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Ausgabe:

April/2023

Spalte:

315-320

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Vieweger, Dieter

Titel/Untertitel:

Geschichte der biblischen Welt. Die südliche Levante vom Beginn der Besiedlung bis zur römischen Zeit. 3 Bde. Bd. 1: Paläolithikum bis Bronzezeit. Bd. 2: Eisenzeit. Bd. 3: Persische bis römische Zeit.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus (Randomhouse) 2019. 1240 S. Geb. EUR 98,00. ISBN 9783579014791.

Rezensent:

Angelika Berlejung

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Schmitt, Rüdiger: Die Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit. 12.–6. Jahrhundert v. Chr. Münster: Verlag Zaphon 2020. XIV, 230 S. m. Abb. Geb. EUR 75,00. ISBN 9783963271182.


Beide hier zu besprechenden Werke tragen dem Faktum Rechnung, dass sich die archäologische Basis (inkl. ikonographischem, numismatischem und epigraphischem Material) für die Rekonstruktion bzw. argumentativ plausibilisierte Konstruktion der Geschichte und der Religionsgeschichte Israels/Palästinas seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts sehr deutlich verbessert hat. Darüber hinaus liegen inzwischen schon allein aus dem deutschsprachigen Raum mehrere Gesamtdarstellungen der Geschichte und Religionsgeschichte Israels/Palästinas (A. Berlejung, Geschichte und Religionsgeschichte; Religionsgeschichten: O. Keel/C. Uehlinger, Göttinnen, O. Keel, Geschichte Jerusalems; Geschichten: C. Frevel, B. U. Schipper, H. M. Niemann/E. A. Knauf) vor, die bereits Versuche unternahmen, das umfangreiche Material zu strukturieren, es für die historische Forschung fruchtbar zu machen und die kritisch gelesenen Bibeltexte ins Verhältnis zu setzen (für die englischsprachige Literatur sei nur auf G. W. Ahlström, J. M. Miller/J. H. Hayes, E. A. Knauf/P. Guillaume verwiesen).

Da die Archäologie Palästinas/Israels inzwischen so gut wie gänzlich von den Ausgrabungen und Forschungen israelischer Forscherinnen und Forscher bestritten wird, die ihre neuesten Grabungsergebnisse zunehmend online publizieren, steht und fällt die Aktualität und Qualität historischer und religionshistorischer Überblickswerke aus dem US-europäischen Raum damit, inwieweit aktuelle »hot-spots« des wissenschaftlichen Diskurses der Kolleginnen und Kollegen aus Israel bekannt sind und deren neueste Forschungen und Grabungsergebnisse zur Kenntnis genommen, rezipiert, diskutiert und in die jeweiligen Gesamtdarstellungen integriert werden. Auch relativ neue Thesen können sich schnell verändern oder gar zu deren kompletter Revision führen, sodass sehr viel im Fluss ist. Insofern laufen Gesamtdarstellungen Gefahr, bereits mit ihrem Erscheinen veraltet zu sein. Wichtig ist deshalb, dass sie zwar durchaus momentane Ergebnisse zusammenfassen, aber durch Problemanzeigen und das Aufzeigen des Spektrums derzeit besprochener möglicher Lösungswege auf mögliche Wandlungen und neuen Materialinput vorbereiten. Freilich müssen Überblickswerke für den Lehrbetrieb eine Auswahl aus der Materialmenge treffen und der Leserin und dem Leser insbesondere im Studienbetrieb einen Überblick bieten, der sozusagen als Gesamtgerüst fungiert, in das neues Material und neue Thesen eingeordnet und gewichtet werden können. Beide hier zu besprechenden Gesamtdarstellungen leisten dies in sehr unterschiedlicher Weise.

