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Ausgabe:

Dezember/2022

Spalte:

1242–1243

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Repp, Martin [Hg.]

Titel/Untertitel:

Theologische Ausbildung im Zeitalter zunehmender Globalisierung. Ökumenische und interreligiöse Studienprogramme in Indien, Israel, Japan und dem Libanon. Hg. im Auftrag der Evangelischen Mission in Solidarität und des Zentrums Oekumene der EKHN und EKKW.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2022. 193 S. Kart. EUR 24,00. ISBN 9783374070077.

Rezensent:

Stefan S. Jäger

Die Tatsache, dass Prozesse der Globalisierung in mehrfacher Hinsicht den Horizont theologischer Aus- und Weiterbildung im 21. Jh. bilden, dürfte mittlerweile zum common sense gehören. Die Diskussion darüber, wie dies auch curricular in der theologischen Aus- und Weiterbildung (noch stärker) implementiert werden kann, ist jedoch in vollem Gang. Das gilt sowohl für Lehrangebote und Prüfungsordnungen an theologischen Fakultäten als auch für außeruniversitäre Bildungs- und Studiengänge. In diesem Zusammenhang bietet der nun vorliegende und von Martin Repp herausgegebene Band einen wichtigen Beitrag, da er bereits bestehende internationale Studienprogramme zu interkultureller und interreligiöser Begegnung in der Ökumene vorstellt, die darin gesammelten Erfahrungen auswertet und Perspektiven für die Zukunft aufzeigt.

Der Band geht auf eine Fachtagung der im Untertitel genannten Institutionen in Kirche und Mission zurück, die 2019 in Frankfurt am Main stattfand. Die Beiträge der insgesamt 19 Autorinnen und Autoren verstärken laut Herausgeber die auf der Konferenz vertretene These, »dass die gezielte Förderung interkultureller, ökumenischer und interreligiöser Studienprogramme in Zeiten zunehmender Globalisierung das Gebot der Stunde darstellt« (8). Analog zur Tagung gliedert sich der Berichtsband in vier Hauptteile. Zunächst werden die jeweiligen Studienprogramme im Libanon (Uwe Gräbe, Andreas Herrmann), in Indien (Johny Thonipara), Japan (Tetsuo Miyasho, Peter Knecht SVD) und Israel (Bernd Schröder) vorgestellt (27–70), die durch bewährte ökumenische Kooperationen ermöglicht werden. Im zweiten Teil berichten Alumni über ihre durch die jeweiligen Studienprogramme gewonnenen Erfahrungen und Einsichten (71–99). Der dritte Hauptteil enthält zwei programmatische Beiträge von Dionisie Arion und Martin Repp über »Die Bedeutung der interreligiösen und interkulturellen Studienprogramme für multireligiöse Gesellschaften in einer globalisierten Welt« (101–128), gefolgt von theologischen Grundsatzüberlegungen zur Globalisierung im vierten Hauptteil (129–166). Hier betont Peniel Rajkumar (Programmdirektor des ÖRK für interreligiösen Dialog) die Notwendigkeit der Entwicklung interreligiöser (Gast-)Freundschaft, Packiam Samuel behandelt das Thema interreligiöser Konvivenz und Kooperation und Samuel Benjamin geht auf aktuelle Entwicklungen einer ökumenischen Missionswissenschaft ein. Den Abschluss bildet eine »Biblische Meditation zu globalisierter theologischer Ausbildung« von Lutz Drescher. In einem Anhang bietet M. Repp die Zusammenfassung der »Evaluierung des Interreligious Studies in Japan Program (ISJP) 2002–2017 am NCC Center for the Study of Japanese Religions in Kyoto« (173–190).

Entscheidende Aspekte der Studienprogramme stellen die Lernorte – die alle außerhalb Europas liegen! – dar, die Dauer der Aufenthalte (zwischen sechs Monaten und einem Jahr) sowie die Gestaltung der Studienprogramme, die neben theoretischem Unterricht vor allem die Begegnung mit Christinnen und Christen vor Ort sowie mit Vertretern anderer Religionen und Fieldtrips beinhalten. Hier stellen sich mitunter wichtige Veränderungen im Denken aufgrund dieser Erfahrungen im Ausland ein. Ebenso sind Vertreter anderer Religionen an den Lehrangeboten aktiv beteiligt, die so eine emische Perspektive vermitteln können.

Dass gerade im Bereich der interkulturellen Kommunikation und des interreligiösen Dialogs neben theoretischen Einsichten und Sprachkenntnissen vor allem die persönlichen Begegnungen und Erfahrungen in außereuropäischen Kontexten notwendig sind, um wesentliche Erkenntnisprozesse und Haltungen zu generieren, ist die Grundüberzeugung der in vorliegendem Band vorgestellten Programme. Das Fazit, das Bernd Schröder in seinem Beitrag zum theologischen Studienjahr in Israel zieht, kann auch für die übrigen Lernorte gelten: »Was man in einem solchen Studienjahr lernen und erfahren kann, ist hilfreich – um nicht zu sagen: unverzichtbar – für die Wahrnehmung jedweder theologischer Verantwortung in religiös-weltanschaulich pluralen Gesellschaften.« (70) Zugleich fordert der Band dazu auf, die interkulturellen, interreligiösen und ökumenischen Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen der Teilnehmenden entsprechender Studienprogramme nach deren Rückkehr in ihre Heimatkirchen noch besser als bisher zu nutzen.

Die hier vorgestellten Erfahrungen und grundsätzlichen Erwägungen im Blick auf Globalisierungsprozesse und deren Implikate für Theologie und Kirche geben wichtige Impulse für die Gestaltung künftiger theologischer sowie religions- und gemeindepädagogischer Ausbildung. Sie erinnern daran, dass eine globale und ökumenische Perspektive dem christlichen Glauben zwar grundsätzlich von Anfang an eingestiftet ist, diese aber je neu gewonnen und gestaltet werden muss.