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Ausgabe:

März/2023

Spalte:

258–259

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Gruber, Judith, Hoff, Gregor Maria, Knop, Julia, u. Benedikt Kranemann [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Laboratorium Weltkirche. Die Amazonien-Synode und ihre Potenziale.

Verlag:

Freiburg i. Br. u. a.: Verlag Herder 2022. 320 S. = Quaestiones disputatae, 322. Kart. EUR 48,00. ISBN 9783451023224.

Rezensent:

Jörg Bickelhaupt

In einem Laboratorium wird, schon dem Wortsinn nach, gearbeitet; und das in spezifischer Weise: vor allem wird experimentiert und untersucht, das Ziel sind die Entwicklung und Formulierung neuer Anschauungsmodelle (Theorien) für den untersuchten Gegenstand.

Der vorliegende Band wendet diese in den Naturwissenschaften gängigen Verfahren nun auf den kirchlichen Kontext an – eine Zusammenkunft von Menschen und einen sich darauf nachgängig beziehenden Text: die Amazonien-Synode von 2019 in Rom, sowie das nachsynodale Schreiben »Querida Amazonia« von Papst Franziskus ein Jahr später.

In achtzehn Aufsätzen, die vier Fragestellungen zugeordnet sind, erörtert Laboratorium Weltkirche Verbindungen zwischen der Synode und dem nachsynodalen Schreiben im Blick auf den Einbezug indigener Menschen, ihrer Situation und Theologie. Welche Resonanzen erfahren die Anliegen der Kirche Amazoniens in Rom und in welchem Verhältnis sieht sich das Zentrum zu den letztlich vielen Peripherien?

Unter der Überschrift »Die Kirchliche Vision von Querida Amazonia« werden Fragen kirchlicher Synodalität in Beziehung gesetzt zur spannungsvollen Dialektik von Zentrum und Peripherie zwischen Synode und nachsynodalem Schreiben: anschaulich in der Spannung zwischen den Diskursregulatorien während der römischen Synode selbst und den sich neu entwickelnden Standards synodaler Beratung und Entscheidung in der neuen panamerikanischen Kirchenkonferenz sowie in der sich, nicht ohne innere Widersprüche entwickelnden Rolle, die Rom resp. der Papst im Prozess der Durchführung und Rezeption solcher Synoden einnimmt (vgl. Knop 18 f.). Freilich bleibt das Zentrum der Peripherie vorgeordnet, wie Margit Eckholt am Beispiel der nicht übernommenen Voten der Synode in das nachsynodale Schreiben aufzeigt (Eckholt 27 f.).

»Inkulturation in Amazonien und der Weltkirche. Die Liturgie als Modellfall« dekliniert diese Fragen am Beispiel der Messliturgie, darin vor allem der Eucharistie durch, ihren theologischen und kirchenrechtlichen Grundlagen, aber auch den Herausforderungen, die sich für die Kirche in den kirchlichen Inkulturationsprozessen stellen.

Ein etwa um Fragen von Ökologie und Nachhaltigkeit erweiterter Diskurs begegnet im dritten Teil über »Befreiungstheologie als Folie zum Verständnis der Synode«. Dieser wird u. a. in seiner ekklesiologischen Dimension entfaltet, etwa durch Gregor Maria Hoff mit seinem Hinweis (174), dass der locus theologicus (hier Amazonien) kirchliches Selbstverständnis verändert wie auch die Agenda der Kommunikation des Evangeliums – eine Entwicklung, in der sich Kirche zunehmend als Netzwerk versteht und organisiert.

Abschließende Erörterungen unter der Überschrift »Die Synode im Horizont postkolonialer Diskurse« binden die bisherigen Fragen zusammen und stellen die Bedeutung scheinbar peripherer Fragen für die Kirche als Ganze heraus.

Dem vorliegenden Band ist zu wünschen, dass er über den engeren Rahmen thematisch und wissenschaftlich Interessierter wahrgenommen und gelesen wird – erörtert er im Blick auf Amazonien doch Fragen, die (sicher in anderer Konkretion) auch hierzulande vehement gestellt – und von manchen vorschnell autoritativ »beantwortet« – werden. Deutlich wird: Synodale Begegnungen und Wege inkl. der in ihnen generierten Texte sind als gemeinsam durchlebte Ereignisse und Bezugspunkte unverzichtbar, werden jedoch erst fruchtbar in einer lebendigen, i. e. sie konkretisierenden und weiterentwickelnden Rezeptions-Arbeit aller Beteiligter, eingedenk ihrer je spezifischen Aufgabe und Voll-macht – auf Augenhöhe!