Das Buch von Rüdiger Schmitt stellt sich im Vorwort und auch in den abgebildeten Tafeln als abgekürztes Derivat seiner in Zusammenarbeit mit R. Albertz 2012 vorgelegten Monographie »Family and Household Religion« dar, die in der Bibliographie auf Werke bis 2017, eklektisch bis 2019 aktualisiert wurde. Diese Monographie von 2012 führt denn auch in fast allen Einzelkapiteln die angegebenen Bibliographien an. Als synchrone »Darstellung der Religionen Israels/Palästinas in der Eisenzeit« (Vorwort) werden nach der Einleitung (Kap. 1) die spätkanaanäische (Kap. 2), israelitisch-judäische (Kap. 3), philistäische (Kap. 4), geschuritisch-/gileaditisch- und aramäischsprachige (Kap. 5), die ammonitische, moabitische und edomitische (Kap. 6–8) Religion dargestellt, wobei jeweils die Ebenen der archäologisch belegten Götter und Elemente des religiösen Symbolsystems, die Ebenen der privaten, lokalen und offiziellen Religionsausübung in eigenen Unterabschnitten abgearbeitet werden. Dem schließt sich in Kapitel 9 eine Synthese an, die die Religionen Israels/Palästinas miteinander vergleicht, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass »es sich bei den Religionen Palästinas – soweit sie sich archäologisch und epigraphisch erschliessen lassen– materiell und strukturell um eine Einheit in Vielfalt« handelt, sodass man »für die Eisenzeit von einer Koiné der religiösen Symbolsysteme Palästinas sprechen« kann (207). Tafeln, Karten und die üblichen Indizes beschließen das Werk.

Das Buch eignet sich durch seine klare, in sich geschlossene Strukturierung, die zahlreichen Tabellen, Diagramme und Abbildungen ohne Zweifel als einführendes Lehrbuch, wenngleich der Preis das studentische Budget überstrapazieren dürfte. Auch der inzwischen in zahlreichen Lehrbüchern üblichen Praxis, den Einzelkapiteln eine Bibliographie voranzustellen und mit Fußnoten sehr spärlich umzugehen, wird gefolgt. Allerdings kann es auf dem Hintergrund des derzeitigen Studierendenverhaltens nur als Manko bezeichnet werden, dass weder auf Open access-Publikationen, digitale Zeitschriften oder Datenbanken verwiesen wird, die kostenfrei und niederschwellig zugriffsbereit sind (www.onomasticon.net).

Methodisch lässt die Arbeit einen religionssoziologischen Ansatz erkennen, der sich der These vom religionsinternen »Pluralismus innerhalb unterschiedlicher sozialer Kontexte« (3) verpflichtet weiß, zugleich aber territoriale Aspekte mit inkludiert, da die Religionen Palästinas wenigstens teilweise nach eisenzeitlichen Territorialstaaten geordnet werden. Primär basiert die Darstellung auf archäologischen (inkl. epigraphischen und ikonographischen) Quellen, wobei wiederholt Bibeltexte eingespielt werden, wenn sie in Augen des Vf.s (ohne weitere kritisch exegetische Rückversicherung) historisch plausible Informationen bieten (2Kön 1:2–4 auf S. 154) oder als Fiktion abgeschmettert werden können. Grundsätzlich wird der Auswertung von theophoren Personennamen und Siegeln/Siegelabdrücken für die Religionsgeschichte zentrale Bedeutung zugemessen, wohingegen dem »DtrG« (das in dieser Form offenbar noch als existent vorausgesetzt wird) als geschichtstheologischem Narrativ (5) und den alttestamentlichen Prophetennarrativen ein ausgeprägtes Misstrauen entgegengebracht wird. Auf die Verwendung der Begriffe und dahinterliegenden Konzepte von Monotheismus und Polytheismus wird bewusst verzichtet, da sie für die vorderasiatischen Religionen »ohne jeden heuristischen Wert« seien (5). Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Darstellung ganz eindeutig auf Kapitel 3, in dem die Israelitisch-Judäische Religion (23–138) vorgestellt wird, leider ohne Juda, Jerusalem und Israel klarer zu differenzieren, wie sich dies derzeit in religionsgeschichtlichen Einzelstudien mit guten Gründen zunehmend durchsetzt. Dieses Herzstück des Bandes schließt mit zwei äußerst kurzen Kapiteln zu den nur biblisch belegten Kultreformen des Hiskia und Josija, wobei erstere relativ traditionell auf die Entfernung der Schlange als möglicher historischer Kern reduziert wird, wohingegen letztere als dtr Konstrukt der nachexilischen Zeit eingeschätzt wird, die die nachexilische Gestalt des Kults legitimiert (138).

