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Ausgabe:

Mai/2023

Spalte:

477-478

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Jung, Martin H., u. Friederike Mühlbauer [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Frauen ergreifen das Wort. Flugschriften von Autorinnen der Reformation in heutigem Deutsch.

Verlag:

Paderborn: Brill | Schöningh 2022. XII, 195 S. m. 4 Abb. Geb. EUR 49,90. ISBN 9783506791924.

Rezensent:

Susanne Schuster

Die Veröffentlichung historischer Quellen ist immer zu begrüßen. Die vorliegende Edition umfasst zwölf Flugschriften von sieben namentlich bekannten und zwei anonymen Autorinnen. Die Quellenauswahl entspricht dem mittlerweile bekannten Kanon reformatorischer Flugschriften von Frauen, wie er z. B. von Dorothee Kommer in ihrer Dissertation »Reformatorische Flugschriften von Frauen«, Leipzig 2013 genutzt worden ist, und veröffentlicht keine Neuentdeckungen. Die Schriften von Katharina Zell liegen bereits seit 1999 in einer von Anne Elsie McKee verantworteten wissenschaftlichen Edition vor. Peter Matheson hat 2010 die Schriften der Argula von Grumbach in einer wissenschaftlichen Edition herausgegeben. Der Bericht von Florentina von Oberweimar ist, bedingt durch Luthers Vorwort, in der Weimarer Ausgabe (WA 15, 79–94) enthalten. In der Ausgabe der Lutherschriften von Georg Walch (Bd. 19, 2. Abt.) ist die Rechtfertigung der Ursula von Münsterberg enthalten. Was diese Edition bietet, sind keine neu entdeckten oder schlecht zugänglichen Quellentexte, sondern die Zusammenstellung und Übertragung der Flugschriften von Frauen der Reformation ins moderne Deutsch.

Die Quellentexte in dem vorliegenden Band werden chronologisch nach Autorinnen geordnet. Sie beginnen mit der Flugschrift der Argula von Grumbach an die Universität Ingolstadt (1523) und enden mit dem 1545 von Elisabeth von Braunschweig verfassten Sendbrief an alle Untertanen. Die Themen, die die Flugschriften abdecken, sind zwar recht breit gefächert, weisen jedoch mit vier Schriften einen deutlichen Akzent beim Thema Klosterflucht beziehungsweise Rechtfertigung des Klosterlebens auf. Hier hätte man sich durchaus eine thematisch und gattungsmäßig noch breitere Quellenauswahl vorstellen können.

Anlass für die Quellenedition ist das Jubiläum der Veröffentlichung der ersten reformatorischen Flugschrift einer Frau (1523) vor 500 Jahren. Ausdrücklich will das Herausgeberteam ein breites Publikum erreichen und die Quellen in einer gut lesbaren Form darbieten. Deutlich wird darauf hingewiesen, dass es nur eine Auswahl der Schriften der Frauen, deren Veröffentlichungen in diesem Band versammelt sind, ist und dass es weitere Flugschriftenautorinnen in der Reformationszeit gab.

Die Quellentexte sind von den Originaltexten des 16. Jh.s ins heutige Deutsch übertragen und gegebenenfalls an den wissenschaftlichen Editionen geprüft worden. Eine kurze Einleitung, die biographische Informationen, Hinweise zur Entstehungssituation und zur Publikationsgeschichte enthält, ist den Quellentexten vorangestellt. Am Schluss wird auf die genutzte Quelle und, wenn vorhanden, die Edition verwiesen. Leider wird dabei auf die mittlerweile übliche Angabe der VD16-Nummer verzichtet, die eine eindeutige Identifizierung des Druckes möglich macht. Die Bibliographie am Schluss des Quellenbandes bietet einerseits einen Überblick über die Literatur zu Frauen während der Reformationszeit, andererseits wird die wichtigste Literatur zu den einzelnen Autorinnen geboten, dabei finden auch populärwissenschaftliche Darstellungen Berücksichtigung, und nicht jede Zuordnung zur allgemeinen beziehungsweise autorinnenspezifischen Bibliographie leuchtet ein.

Wo die Autorinnen selbst auf Bibelstellen verweisen, werden diese nach der heutigen Form mit Verszählung angegeben. Gänzlich wird in dieser Edition auf einen Anmerkungsapparat verzichtet, der das Verständnis der Quellentexte vertieft hätte. Dieser Anmerkungsapparat wäre bei der anvisierten Leserschaft umso notwendiger gewesen, um die Texte nicht nur lesbar, sondern auch verstehbar zu machen. Gelegentlich werden jedoch knappe Erklärungen in eckigen Klammern in den Text eingefügt, so werden zum Beispiel die Datumsangaben modernisiert. Ein weiterer Wunsch an die moderne wissenschaftliche Edition bleibt offen, erst recht, wenn die Ausgabe in der Geschichts- und Literaturwissenschaft an der Universität genutzt werden soll – das ist der Abdruck des zugrundegelegten Quellentextes, wie dies bei der Deutsch-Deutschen-Studienausgabe der Werke Martin Luthers geschehen ist. Zumindest hätte die Blatt- oder Seitenzählung der Textgrundlage angegeben werden können, um einen Textvergleich zu erleichtern. Ungeachtet dieser Monita ist die Edition, die die Quellentexte von Frauen der Reformation für einen breiten Leserkreis leicht zugänglich macht, zu begrüßen.