnahmen, nicht in Form von Pauschalen. Dadurch werde erst das reiche Spektrum des spirituellen Lebens bei caritativen Trägern greifbar. Als drittes sollen es Personen der Leitungsebene sein, die Konzeption und Maßnahmen bewerten – oder aber Personen, »die zu relevanten kirchlichen Prozessen und Diskussionen einen Zugang haben« (62) – nicht diejenigen, die kirchen- und machtpolitisch opportun sind. Die vierte Weichenstellung betrifft die Bezeichnung als christliches, kirchliches oder konfessionelles Profil, wobei R. aus ökumenischen und außenorientierten Gründen »christlich« favorisiert. Bedenkenswert ist hierbei, dass ein Profil nicht das Unterscheidende, sondern das Entscheidende ausdrücken soll – es ist nicht der »unique selling point« (vgl. 64).

In Kapitel 5 führt R. erneut Grundsatzreflexionen durch. Er weist auf sensible Punkte im Blick auf die Seelsorgenden hin: welches Personal, welcher Ausbildungsweg, welche Besetzungslogiken sind am geeignetsten? In Bezug auf spirituelle Bildung stellt R. zwei Verständnisse von Spiritualität vor: formal deskriptiv (im Sinn von »spirit« eines Hauses z. B.) und material normativ (Lebenskraft/Lebensquelle). Für beide Paradigmen zieht er Schlussfolgerungen für die spirituelle Bildung und empfiehlt der verfassten Kirche, christliche Unternehmen als Lernorte des Glaubens aufzubauen (statt etwa nur nach der konfessionellen Zugehörigkeit der Mitarbeitenden zu fragen). Ähnlich grundsätzlich setzt R. christliches Profil mit Spiritual Care und mit religionssensibler Erziehung ins Verhältnis. So gewichtig beide Ansätze für christliche Unternehmen sind, so notwendig findet R. doch in beiden Fällen spezifisch christliche Angebote, um ein christlich-spirituelles Profil auszubilden.

Nach diesen vielen grundsätzlichen Überlegungen werden Lesende auf den »Werkzeugkasten« (14) für ein systematisches Förderverfahren (Kap. 6) hinfiebern. R. gibt Hinweise für die Gestaltung von Förderrichtlinien und stellt vier Förderformate vor, »die sich als sinnvoll und hilfreich erwiesen haben« (100): die Förderung von Zeit, von Personen, von Strukturen und Prozessen und von lebendigen Gottesdiensträumen. Er bündelt dabei Empfehlungen aus den vorigen Reflexionen und fordert immer wieder zu Konkretion auf. Schließlich nimmt er Verfahren und Kommunikation in den Blick und stellt hier hilfreiche Instrumente vor (Förderbereiche, Förderhöchstgrenzen, Förderformulare, Begleitkommunikation).

Das letzte Kapitel gibt Hinweise, wie ein Förderverfahren als Monitoring- und Steuerinstrument eingesetzt werden kann (Kap. 7), reflektiert aber auch die Komplexität der Systeme und ihrer Kontexte, deren Dynamik die Steuerbarkeit einschränkt. Mit einer theologischen These schließt das Buch: »Caritative Einrichtungen sind aus sich selbst heraus Kirche vor Ort, wenn und solange in ihnen ein Raum für Heilung und Heil entsteht.« (113) Das wahrzunehmen und zu fördern, wird nach allen operativen Empfehlungen dem »liebenden Herzen« (115) anvertraut.

R.s Buch bietet insgesamt ein Sensibilisierungsinstrument, um Förderprozesse eines christlich-spirituellen Profils in caritativen Unternehmen informierter, bewusster und gezielter zu gestalten. Die Kapitel können flüssig und auch einzeln gelesen werden, was der Zielgruppe – in der Praxis stehenden Verantwortlichen für solche Prozesse – entgegenkommen wird. Die Voraussetzungen, um in ein Förderverfahren wie hier beschrieben einzutreten, werden klar benannt (als Vorbild dient immer wieder das Förderprojekt der Diözese Rottenburg-Stuttgart). Es ist spürbar, dass der Autor viele Erfahrungen in diesem Feld gesammelt hat und daraus begründet ablehnende und empfehlende Hinweise generieren kann. Wer einen solchen Prozess plant, erlebt oder mitgestaltet, wird hier vielfältige Anregung und Begleitung finden.