Es ist sehr schwer, ein Werk dieser Dichte in einer Rezension angemessen zu würdigen. Zweifelsohne kennt der Vf. die wichtigsten Quellen der Religionsgeschichte und hat daraus eine Synthese erstellt. Diese Synthese überzeugt dadurch, dass sie in aller Kürze das Bild einer großen religiösen Vielfalt zeichnet, und sich damit von einlinigen Darstellungen wohltuend abhebt. Es ist das Verdienst des Vf.s, die Religion Israels-Judas aus ihrer splendid isolation zu heben und in den zeitgenössischen kulturellen Kontext einzuordnen, sodass einige Fehleinschätzungen älterer Forschungen zu israelitisch-judäischen Sonderwegen der JHWH-Religion dadurch widerlegt werden können, dass der Blick in die Nachbarreligionen analoge Entwicklungen erkennen lässt, die nicht als Aufbrüche in den Monotheismus oder Anikonismus interpretiert werden können (z. B. die Deutung der Entwicklung von Bild- zu reinen Schriftsiegeln als Abkehr von ikonischen Darstellungen hin zum Anikonismus, s. S. 138).

Kritisch ist m. E. festzuhalten, dass die vorgelegte Synthese der verschiedenen eisenzeitlichen Religionen der südlichen Levante von einer großen Anzahl von Vorentscheidungen durchdrungen ist, die als solche nicht immer kenntlich und m. E. durchaus zu hinterfragen sind. Dem Leser wird durch das weitgehende Fehlen von Alternativpositionen und deren Argumenten eine Faktensicherheit suggeriert, die es in dieser Form nicht gibt. Dies gilt in einer Unzahl von Fällen, exemplarisch genannt seien nur die Nutzungsprofile von archäologischen Kleinfunden (special finds) auf S. 8 (Kategorie A) und 9 (Kategorie B und sehr kurz C), die auf den ersten Blick aussagekräftig erscheinen mögen, die aber in dieser Form der Rückfrage nicht standhalten, da alle genannten Objekte der Kategorien A–C als Votivgabe gestiftet, entsorgt (s. z. B. N. Strassburger, Heilige Abfallgruben. Favissae und Kultdeposite in Israel/Palästina von der Spätbronzezeit bis zur Perserzeit, ÄAT 92, Münster 2018), thesauriert, weiterverkauft oder als Grabbeigabe dienen können.

