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Ausgabe:

März/2023

Spalte:

229–231

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Halter, Didier

Titel/Untertitel:

L’Église comme projet. Signer le Royaume.

Verlag:

Lausanne: Office protestant d'éditions 2022. 112 S. Kart. SFr 18,00. ISBN 9782940508730.

Rezensent:

Fritz Lienhard

Didier Halter ist ehemaliger Präsident der Protestantischen Kirche des Wallis und derzeit Direktor des Office Protestant de Formation der Kirchen in der französischsprachigen Schweiz. Das Ziel seines Buches ist es, das kirchliche Leben auf seine Ziele auszurichten. Das wichtigste davon ist die Verkündigung des Evangeliums auf Dauer und angesichts der verschiedenen Hindernisse. Eine solche Aufgabe muss von einer mobilisierenden Vision getragen werden, und hier ist das Konzept des Projekts besonders wichtig. Das Buch geht von einer psycho-soziologischen Analyse des Projekts aus und greift es aus biblischer und theologischer Sicht auf, in Bezug zum Motiv des Reiches Gottes. Die Kirche ist dazu berufen, ein Zeichen dafür zu sein. Sie tut dies, indem sie Sinn anbietet und Verbindungen aufbaut, was zur Reflexion über das konkrete Leben der Kirchen führt. Nach diesem Überblick sind einige Elemente besonders hervorzuheben.

Ein Projekt ist Ausdruck der Fähigkeit eines individuellen oder kollektiven Subjekts, die Welt zu verändern. Gleichzeitig offenbart es die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins, da es auf eine Bedrohung reagiert. Somit setzt ein Projekt eine Anthropologie voraus. Ebenso erfordert ein Projekt eine Übereinstimmung mit den grundlegenden Orientierungen seiner Träger und eine Relevanz in einem bestimmten Kontext. Aus biblischer Sicht macht Gott den Menschen »zu einem Partner bei der Bewältigung des unvollendeten und unbefriedigenden Schöpfungsprozesses« (30). Die Kirche ihrerseits ist erstens ein Geschöpf des Wortes Gottes. Sie ist exzentrisch, da ihr Ursprung und ihr Ziel nicht in ihr selbst, sondern in Gott liegt. Sie ist Zeugin des Wortes, unterwirft sich seiner Autorität und lässt sich von ihm reformieren. H. lehnt institutionelle Instabilität jedoch grundsätzlich ab. Das »semper reformanda« ist nicht in dieser Weise zu verstehen. Zweitens ist die Kirche Gemeinschaft der Gläubigen, d. h. sie offenbart sich zuerst in der Ortskirche. Ihr Auftrag konkretisiert sich in der Feier, der Diakonie und der Lehre. Der Gottesdienst ist dabei zentral, das Herzstück aller Aktivitäten, die Gemeinschaft mit Gott. Dennoch schöpft die Ortskirche die Realität der Kirche nicht aus. Sie braucht die anderen Ortskirchen und die Glaubensgemeinschaft mit ihnen, was sich in institutionellen Strukturen ausdrückt.

Darüber hinaus zeichnet sich das Werk durch seine Ablehnung falscher Gegensätze aus. H. verzichtet darauf, zwischen dem Sein der Kirche und ihrem Wohlergehen zu unterscheiden, was dazu führen würde, dass die sinnliche und institutionelle Realität zugunsten eines »tieferen Wesens« der Kirche abgewertet wird. In der Tat beeinträchtigen mangelhafte Strukturen das Wesen der Kirche. Ebenso sollte man sich davon verabschieden, Macht und Dienst einander gegenüberzustellen. Ein solcher Begriff des Dienens versucht sich den Zwängen des Menschseins zu entziehen, in dem Macht – auch in ihrer gewalttätigen Dimension – eine unumgängliche Realität ist. Die Frage ist vielmehr, wie sie als Dienst an der Kirche und ihrer Botschaft ausgeübt werden kann. Eine solche Ausübung erfordert spirituelle Reife, umso mehr, als die Ausübung von Macht einsam macht.

Darüber hinaus ist die Spannung zwischen Innovation und Institution unvermeidlich. Institutionen wollen ihren Fortbestand sichern, und das ist auch ihre Aufgabe. Eine Innovation wird dabei zunächst als störend für das System und somit als potenzielle Bedrohung wahrgenommen. Ebenso wenig kann eine Innovation in einer Top-down-Logik durchgesetzt werden. Eine Kirchenleitung muss darauf verzichten, selbst innovative Projekte vorzuschlagen. Solche Projekte werden als »ein weiteres Ding von oben« (96) wahrgenommen. Daraus resultiert die Unterstellung falscher Absichten. Relevante Innovationen beginnen oft an den Rändern. Es ist Aufgabe der Kirchenbehörde, den nötigen Raum zu schaffen und das für Experimente unerlässliche Vertrauen zu bieten, indem sie das Recht auf Scheitern einräumt. Das innovative Potenzial liegt an der Basis, nicht an der Spitze, mit Experimenten, Versuch und Irrtum, die eine allgemeinere Erneuerung hervorbringen. Um ihre Zukunft zu sichern, ist es daher von entscheidender Bedeutung, allen Ebenen einer krisengeschüttelten Institution ein hohes Maß an Autonomie zu gewähren. Es geht darum, zu delegieren und zu vertrauen.

Das Buch zeigt, wie sich bestimmte Probleme der Kirchen an vielen Orten Westeuropas wiederfinden. Die humanwissenschaftlichen, praktischen und theologischen Ausführungen sind kohärent und relevant. Sie verdienen eine breite Audienz.