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Ausgabe:

Januar/2023

Spalte:

32-34

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Logos Bible Software

Titel/Untertitel:

Logos 10 Platin (akademisch).

Verlag:

Bellingham, WA: Faithlife Corporation 2022. $ 1.799,99.

Rezensent:

Magnus Rabel

Mit der voranschreitenden Digitalisierung unseres Lebens hat auch die bibelwissenschaftliche Arbeit zunehmend digitale Unterstützung erhalten. Bereits früh wurde die Stuttgarter Elektronische Studienbibel, dann auch Bibleworks und Accordance für diesen Zweck entwickelt. In den letzten Jahren wurde Logos Biblesoftware zum Marktführer in diesem Bereich. Grund dafür sind einerseits umfangreiche Analysefunktionen für biblische Texte, andererseits eine große Vielfalt an theologischer Literatur, die über Logos in eine digital-durchsuchbare Bibliothek eingebunden ist. Mit dem im Oktober 2022 erschienenen Upgrade auf Logos 10 baut die Firma Faithlife ihren Vorsprung in diesem Segment weiter aus.

Seit der Einführung der Software in den deutschsprachigen Markt im Jahr 2016 haben Funktionsfülle und Umfang der Biblio-thek in Logos auf Deutsch beständig zugenommen. Mittlerweile findet sich im Sortiment eine gute Reihe an Lexika, Wörterbüchern, Kommentaren und Monographien für eine solide Analyse biblischer sowie außerbiblischer Texte. Mit Logos 10 werden nun beide Bereiche – die Funktionen sowie die Bibliothek – erweitert. Diese Erweiterungen können Nutzer in abgestuften Paketen für ihre Zwecke erwerben. Eine Besonderheit stellt die Einführung einer akademischen »Produktfamilie« dar, die speziell für bibelwissenschaftlich Arbeitende konzipiert ist.

Neben den bisher bereits vorhandenen Funktionen (z. B. Atlas, Übersetzungsvergleich, Wortstudie), die in dieser Rezension nicht besprochen werden können, stellt Logos 10 vornehmlich in vier Bereichen eine Neuerung dar: Rechengeschwindigkeit, Ressourcenfülle, Textverarbeitung und Suchsprache. (I) Zunächst war es eine der größten Schwierigkeiten für eine flüssige Logos-Nutzung, dass das Programm schlicht zu lange für seine Aufgaben benötigte. Selbst bei überaus gut ausgestatteter Hardware nahmen komplizierte Analysen teilweise Minuten in Anspruch. Mit einem Umstieg auf .NET 6 bzw. der nativen Unterstützung von Apples Silicon-Chips sind diese Schwierigkeiten nun überwiegend ausgemerzt. Für komplexe Arbeiten, die mehrere Suchanfragen verschränken oder die Konkordanz-Funktion nutzen, beansprucht das System teilweise immer noch etwas mehr Zeit. (II) Wie bei jeder Veröffentlichung einer neuen Logos-Version steht neben den neuen oder verbesserten Funktionen eine Reihe neuer Bücher zur Auswahl. Diese können entweder mit den Analysefunktionen von Logos oder aber ausschließlich als Bibliothekserweiterung erworben werden. Neu ist mit Logos 10 die Möglichkeit, die eigene Print-Bibliothek per ISBN-Barcode-Scanner einzupflegen. So wird jedes Buch im heimischen Regal, das einen Barcode trägt und im internationalen Logos-Buchbestand hinterlegt ist, in Logos-Suchanfragen integriert und mitdurchsucht. Logos gelingt damit erstmals eine Verzahnung von gedruckter und digitaler Bibliothek. Zuletzt (III) sei auf den Höhepunkt von Logos 10 hingewiesen: die Übersetzungsfunktion. Um alle auf Logos gekauften Bücher trotz möglicher Sprachbarriere erschließen zu können, wurde in dieser Version erstmals künstliche Intelligenz zur direkten Übersetzung von fremdsprachigen Texten eingesetzt. Mithilfe einer Programmeinbettung von DeepL und Google Translate lässt sich nun aus jeder neuzeitlichen Sprache in Sekundenschnelle eine deutsche Übersetzung erstellen. Eingefügt in eine extra Spalte kann der Nutzer so originalsprachliche Texte mit der maschinellen Übersetzung vergleichend studieren. Die Übersetzung ist – wie zu erwarten war – nicht perfekt. Zum Erschließen des groben Textsinns ist diese Möglichkeit aber durchaus hilfreich. Solch eine Funktion nun in Echtzeit vorliegen zu haben, stellt einen enormen Fortschritt in der Wahrnehmung fremdsprachlicher Forschungsdiskussionen und ihrer Ergebnisse dar; eine Weiterentwicklung, die in einer sich globalisierenden Welt nachdrücklich zu begrüßen ist.

