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Ausgabe:

Dezember/2022

Spalte:

1243–1244

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Strähler, Reinhold

Titel/Untertitel:

Einfach und komplex zugleich. Konversionsprozesse und ihre Beurteilung.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2021. 152 S. Kart. EUR 19,00. ISBN 9783374069590.

Rezensent:

Detlef Hiller

Reinhold Strähler ist ein erfahrener Mitarbeiter einer Missionsorganisation. Er war 24 Jahre in Ostafrika und ist seit 2010 wieder in Deutschland tätig. Er hat einen theologischen Doktortitel von der University of South Africa (UNISA) mit dem Schwerpunkt Missionswissenschaft. Seine Abschlussarbeiten und Publikationen befassen sich alle mit der Konversion von Muslimen zum Christentum. Sein nun vorgelegtes Buch umfasst nur 152 Seiten, wovon etwa ein Drittel als Anhang anzusehen ist. Bereits der Blick in den Anhang, erst recht aber die Lektüre des Buches, macht dessen Mischcharakter deutlich: Es geht erstens um einen allgemeinen Überblick über das Gebiet der Konversionsforschung, zweitens um den Versuch, den Konversionsprozess (von Muslimen!) analytisch zu beschreiben, drittens darum, Mitarbeiter christlicher Werke und Gemeinden anzuleiten, wie mit Konversionserzählungen umzugehen ist, und viertens um die Vorlage von Hilfsmaterial für Entscheider in Asylprozessen. Es nimmt angesichts dieser Mischung nicht wunder, dass wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Anspruch miteinander in einen Konflikt geraten. S. entscheidet sich zuguns-ten des populärwissenschaftlichen Ansatzes, was sowohl positive als auch negative Folgen hat:

Positiv ist die gebrauchsfreundliche Struktur: So macht (1) ein kleinteiliges und doch übersichtliches Inhaltsverzeichnis die schnelle Konsultation möglich; (2) der Anfang des Buches beinhaltet ein Kapitel für »eilige Leser«, das tatsächlich alles Wesentliche zusammenfasst und (3) der Anhang ermöglicht den Gebrauch des Buches als Arbeitsbuch. Problematisch am populärwissenschaftlichen Ansatz sind dagegen die folgenden Punkte:

1. Strähler geht ohne weitere Problematisierung von einem ex-klusiven Konversionsverständnis aus: »Um im christlichen Verständnis von einer Konversion sprechen zu können, muss eine Person glauben, dass Jesus Christus der einzige Weg zu Gott ist, und gleichzeitig ihr Vertrauen in Jesus Christus setzen.« (57, Hervorh. D. H.) Ein eher pluralistisches oder inklusives Christentum könnte nach dieser Definition keine Konversion erleben. Ein Standpunkt, der insbesondere von katholischer Seite abgelehnt werden dürfte, denn dort kennt man Bekehrungen zum christlichen Glauben, ohne dabei – ganz im Sinne von Lumen Gentium (Abschnitt 16) – die exklusive Sicht der Heilsaneignung zu teilen.

2. S. setzt voraus, dass Gott tatsächlich übernatürlich in Konversionsprozesse eingreift. Er fragt nicht, ob und warum Betroffene so empfinden, als sei in ihrem Leben eine externe Kraft wirksam geworden, sondern er fragt nur, wo genau und wie stark Gott wirksam war (vgl. z. B. Kapitel 2.4.3: »Der Einfluss Gottes und menschliche Einflüsse«, 38 f. oder z. B. die Beschreibung von »übernatürlichen Erfahrungen«, 62). Diese Auffassung von Wirksamkeit und Erfahrbarkeit Gottes, die Gläubige gerne teilen, ist jedoch bekanntermaßen nicht zu beweisen und kann daher wissenschaftlich auch nicht vorausgesetzt werden. S. wendet sich hier stillschweigend vom Prinzip des etsi deus non daretur ab (nur das »Geleitwort« von D. Greiner spricht dieses Themenfeld zumindest an, 5).

3. S.s Methodik wird nicht beschrieben und begründet. Dies mag in seiner Dissertation, auf die er immer wieder Bezug nimmt, geschehen sein, fehlt hier aber. So kommt es, dass vieles, was an Analyse und Prozess beschrieben und in Form von Illustrationen verdeutlicht wird, holzschnittartig und komplexitätsreduziert wirkt. Genau das mag hilfreich sein für die Mitarbeiter in Gemeinden oder die Entscheider, um sich dem Phänomen »Konversion« zu nähern, aber wissenschaftlich entfaltet diese Vorgehensweise wenig Überzeugungskraft.

Trotz dieser Kritik am populärwissenschaftlichen Ansatz ist das Buch thematisch wichtig. Denn die Tatsache, dass eine beträchtliche Zahl muslimischer Migranten in Deutschland konvertieren und getauft werden will und damit auch Ansprüche auf Asyl verbindet, stellt Gemeinden und Behörden vor die Herausforderung, sich eine Meinung zum Thema der Bekehrung zum christlichen Glauben zu bilden – ein Thema, das hierzulande aufgrund volkskirchlicher Tradition selbst in christlichen Kreisen geradezu tabuisiert war. Entsprechend groß ist der Lernbedarf. Daher ist es verdienstlich, wenn hier Informationen und Hintergrundwissen in verständlicher Form vermittelt werden.