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Ausgabe:

Januar/2023

Spalte:

136-138

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Nagy, Kornél

Titel/Untertitel:

The Church-Union of the Armenians in Transylvania (1685–1715).

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2021. 251 S. Geb. EUR 100,00. ISBN 9783525503546. = Refo500 Academic Studies, 81.

Rezensent:

Harm Klueting

Siebenbürgen – Transylvanien, seit dem Vertrag von Trianon vom 4. Juni 1920, einem der Pariser Vorortverträge am Ende des Ersten Weltkriegs, der Westen Rumäniens, zuvor seit 1541 Vasallenfürstentum des Osmanischen Reiches, seit 1691 Teil der Österreichischen Monarchie, seit 1804 des Kaisertums Österreich und seit 1867 der ungarischen Reichshälfte der k. und k. Monarchie – ist auch kirchen- und religionsgeschichtlich von hohem Interesse. Das gilt nicht nur wegen der Reformationsgeschichte seit vor 1526 und der »Reformatio ecclesiae Coronensis« des Johannes Honterus von 1543, des lutherischen Reformators der deutschsprachigen »Siebenbürger Sachsen«, und der »Gruppenkonfessionalisierung« (Krista Zach) mit lutherischer »natio Saxonica« und reformierten Magyaren. Seit 1571 war Siebenbürgen durch Beschluss des Landtags von Thorenburg auch ein Land mit garantierter Religionsfreiheit – seit 1595 sprach man von den »vier rezipierten Religionen« der Lutheraner, Reformierten, Antitrinitarier und Katholiken – und blieb es, anders als Polen, wo die Konföderation von Warschau von 1573 unter der gegenreformatorischen Rekatholisierung keinen Bestand hatte, anders als Frankreich, wo Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes von 1598 widerrief. Neben den »vier rezipierten Religionen« fanden auch die Orthodoxen Duldung. Dazu zählten die orthodoxen Armenier, deren Armenisch-Katholische Kirche heute eine der vielen mit Rom unierten Ostkirchen ist und für die es neben dem »Codex Iuris Canonici« von 1983, dem Gesetzbuch der römisch-katholischen Kirche, seit 1990 den »Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium« gibt.

Die Union der Armenier in Siebenbürgen in der Zeit des Übergangs des Landes an Österreich unter Kaiser Leopold I. (†1705) nach den großen Siegen über das Osmanische Reich seit der Niederschlagung der zweiten türkischen Belagerung Wiens 1683, ist Gegenstand des Buches des ungarischen Historikers Kornél Nagy. Das jetzt in englischer Übersetzung vorliegende Werk erschien 2012 in ungarischer Sprache unter dem Titel »Az Erdélyi örmények katolizációja«, den der Verfasser mit »The Catholicisation of the Armenians in Transylvania« (7) wiedergibt – »Erdély« ist der ungarische Name für Siebenbürgen. Dabei reicht die Geschichte der armenisch-orthodoxen Union bis in das 12. Jh. zurück, bis zu der »Kilikischen Union« – benannt nach dem Kilikischen Fürstentum, das im Osten der heutigen türkischen Mittelmeerregion lag und in der Zeit des 3. (1189–1192) und 4. Kreuzzugs (1202–1204) mit den Kreuzfahrerstaaten verbunden war –, die 1198 zustande kam, als Katholikos Krikor IV. (1195–1203) von Papst Innozenz III. (1198–1216) das Pallium und damit die Würde eines Erzbischofs erhielt. Wichtiger wurde die armenische Diaspora im polnisch-litauischen Doppelreich mit dem armenischen Bistum im galizischen Lwów, so der polnische Name des heute ukrainischen Lviv, das unter dem deutschen Namen Lemberg von 1772 bis 1918 österreichisch war. Im 14. Jh. unterstand es dem Katholikos von Kilikien, seit dem 15. Jahrhundert dem Katholikos von Etschmiadsin, heute Wagharschapat in Armenien. 1630 unterstellte sich der seit 1627 amtierende armenische Bischof von Lemberg Mikolai Torosowicz (1605–1681) Papst Urban VIII. (1623–1644) und erhielt von diesem 1635 das Pallium, womit das mit Rom unierte armenische Erzbistum Lemberg entstand, das Polen sowie die Moldau und die Walachei umfasste, die beiden Fürstentümer, aus deren Realunion 1881 das Königreich Rumänien hervorging. Lemberg wurden auch die als Flüchtlinge aus Moldau nach Siebenbürgen gekommenen Armenier unterstellt. Für Rom, nicht interessiert an Religionsfreiheit zugunsten von Lutheranern, Reformierten und nichtunierten Orthodoxen – von Antitrinitariern zu schweigen –, war das Land der »vier rezipierten Religionen« nach der Befreiung von der osmanischen Oberhoheit Missionsgebiet.

Hier setzt N.s Buch ein. Aus Rom vorgetragene Katholische Konfessionalisierung, so der Begriff deutscher Frühneuzeithis-toriker, stand hinter der 1689 in Lemberg von Erzbischof Vardan Hunanean (1644–1715), dem Nachfolger des Mikolai Torosowicz, unter Mitwirkung des päpstlichen Nuntius in Warschau und danach in Wien, Giacomo Cantelmo (1645–1702), für die Armenier in Siebenbürgen eingegangenen Union mit Rom. Deren Protagonist wurde der in Moldau geborene und am Collegium Urbanum in Rom ausgebildete unierte armenische Priester Oxendio Virziresco (1654–1715), den Papst Alexander VIII. (1689–1691) 1690 zum Apostolischen Vikar und Titular-Bischof der mit Rom unierten Armenier in Siebenbürgen erhob. Der Kaiser blieb dabei im Hintergrund: »It was in the interest of the Viennese court and the Hungarian Catholic clergy to have as many faithful followers both in Transylvania and in Hungary as possible. However, the Armenians with their church-union were not seen important for some reasons. The Viennese court considered missionary activities among Armenians a matter of the Apostolic Holy See« (197).

Innerhalb der armenischen Community – Mitte des 18. Jh.s vier Pfarreien in Siebenbürgen – gestaltete sich die Union nicht konfliktfrei, wozu auch die Persönlichkeit des streng römisch denkenden Oxendio Virziresco beitrug: »First, the church-union meant exclusively the primacy of the Roman Pope. Second, the church-union did not clarify important issues such as the status and remuneration of the Uniate clergy, the marital status of Uniate priests (their marrige), the liturgic language, the issue of the calendar or the clarification of the dogmas in relation to the teachings approved by the Fourth Ecumenical Council of Chalcedon.« (199) Heute, wo es nicht nur den »Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium«, sondern auch das Dekret »Orientalium ecclesiarum« über die katholischen Ostkirchen des Zweiten Vatikanischen Konzils vom 21. November 1964 gibt, muss man mit der Priesterehe in den katholischen Ostkirchen die Probleme eines Bischofs Oxendio Virziresco nicht mehr haben. Im Dekret »Presbyterorum ordi- nis – Über den Dienst und das Leben der Priester« des II. Vatikanums vom 7. Dezember 1965 ist mit dem Blick auf die katholischen Ostkirchen davon die Rede, dass der Zölibat »vom Priestertum seinem Wesen nach nicht erfordert wird« (»Non exigitur a sacerdotio suapte natura«), wobei auf die Tradition dieser Kirchen (»ex traditione Ecclesiarum Orientalium«) und auf deren »höchst verdiente verheiratete Priester« (»Sunt etiam optime meriti Presbyteri coniugati«) verwiesen wird.

N. hat ein wissenschaftlich herausragendes Buch mit vielfältigen Perspektiven vorgelegt.