Problematisch erscheint mir die Verwendung von ethnischem Labelling (Philister, Ammoniter etc.), vermischt mit geographisch unklar abgegrenzten Territorien (Geschuriter, Gileaditer, s. dazu die neueste Diskussion) und linguistischen Kategorien wie den »Aramäischsprachigen Entitäten« (wobei die Kerngruppe Aram-Damaskus im Buch deutlich zu kurz kommt, obgleich der Einfluss auf Ammon nicht zu unterschätzen ist). Was sich genau hinter dem Begriff »spätkanaanäisch« (Kap. 1) verbirgt, erschließt sich aus der Lektüre als Religion der ausgehenden SBZ wie der Vf. sie vor allem anhand von Megiddo und Beth Shean (re-)konstruiert. In diesem terminologischen Oszillieren macht sich das Ringen um Abgrenzungen und die Suche nach antiken religiösen Identitätskonstruktionen und deren »Leitfossilien« bemerkbar, die der Vf. greifen und ganz offensichtlich in bestimmten sozialen Ebenen von Gruppen verorten und diese wiederum lokalisieren will. Dabei gibt denn doch die Bibel sehr stark den Blick auf die Nachbarn vor, wenn z. B. Edom als Bergkönigtum des 8. Jh.s v. Chr. im Ostjordanland abgehandelt wird, obgleich es in der frühen Eisenzeit II eine komplexe Kupfer-produzierende Gesellschaft in Faynan gab, deren Verhältnis zum späteren Eisenzeit II-Hochland (»Edom«) zumindest diskutabel ist (Early Edom hypothesis). Selbst wenn man mit P. Bienkowski u. a. die Early Edom hypothesis ablehnt, so wäre doch die Religion des frühen Faynan aus der Eisenzeit II von Interesse, das zwar Ende des 9. Jh.s verschwand, aber zuvor durch Verwaltung, Wirtschaft und Arbeitskräfte mit der zeitgenössischen Gesellschaft im Negev verbunden war. An diesem einen Beispiel lässt sich schon die aktuelle Tendenz der historischen Palästinaforschung deutlich machen, regionale und topographische Bezeichnungen (Faynan/Hochland/Negev) anstelle von ethnischen oder linguistischen Labels oder biblischen Landkarten zu verwenden. Tatsächlich zeichnet sich in der derzeitigen archäologisch fundierten historischen Palästinaforschung immer stärker ab, dass ethnische und auch linguistische Bezeichnungen und essentialistische Verbindungskonzepte von Sprache, Schrift, Ethnos und Identität in einer Region, die multiethnisch, mehrsprachig, mehrschriftlich war, und in der Familien- und Clanstrukturen vorherrschten (s. die Beiträge in O. Sergi [Hg.], WdO 49.2 [2019]), ungeeignet sind, soziale (und damit auch religionsgeschichtliche) Prozesse adäquat zu beschreiben. Hilfreicher scheint wenigstens gegenwärtig, auf regional-topographische Bezeichnungen zu setzen, in denen soziopolitische Gruppen ansässig waren, die zwar in Bezug auf Herkunft, Sprache und Schrift inhomogen waren, aber die geographisch-topographisch-klimatischen-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die politische Großwetterlage, das kulturelle Gedächtnis, implizite Axiome ihrer Gesellschaft und ggf. Basisparameter des religiösen Symbolsystem miteinander teilten, deren Identitäten und Solidaritäten jedoch kontext- und situationsgebunden stetig neu verhandelt und performiert wurden.

Viel ließe sich über die Interaktion zwischen den beiden Berglandkönigtümern Israel und Juda mit ihren jeweiligen Nachbarn an der Küste sagen. Dor, aber auch die phönizischen Städte fehlen leider komplett. Die Küstenbewohner werden im vorliegenden Buch wie schon biblisch trotz mehrerer Jahrhunderte der Enkulturation immer noch als Philister bezeichnet, obgleich es danach aussieht, dass u. a. in Sachen Sprache, Schrift und Religion aus der »Philister«vergangenheit wenig übrig war, und die eisenzeitlichen Küstenbewohner eher von den andauernden Fernhandelskontakten mit dem Mittelmeerraum, Ägypten, und dem Handel mit dem jeweiligen lokalen Hinterland inspiriert worden waren. Verflechtung ist der Schlüsselbegriff, der Enkulturations- und Interaktionsprozesse der multiethnischen Gesellschaft der südlichen Levante sachgerecht beschreibt, wo die Grenzen und Zusammenarbeiten auf privater, regional-lokaler und staatlicher Ebene so variabel waren wie die Götter, die allzu oft dieselben Namen trugen, ohne notwendigerweise dieselben theologischen Profile zu haben.

Dieter Viewegers »Geschichte der Biblischen Welt« ist die Summe seines Lebenswerks, in der er seine Arbeiten und Forschungen als Archäologe, Historiker und Bibelwissenschaftler zusammengefasst hat. Wie er selbst bemerkt (I, 10), bestehen zu seinem Werk »Archäologie der biblischen Welt« von 2003, das seither sukzessive in diversen Auflagen immer weiter ergänzt wurde, enge Beziehungen, sodass es sich hier nicht wie bei Schmitt um eine Verkürzung einer vorherigen Monographie, sondern um die Ausweitung einer solchen handelt. Das Ergebnis ist eine ausführliche und reich bebilderte Darstellung der Geschichte Palästinas. Der Vf. will seine drei Bände von insgesamt 1240 Seiten als »Arbeitsbuch zur Geschichte der südlichen Levante« verstanden wissen, das »alle erreichbaren Quellen übersichtlich und strukturiert« zusammenträgt (I, 9). Ähnlich wie das besprochene Werk von Schmitt will er sich mit dem Rekurs auf archäologische Quellen von der biblischen Darstellung der Geschichte und deren Historiographie lösen und stattdessen ein faktenbasiertes Bild der »Kultur und Geschichte der südlichen Levante« (I, 9) zeichnen, womit sich bereits andeutet, dass der Vf. seiner archäologischen Datenlage gegenüber sehr positivistisch eingestellt ist.