Freilich wurde Logos ursprünglich für die Untersuchung biblischer Texte konzipiert. Hierfür wurde mit Logos 10 die Suchfunktion (IV) ebenfalls angepasst. Ziel sei eine vereinfachte Durchsuchbarkeit der Texte, was vor allem die Erweiterung von Suchmasken widerspiegelt. Doch obwohl eine Erleichterung der Recherche-Sprache für Logos lange nötig war, wurde hier keine entscheidende Erleichterung erzielt. Zwar wurden manche Zeichen (wie die geschweifte Klammer) eliminiert, doch ist die genaue Formulierung bei komplexen Suchanfragen noch immer schwer nachvollziehbar. Somit dauert es lange, bis man in der Lage ist, dem Programm die eigenen Fragen richtig zu stellen und es in seine Sprache zu übersetzen.

Betrachtet man die neuen Funktionen und Buchbestände im Gesamten, eröffnet sich ein ambivalentes Bild: Für eine akademische Version, die nach eigener Aussage an den Bedürfnissen der universitären Bibelwissenschaft interessiert ist, bietet der Buchumfang der zur Auswahl stehenden Pakete eine gewisse Unausgeglichenheit. Beispielsweise beinhaltet die Platin-Version ÖAB-Bibellesepläne aus den Jahren 2020–23 (also bereits zwei Jahre veraltet!) und das kleine Lexikon zur Lutherbibel; wichtige Werkzeuge für den täglichen wissenschaftlich-exegetischen Gebrauch wie das ThWQ oder das ThWNT müssen dagegen zu teils sehr hohen Preisen einzeln zugekauft werden. Diese Standardwerke oder auch die 18. Auflage des Gesenius-Wörterbuches sowie einflussreiche Werke wie die EKK- und HThKAT-Kommentarreihe wären als Teil von zukünftigen Paketen äußerst begrüßenswert. Positiv vermerkt sei hier die beginnende Einbeziehung von antiken Texten wie bspw. einige Werke der jüdischen Gelehrten Philo und Josephus. Nachdem bisher nur Teile der Loeb-Texte dieser Autoren vorlagen, sind nun erstmals auch dt. Übersetzungen auf Logos verfügbar. Einen nicht kleinen Wermutstropfen stellt jedoch die Provenienz dieser Übersetzungen dar. Bis auf wenige Ausnahmen stammen alle Texte aus gemeinfreien und zum Teil sehr veralteten Quellen, was eine akademische Benutzung gehörig einschränkt. Zitierfähige Texte wie die jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, die in alter und neuer Folge auf Logos vorhanden sind, müssen für hohe Summen zusätzlich erworben werden. Dennoch ist die Einbindung solcher Texte in Logos zu begrüßen!

Ein weiteres Desiderat ist neben der verbesserten Suchfunktion ein verständlich-kompaktes Handbuch, das aufführt, welche Suchanfragen in welcher Kombination mit welcher Suchsprache möglich sind. Obwohl Logos zweifellos hierin enorme Potenziale birgt, sind diese teilweise nur schwer oder mit hohem Zeitaufwand zur Eingewöhnung zu heben. Daran lässt sich sicher künftig arbeiten. Logos 10 zeigt hier erste Schritte in die richtige Richtung. Überraschend für ein akademisches Produkt sind dagegen Funktionen wie bspw. die sogenannte »erweiterte Zeitleiste«, die eine Art Zeitstrahl relevanter Ereignisse darstellen soll. Wer sich dort (und auch in anderen Funktionen wie dem »Faktenbuch«) einmal länger umschaut, bemerkt eine suggerierte Exaktheit geschichtlicher und literarischer Ereignisse, die mit Vorsicht zu genießen ist. So sei um 100 v. Chr. die Septuaginta »erstellt« worden (dort versehen mit dem Hinweis »spät«), zwischen 300 und 101 (!) v. Chr. seien die TestXII abgefasst worden, und 4QSAMb im 3./2. Jahrhundert v. Chr., 4QSAMa aber recht genau zwischen 50–25 v. Chr. Belegt sind diese Postulate jeweils nur dürftig.

Für mobile Endgeräte kommt in Logos 10 erfreulicherweise einiges Neues. Darunter die vereinfachte Lektüre von Büchern auf Tablets und die Integration des Apple Pencil. Dieser ermöglicht die visuelle Annotation von Texten, was besonders für den akademischen Unterricht gewinnbringend sein könnte. Außerdem lassen sich nun nahezu alle Texte per Text-to-Speech-Funktion zu einem – passabel vorgetragenen – Hörbuch umfunktionieren.

Ungeachtet mancher Desiderate bietet Logos mit der 10. Version ein Bibelprogramm, das nicht zufällig als Weltmarktführer auf dem Gebiet etabliert ist. Für diese Investition ist ein stolzer Preis zu entrichten. Durch einen »akademischen Rabatt«, für den sich jeder an einer akademischen Einrichtung Wirkende akkreditieren kann, wird der Preis etwas abgemildert. Wer bereits Logos 9 besitzt, könnte womöglich auch auf die genannten Neuerungen in 10 verzichten. Dieses und andere Programme werden wohl in den nächs-ten Jahren immer stärker ihren Platz in der bibelwissenschaftlichen Arbeit einnehmen; ein Fortschritt, der nur zu begrüßen ist! Darunter ist Logos bereits heute ein unersetzliches Werkzeug für die Erforschung dessen, was uns als Heilige Schrift gegeben ist.