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Ausgabe:

Mai/2023

Spalte:

533-534

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Wainwright (†), Geoffrey, and Paul McPartlan [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Oxford Handbook of Ecumenical Studies.

Verlag:

Oxford u. a.: Oxford University Press 2021. 704 S. = Oxford Handbooks. Geb. £ 110,00. ISBN 9780199600847.

Rezensent:

Jutta Koslowski

Endlich ist er da – der lange erwartete Band zum Thema »Ökumene« aus der renommierten Reihe der Oxford Handbooks! Ursprünglich war sein Erscheinen für das Jahr 2010 geplant (anlässlich der Weltmissionskonferenz in Edinburgh, die gemeinhin als Beginn der modernen ökumenischen Bewegung und als Auftakt des 20. Jh.s als »Jahrhundert der Ökumene« betrachtet wird). »Some unexpected factors interrupted the early editing process« (XVII), wodurch sich das Erscheinen so sehr verzögerte, dass einige der prominenten Autoren unterdessen verstorben sind (Ralph del Colle, Günther Gassmann, Jeffrey Gros und Harding Meyer) – und auch der Haupt-Herausgeber, Geoffrey Wainwright, konnte die Publikation nicht mehr miterleben. Als das Buch dann im Jahr 2020 mit zehnjähriger Verzögerung erschien, bot sich ein anderes Jubiläum, ja Doppel-Jubiläum, an, dessen hundertster Geburtstag bei diesem Anlass gewürdigt werden konnte: Die Enzyklika »An die Kirchen Christi überall« des Ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel und der »Appeal to All Christians« der Lambeth-Konferenz aus dem gleichen Jahr.

Das Warten auf dieses Handbuch hat sich gelohnt, denn hier wird in übersichtlicher Weise der gegenwärtige Wissensstand ökumenischer Theologie in Englisch als der internationalen lingua franca zusammengetragen. Der Sammelband gliedert sich in sechs Teile: I. History (vom 19. Jh. bis zur Gegenwart), II. Traditions (Orthodox – Anglican – Methodist – Catholic – Lutheran – Reformed – Baptist – Pentecostal and Charismatic), III. Achievements and Issues (Themen sind hier z. B. Christology, Ministry, Morals and Ecology), IV. Instruments (u. a. World Council of Churches, Bilateral Dialogues, Week of Prayer for Christian Unity und Global Chris-tian Forum), V. The Global Scene (gegliedert nach den einzelnen Kontinenten – mit Extra-Kapiteln für Britain and Ireland und für die USA) – sowie Teil VI. Debate and Prospects. Jeder der insgesamt 48 Beiträge dieses Sammelbands endet mit einer kurzen Zusammenfassung (unter dem Titel Conclusion) und mit weiterführenden Literaturhinweisen (Suggested Reading). Apropos Literatur: Kritisch ist anzumerken, dass die hier durchgehend angewendete angelsächsische Art der Zitation mit Verweisen im Text teilweise unbefriedigend ist – etwa wenn patristische Quellen als »Chrysostom 1985« (anstatt mit ihrem eingeführten Kurztitel) angegeben werden (vgl. 588 u. ö.).

Der letzte der sechs Teile ist in zwei Sektionen untergliedert, von denen die erste den Titel »Forms of Unity« trägt und die zweite »Methodology« heißt. Beide Sektionen bestehen aus jeweils drei Beiträgen, die jeweils von einem evangelischen, katholischen und orthodoxen Verfasser stammen. Da es weder möglich noch sinnvoll ist, im Rahmen dieser Rezension alle Beiträge des Sammelbandes zusammenzufassen (oder auch nur aufzuzählen) und weil dieser letzte Teil mit seinen Ausblicken und Perspektiven naturgemäß besonders interessantes Material beinhaltet, soll diese Rezension hier ihren Schwerpunkt haben.

Im ersten der betreffenden sechs Beiträge berichtet Harding Meyer über das Modell der »Einheit in versöhnter Verschiedenheit«, das in den siebziger Jahren des 20. Jh.s entstand und weitgehend auf Meyers Initiative zurückzuführen ist. Dieses Einheitsmodell hat (unter der Kurzform »Versöhnte Verschiedenheit«) vor allem im Bereich evangelischer Kirchen seitdem weitgehende Verbreitung und Anerkennung gefunden. Im nächsten Beitrag stellt Radu Bordeianu unter dem Titel »The Unity We Seek« orthodoxe Perspektiven zur Einheitsdiskussion vor – ein Beitrag, der durch seine differenzierte und auch selbstkritische Art der Darstellung besonders positiv auffällt. Der dritte Text in dieser Sektion stammt von Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Auch wenn es sich hier um einen der prominentesten Verfasser in diesem Sammelband handelt, möchte die Rezensentin ihre Kritik daran nicht verschweigen: Bereits im ersten Absatz, wo der katholische Verfasser über die anderen Kirchen sagt: »[…] all of which moreover claim before the world that they are ›the true inheritors of Jesus Christ‹« (594) unterläuft ihm m. E. der Fehler einer Projektion. Denn wenngleich sich naturgemäß alle Kirchen als wahre Erben bzw. Nachfolger Jesu Christi betrachten, ist dies keineswegs zwangsläufig mit einem exklusiven Anspruch verbunden (wie es in der katholischen Tradition allerdings lange der Fall war: extra ecclesiam salus non est). Im Gegenteil: Der Großteil der zahlreichen protestantischen Denominationen vermag andere Gemeinschaften und Kirchen durchaus als legitime Gestalten des christlichen Glaubens zu erkennen. Im selben Beitrag auf S. 598 wird über die Leuenberger Erklärung aus dem Jahr 1973 pauschal geurteilt: »It is not clear how this understanding of the ecumenical goal accords with the biblical image of the body of Christ.« Das zugrundeliegende Einheitsverständnis (wie es später als »differenzierter Konsens« ausformuliert worden ist), wird von Koch als »additive ecclesiological pluralism« diskreditiert und kategorisch festgestellt: It »cannot be harmonized with the Catholic principles of ecumenism« (ebd.).

Die zweite Sektion von »Debate and Prospects« widmet sich unter der Überschrift »Methodology« der Königs-Frage ökumenischer Theologie – nämlich wie wir auf der schwierigen Suche nach der sichtbaren Einheit weiter vorankommen können. Paul Murray beschreibt in seinem Beitrag »In Search of a Way« die wichtige, vergleichsweise neue Methode des receptive ecumenism, d. h. das Bemühen, nicht nur danach Ausschau zu halten, wo andere mit den eigenen Traditionen übereinstimmen, sondern im Sinne eines »Austauschs der Gaben« selbst etwas von ihnen zu lernen. Der methodistische Theologe William Abraham macht unter dem Titel »Method in Ecumenism« auf die wachsende, noch nicht genügend gewürdigte Bedeutung von Freikirchen (vor allem Pfingstkirchen) für die Zukunft der ökumenischen Bewegung aufmerksam. Und schließlich zeigt der orthodoxe Theologieprofessor John Jillions neue Perspektiven für die Ökumene im Bereich der orthodoxen Kirchen auf, wie sie u. a. durch das Konzil auf Kreta im Jahr 2016 diskutiert worden sind.

Alles in allem ist dies ein empfehlenswertes Buch, das sowohl als Nachschlagewerk wie auch als einführende Lektüre genutzt werden kann und dabei ein breites Spektrum der wichtigsten Themen ökumenischer Theologie auf aktuellem Wissensstand abdeckt.