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Ausgabe:

März/2023

Spalte:

259–260

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Lumma, Liborius Olaf

Titel/Untertitel:

Wer macht was im Gottesdienst? Die handelnden Personen und ihre Aufgaben.

Verlag:

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2021. 176 S. Kart. EUR 16,95. ISBN 9783791732848.

Rezensent:

Predrag Bukovec

In der aktuellen kirchenöffentlichen Debatte ebenso wie im akademischen Diskurs innerhalb der katholischen Theologie wird die Frage nach der institutionellen Machtausübung intensiv thema-tisiert. Dabei gerät auch die rituelle Repräsentation, wie sie sich in der normierten und praktisch vollzogenen Liturgie darstellt, in den Fokus. In den letzten Jahren sind hierzu zahlreiche Aufsätze und Sammelbände erschienen, die in je unterschiedlicher Weise Aspekte dieses komplexen Feldes kritisch beleuchten. Schlagwörter wie Klerikalismus, Machtmissbrauch und dessen systematische Hintergründe sind nahezu täglich in den katholischen Medien zu verzeichnen. Das Buch erscheint daher in einer Zeit, in welcher ein Spezifikum gottesdienstlichen Handelns, nämlich ihr fundamentaler Charakter als Rollenliturgie, diskutiert wird. Liborius Olaf Lummas Einführung in die Liturgie als symbolisches Tun mit klar konturierten Rollen hebt sich dadurch ab, dass es ganz grundlegend danach fragt, wer was im Gottesdienst macht.

In konzentrischen Kreisen nähert sich L. dem liturgischen Rollengeschehen an: Nachdem in drei operationalisierbare Begriffe eingeführt wurde (Rollen: 16–25, Versammlung: 26–37, Ämter: 38–49), skizziert L. alle einschlägigen Rollen einzeln und gibt hierfür Hinweise und Inspirationen, die dem Forschungsstand in der Liturgiewissenschaft entsprechen. Beachtenswert ist dabei, dass L. nicht mit den ordinierten Vorstehern des Bischofs bzw. Presbyters einsetzt, sondern mit Rollen, die sich aus den rituellen Grundvollzügen sachlogisch ergeben: Unverzichtbar sind das Lektorat (50–58) und die Kirchenmusik (Kantorat: 59–66, Chor: 67–70, Orgel und andere Instrumente: 71–76), da beide Bereiche zum Wesen christlicher Liturgie zählen und zum einen das Hören auf die biblische Verkündigung sowie zum anderen die anthropologische Dimension des Gesangs verkörpern. Erst danach folgen zwei Kapitel, welche die Leitungsfunktion in den Blick nehmen: das ordinierte Amt (77–81) bzw. die Vorstehung in Gottesdienstformen, bei denen auch Laien die Letztverantwortung übertragen bekommen können (82–87). Es folgt die Rolle des Diakons (88–104), die eine vermittelnde Funktion übernimmt und um die Auslegung der Heiligen Schrift (105–109) ergänzt wird. Hilfsdienste wie die Kommunionhelferin (110–124) und der Ministrant (125–131) beschließen diesen Hauptteil. Das Buch mündet in die konkrete Praxis und gibt Hilfestellung für die Liturgievorbereitung (137–151, Grundlagentexte: 152–159). Das letzte Kapitel mit Anregungen für bestimmte Feierformen (160–172) ist als besonders gelungen hervorzuheben, weil es auf apodiktisch formulierte Handlungsanweisungen verzichtet und stattdessen durch diskret formulierte Fragen ermöglicht, situationskonforme und wohlüberlegte Lösungen für die jeweilige Gemeinde vor Ort zu finden.

Unaufdringlich, aber pointiert gibt L. zahlreiche Überlegungen mit, welche anzeigen, dass sich in vielen Gottesdiensten Usancen etabliert haben, welche kritisch zu sehen sind. Wenigstens zwei sollen an dieser Stelle hervorgehoben werden: Mehrfach betont L., dass der Verzicht auf die Vorgaben in den liturgischen Büchern nicht automatisch zu mehr Freiheit führt, sondern im Gegenteil ein »geheimes Drehbuch« (23) entsteht, das exkludierend und selbstreferenziell wirkt. Demgegenüber binden liturgische Bücher alle Rollen und transzendieren die hier und jetzt versammelte Gemeinde; ihnen kommt ferner eine Schutzfunktion gegen Machtmissbrauch zu.

Ein zweites Leitmotiv des Buches besteht in der Anregung, anstelle der Beauftragungen von Laien die Niederen Weihen wiedereinzuführen, wie sie in den Ostkirchen bis heute existieren. So könnten Getaufte, die eben aufgrund ihrer Taufe zur Liturgie berufen sind, dauerhaft und kompetent Rollen übernehmen. Die in der Zwischenzeit von Papst Franziskus getroffenen Entscheidungen zur Zulassung von Frauen zum auf Lebenszeit verliehenen Akolythat und Lektorat dürften L.s Vorschlag entgegenkommen, harren allerdings weiterhin einer Umsetzung im deutschsprachigen Raum. Viele weitere denkwürdige Detailbeobachtungen L.s spicken das Buch, können an dieser Stelle jedoch nicht einmal angerissen werden.

Der hier besprochene Band möchte eine liturgietheologische und praxisorientierte Vergewisserung dieser Grundbausteine des katholischen Gottesdienstes bieten. Zugleich ist es im Sinne des von Romano Guardini geprägten Stichworts der Liturgischen Bildung ein substanzieller Beitrag zur Reflexion der Liturgie sowie zur verantworteten Anhebung der Gottesdienstqualität. Das gut lesbar und kurzweilig geschriebene Werk eignet sich einerseits für gemeindlich engagierte Menschen, die Verantwortung für die Vorbereitung und Gestaltung von Gottesdiensten übernehmen, ist andererseits gleichermaßen als Einstiegslektüre am Anfang des Theologiestudiums geeignet.