Der erste Band beginnt mit einer kurzen Einführung in die südliche Levante (Geographie und Topographie, Klima, Bodenschätze, Flora und Fauna, Landwirtschaft und Viehzucht) und stellt die zugrundeliegenden literarischen, archäologischen und ikonographischen Quellen vor. Danach beginnt in Kapitel 3 die (Re-)Konstruktion der geschichtlichen Abläufe, die mit dem Paläolithikum startet und den folgenden Perioden entlanggeht. Neben die historische Darstellung treten Kapitel, die irreführend als »Religionsgeschichte« tituliert sind. In ihnen werden jeweils die biblischen Texte besprochen, die sich in ihrer erzählten Zeit auf die vom Vf. zuvor vorgestellte Periode beziehen. So kommt der doch kuriose Umstand zustande, dass sich die summarische Darstellung der Entstehungshypothesen zu den Büchern der Tora bis zum Richterbuch, bzw. eigentlich sogar (in Anlehnung an J. C. Gertz) bis 2Kön in Bd. I, Kap. 4.5, d. h. in der Bronzezeit findet. Wenig überraschend ist das Fazit des Vf.s, dass es »es nicht möglich [sei], die uns vorliegenden biblischen Zeugnisse als historische Texte der ›erzählten Zeit‹ zu lesen« (I, 272). Dennoch werden u. a. ohne klare Begründung in den Erzelternerzählungen »historische Erinnerungen ersten Ranges« (I, 273) vermutet, die aber »als historische Fakten nicht beweisbar« seien. An dieser Stelle offenbart sich ein grundsätzliches methodisch-hermeneutisches Problem, da der Vf. an keiner Stelle klärt, wie sich historische Erinnerungen ersten oder späteren Ranges, Historiographie, Geschichtsreflexion und Geschichtskonstruktion zu den vom Vf. hoch geschätzten historischen Fakten verhalten.

Völlig aus der Luft gegriffen erscheinen die bekenntnisartigen Abschlusssätze in I, 287, in denen – mit kurzen Fußnoten referierend auf völlig veraltete Literatur – behauptet wird, dass Ausschließlichkeit und Bildlosigkeit zu den »unverwechselbare[n] Wesensmerkmale[n] der Verehrung JHWHs in Israel« gehört habe. Mit diesem Statement werden die letzten dreißig Jahre religionsgeschichtlicher Forschungsdiskussion (s. die Arbeiten von H. Niehr, die Beiträge im Sammelband M. Witte/J. van Oorschot [Hg.], The Origins of Yahwism, BZAW 484, Berlin/Boston 2017 [deutsch 2013] u. v. a.) schlechterdings ignoriert. Auch die folgenden Bände gehen in ihrer geschichtlichen Darstellung den Epochen entlang und behalten die grundsätzliche Trennung zwischen historischer (Re-)Konstruktion und dem Einspielen biblischer Schriften bei, die den historischen Darstellungen räumlich jeweils nachgeordnet werden.

Eine Stärke des Werkes besteht zweifelsohne in der konsequenten regionalen Differenzierung, wobei der Vf. als versierter Kenner des Landes die einzelnen Landschaften charakterisiert, in ihren Grenzen grob umreißt und die regionale Entwicklung im Nordwesten, der südlichen Küstenebene, im galiläischen Bergland, Jordangraben, ostjordanischen Gebirge und Negev jeweils pointiert darstellt. Daraus ergibt sich de facto eine Territorialgeschichte, die den Leser plausibel davon überzeugt, dass die Geschichte der biblischen Welt eigentlich aus sehr vielen regional differenten Entwicklungen besteht, die ab und an konvergieren, aber auch zur Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen führen. Eine weitere Stärke besteht darin, dass der Vf. in der Steinzeit beginnt und im 3. Jh. n. Chr. endet und damit die Zeitgeschichte bis hin zur frühen Kirchengeschichte umgreift. Trotz seines Umfangs ist das Werk durch die zahlreichen Abbildungen, Fotos, Grafiken, Übersichten, Tabellen, Pläne und Karten, die Register sowie das Verweissystem sehr gut benutzbar. Allerdings finden sich zahlreiche Fehler, die, wie z. B. das Phänomen der nomadisierenden Ortslagen in den Karten (vgl. Taf. 20 mit Taf. 26, Taf. 11 mit Taf. 13), für so manche Irritation sorgen werden.

