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Ausgabe:

Januar/2023

Spalte:

49-50

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Trimm, Charlie

Titel/Untertitel:

The Destruction of the Canaanites. God, Genocide, and Biblical Interpretation.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2022. 127 S. Kart. US$ 14,99. ISBN 9780802879622.

Rezensent:

Helge Bezold

Exegeten wie Laien ringen seit Langem um ein angemessenes Verständnis derjenigen alttestamentlichen Texte, die die Vernichtung der Kanaanäer anordnen bzw. darstellen. Charlie Trimm, der an der privaten Talbot School of Theology der Biola University in Kalifornien lehrt, will mit dem anzuzeigenden Büchlein keine »correct answer« (2) oder eine neue Deutung der Thematik, sondern eine allgemeinverständliche Annäherung an die Texte und ihre Auslegung bieten. Den Einstieg bildet ein reich bebilderter Ausflug in die Welt altorientalischer Kriegsdarstellungen (7–24). Dieser stellt ein Destillat von T.s Kompendium Fighting for the King and the Gods (SBL 2017) dar, das etwa 700 Seiten umfasst. T. betont, in Mesopotamien wurden Kriege stets im Auftrag und unter Beteiligung der Götter geführt. Zur Bewahrung der göttlichen Ordnung vor dem Chaos hätten Kriege und mitunter die Vernichtung der Feinde als legitime Gewaltakte gegolten. Zugleich gehörten Übertreibungen zum Standardrepertoire altorientalischer Kriegsrhetorik. Knapp diskutiert T. im Anschluss die Anwendbarkeit des Genozidbegriffs auf antike Texte (25–34), bevor er am Kanon des Alten Testaments entlang die Erwähnungen der Kanaanäer und der Bannweihe (hebr. ḥrm) abschreitet (35–46). Die Kapitel verschaffen dem Leser eine gute Übersicht, sind flüssig geschrieben und versammeln in den Fußnoten einschlägige Forschungsliteratur, doch entsteht bisweilen der (in historischer Sicht inkorrekte) Eindruck, die in den Texten konstruierte Unterscheidung von Israel und Kanaan sei ein Abbild realhistorischer Umstände.

Im zweiten Teil des Büchleins (47–94) diskutiert T. vier hermeneutische Zugänge bzw. Antwortmöglichkeiten auf das »Canaanite problem« (49): 1. Gott sei nicht gut. 2. Das Alte Testament sei kein »faithful record« (50). 3. Die Vernichtung der Kanaanäer sei womöglich metaphorisch gemeint (z. B. im Sinne von Abgrenzung). 4. Der Vernichtungsauftrag sei nur im Kontext der Landnahme gültig. Diese Auswahl an Deutungsvorschlägen deckt zweifellos ein breites Spektrum frommer bzw. kritischer Anfragen an die alttestamentlichen Texte ab. T. gelingt es, Stärken und Schwächen der verschiedenen Modelle nüchtern zu diskutieren und z. B. die Gefahren einer christologischen Relativierung des Alten Testaments mit Verweis auf den Geist Markions (60) klar zu benennen.

Dennoch ist zu bedauern, dass T. davor zurückscheut, seine eingangs bezeugte Kenntnis des Quellenmaterials für eine Kontextualisierung und Interpretation der alttestamentlichen Vorstellungen innerhalb altorientalischer Diskurse fruchtbar zu machen. Darüber hinaus macht es der Verzicht auf jede literarhistorische Differenzierung unmöglich, wahrzunehmen, dass bereits im Alten Testament selbst kontrovers diskutiert wurde, wie mit den Kanaanäern umzugehen sei. Besonders die in der exegetischen Forschung etablierte Annahme, dass sich spätere Texte wie die Tradition von der Verschonung Rahabs und ihrer Familie im Josuabuch kritisch mit älteren (vermutlich deuteronomistischen) Traditionen auseinandersetzen, hätte Erwähnung verdient. So bleibt T.s Beitrag, was er nach dem Vorwort sein soll: Eine erste Lektürehilfe für eine christliche Leserschaft, die bereit ist, sich kritisch mit schwierigen Texten des Alten Testaments auseinanderzusetzen.