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Ausgabe:

Mai/2023

Spalte:

436-438

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Tamer, Georges, u. Ursula Männle [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Concept of Freedom in Judaism, Christianity and Islam.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2019. VIII, 166 S. = Key Concepts in Interreligious Discourses, 3. Kart. EUR 24,95. ISBN 9783110560558.

Rezensent:

Anne Koch

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Tamer, Georges [Ed.]: The Concept of Revelation in Judaism, Christianity and Islam. Berlin u. a.: De Gruyter 2020. VIII, 214 S. = Key Concepts in Interreligious Discourses, 1. Kart. EUR 24,95. ISBN 9783110425185.
Rachik, Catharina u. Georges Tamer [Eds.]: The Concept of Human Rights in Judaism, Christianity and Islam. Berlin u. a.: De Gruyter 2022. 150 S. m. 20 Abb. = Key Concepts in Interreligious Discourses, 2. Kart. EUR 24,95. ISBN 9783110560534.


Das 2020 neu bewilligte Bayrische Forschungsinstitut für Interreligiöse Diskurse (BaFID) an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gibt mit Key Concepts in Interreligious Discourses (KCID) eine neue Reihe heraus. Nun, da Band 3 im Dezember 2022 publiziert wurde, ist ein guter Zeitpunkt, einen etwas genaueren Blick auf dieses Projekt zu werfen. Das Projekt ist inzwischen schon umfangreicher, da bereits Bände zu Just War (KCID 5, hg. v. G. Tamer, Katja Thöring), Peace (KCID 8, hg. v. G. Tamer), Economy (KCID 9, hg. v. Christoph Böttigheimer, Wenzel M. Widenka) erschienen sind und man auf Environment (KCID 10, hg. v. C. Böttigheimer, W. M. Widenka) in diesem Jahr gespannt sein darf. Ausgesprochenes Ziel dieser Reihe ist es, durch fundiertes religiöses Wissen um die Genese zentraler Konzepte in jüdischer, christlicher und islamischer Religion (die Vorworte versprechen eine »archeology of religious knowledge«) zu einem wechselseitigen Verständnis in der interreligiösen Begegnung beizutragen. Dieser erhofften Wirkung und Reichweite könnten durchaus zuträglich sein, dass die Bändchen in der Lektüre zu bewältigen sind und klar nach den genannten drei Religionen und jeweils nur einem zentralen Begriff gegliedert. Zusammenfassende kurze Epiloge des Initiators und Herausgebers Georges Tamer, Orientalische Philologie und Islamwissenschaft, FAU und weiteren Kollegen schließen die Bände ab und vertiefen die interreligiöse Perspektive.

Die Bände sind Ergebnisse von Tagungen – weitere Tagungen zum Schriftprinzip, Toleranz und Frieden, Menschsein, Körper und Sexualität usw. fanden inzwischen statt. Besonders ist, dass jedes Konzept bereits in Bezug auf die unterschiedlichen dominierenden Traditionssprachen der jeweiligen Religionen aufbereitet wird, ein Bezug, der weit in die Religionsgeschichte des verwobenen Austauschs zurückreicht mit seinen vielen Ungleichzeitigkeiten, Überlagerungen und konflikthaften Zueinander der regionalen, medialen und sozialen Unterschiede. Ideengeschichte zu rekonstruieren wird in den Vorworten als methodischer Hauptzugang benannt. Verflechtungsgeschichte wird dabei in intensiver Weise berücksichtigt und eingearbeitet. Das ist gewiss eine Stärke der Bände. Daneben ist ein stark philosophiegeschichtlicher Zugriff charakteristisch. Das ist interessant und legitim und zugleich würde man sich auch stellenweise oder in einem Fazit einen ebenso starken kulturwissenschaftlich-analytischen Blick auf Machtverhältnisse, denominationale Besonderheiten, religiöse Heterodoxie, soziale Interaktion, nicht-diskursive Materialkulturen und Dekolonialisierung wünschen und vom klassisch gewordenen Key Concept-Format der Kulturwissenschaften auch erwarten – besonders auch vor dem Hintergrund, dass es einen bestimmten Typus von hochkognitiven – meist männerdominierten – Dialoginitiativen gibt, der kulturwissenschaftlich für ein breiteres Publikum aufgebrochen und relevanter gemacht werden könnte. In den Bänden sind immerhin »nur noch« zwei Drittel der Beitragenden Kollegen und die AutorInnen sind sehr ausgewiesene und in der Mehrzahl international tätige WissenschaftlerInnen: So Frederek Musall, Heidelberg, Christoph Schwöbel, UK, Asma Afsaruddin, USA, zu Menschenrechten Heiner Bielefeldt (Vorwort), Michael J. Broyde, Shlomo C. Pill, Clare Amos, Patricia Prentice, Abdullah Saeed und Katja Thörner, zum Freiheitsbegriff Kenneth Seeskin, USA, Nico Voster, SA und Maha El Kaisy-Friemuth, FAU. Diese Internationalität zeigt das hochspezialisierte Niveau der Bände an und auch das intensive Bemühen, Stimmen aus der Innenperspektive der Traditionen zu Wort kommen zu lassen, was gewiss eine weitere Stärke der Reihenkonzeption ist.