Die Darstellung macht einen enzyklopädischen Eindruck, da sehr viel Information gebündelt und vorgestellt wird. Allerdings fremdelt der Vf. offensichtlich mit aktuellen kritischen Diskussionen in Bibelwissenschaft (C. Levin, T. Römer u. v. a.), Geschichtswissenschaft und Archäologie (e. g. O. Sergi, O. Lipschits, E. Pfoh, J. M. Tebes) und lässt gerade in der Epigraphik an Präzision und Informiertheit einiges vermissen (so die Arbeiten von B. Sass). Zusammenfassungen der Forschungsgeschichte sind eklektisch, sehr auf deutschsprachige Literatur fokussiert und enden in den 1970er oder 90er Jahren. Damit sind dem Vf. diverse »turns« in der archäologischen, historischen wie exegetischen Forschung schlicht entgangen. Allzuoft werden enzyklopädisch »Fakten« aus NEAHL zusammengetragen, ohne aktuelle Grabungsberichte, Artikel in den Fachzeitschriften TA, IEJ, oder im Internet zu konsultieren. Die Arbeit von Forschungszentren, die seit Jahren ihre neuesten Ergebnisse publizieren, wird ebenfalls nicht wahrgenommen (RIAB zu den Aramäern, SNF Sinergia Zürich/Bern/Tel Aviv zur Ikonographie, Network Phoenicians), sodass sich das Werk wie eine Zeitreise in das vorige Jahrhundert ausnimmt.

Insgesamt lässt sich als Fazit für beide hier vorgestellten Werke festhalten, dass sie sich nicht recht zwischen den Formaten des Lehrbuchs und der Fachmonographie entscheiden konnten und ihnen Einsicht in neueste Grabungsergebnisse sowie der Anschluss an gegenwärtige Forschungsdiskussionen der historisch-archäologischen Fachwelt fehlen und in der Literaturzitation dadurch auffallen, dass sie digitale Medien ignorieren, englischsprachige Fachpublikationen und Einzelstudien kaum zur Kenntnis nehmen und oft allzu selbstreferentiell bleiben. Problematisch ist auch der mangelnde Anschluss an die neueren Trends in der Exegese. Beide Autoren sind davon überzeugt, die Bögen zwischen materieller Kultur, Archäologie, Ereignis- (Vieweger) oder Religionsgeschichte (Schmitt) und einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Bibeltexten diverser Genres und Datierungen schlagen zu können. So ist bei beiden nur allzu oft pauschal von den »Deuteronomisten« oder dem DtrG die Rede, was dem derzeitigen Forschungsstand in Exegese und Literaturgeschichte nicht wirklich entspricht.

Beide Überblickswerke sind voll von Ungenauigkeiten und Gestrigkeiten (in dieser Hinsicht deutlich besser Schmitt), sodass faktisch keine Standardwerke entstanden sind, in denen man sich verlässlich über den neueren Diskussionsstand zur Epigrafik, Ikonografie, Religionsgeschichte, Archäologie, Geschichts- oder Bibelwissenschaft informieren könnte. Es sind Werke, die gerade an den Stellen, wo es notwendig wäre, die nuancierte Darstellung der Forschungsdiskussion zu leisten, zwar entscheidungsfreudig sind, aber entsprechende Argumente missen lassen. Beide Bücher eint auch die Überzeugung, dass sich Bücher der Geschichte oder Religionsgeschichte Israels bisher von exegetischen und theologischen Interessen haben leiten lassen (Schmitt, 2–5; Vieweger I, 9), sodass sie suggerieren, hier Pionierarbeit zu leisten. Davon kann in Anbetracht der zahlreichen vorliegenden Werke aus dem deutsch-, hebräisch- und englischsprachigen Raum keine Rede sein.