Mit Offenbarung hat sich Band 1 gleich einen zentralen Identitätsmarker der ›abrahamitischen‹ ›Offenbarungsreligionen‹ vorgenommen, weshalb der übereinstimmende Befund der Multivalenz und Mehrdimensionalität dieser Kategorie, also der Mehrdeutigkeit in semantischer wie sozio-kultureller Hinsicht nicht verwundert. Sehr gut kommt heraus, wie sehr dieses theologische Konzept nicht nur eine Erkenntnis- und Legitimierungsquelle angibt, sondern ebenso relevant ein Beziehungsgeschehen (von Einladung bis göttlicher Selbstaussage) und eine emotionale und ästhetische Qualität ausdrückt. Aufschlussreich und eindrücklich ist, wie sehr der Umgang mit Textlichkeit und das hermeneutische Verständnis von Kanon und Schriften sich grundlegend unterscheidet in den drei Traditionen, was oft zu schnell verlorengeht, wenn nach Gemeinsamkeiten Ausschau gehalten wird und zu wenig Wissen über abweichende Semiotiken und hermeneutische Optionen besteht.

Auch Band 2 zu Menschenrechten scheut sich nicht, ein kontroverses Thema aufzugreifen und die Ambivalenzen bis hin zu Konflikten zwischen religiösen Selbstverständnissen und Menschenrechten herauszuarbeiten. Genauso wenig ist Freiheit ein unschuldiges Konzept, schon nicht als theologisches für Geschöpfe in Abhängigkeit von ihrer Gottheit und erst recht nicht mehr mit den liberalen Freiheitsrechten, wie sie mit den Demokratien und später den kulturellen Gegenbewegungen in europäischen und anglo-amerikanischen Ländern seit den 1960er Jahren auf die Agenda gelangten.

Das Anliegen, zur friedlichen Verständigung zwischen den Religionen beizutragen, wird ganz im aufklärerischen Impetus vorgebracht und mag auch mit der landespolitischen Zentrumsplausibilisierung zu tun haben. Denn ob englischsprachige Fachtexte, die ideengeschichtlich orientiert sind und in denen z. B. die Offenbarungstheologien von Karl Rahner, Karl Barth, Rudolf Bultmann, Wolfhart Pannenberg und Eilert Herms in fünf Sätzen resümiert werden (2020: 200), auch nur mittelfristig im Feld des Dialogs eine Auswirkung haben, kann angefragt werden. Das mag auf Dauer über die Popularisierung des Institutslebens über die Mediathek der Homepage mit verlinkten Artikeln etwa zu allgemeinverständlicheren Blogeinträgen und im Videoprojekt »Religionen kurz erklärt« aufgefangen werden, vor allem, wenn hier Deutsch, Arabisch und weitere Sprachen verwendet werden sollten. Damit sollen das hermeneutische Verdienst und die Exzellenz der unterbreiteten Texte nicht geschmälert werden, insbesondere da die Texte aus allen Traditionen gleicherweise gut und aufeinander abgestimmt sind, was die Fokussierung und das Einführen in Besonderheiten angeht, die gegen die unterstellte Selbstverständlichkeit in der Wahrnehmung anderer geht, die sich oft als Stereotyp entpuppt. Eine deutschsprachige Übersetzung wäre für die regionale Wirkweite sehr zu wünschen, ebenso wie ein stärker kulturwissenschaftliches Problembewusstsein.