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Ausgabe:

Dezember/2022

Spalte:

1237–1238

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Dube, Musa W., and Paul L. Leshota [Eds.]

Titel/Untertitel:

Breaking the Master's S.H.I.T. Holes. Doing Theology in the Context of Global Migration.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2020. 260 S. = Contact Zone. Explorations in Intercultural Theology, 25. Kart. EUR 44,00. ISBN 9783374066889.

Rezensent:

Sophia Omokanye

Als Theologen mit neutestamentlichem und praktisch-theologischem Hintergrund bringen Musa Dube und Paul Leshota mit »Breaking the Master’s S.H.I.T. Holes« eine historisch und kontextuell geprägte Hermeneutik auf die Bühne, die Migrationsnarrative in Bezug auf ihre machtvolle und machtlose Wirkweise auf den Prüfstand stellt. Zunächst lässt sich das Werk im Rahmen von theologischen Bemühungen einordnen, die Migration nicht nur historisch verorten, sondern an biblische Narrative rückknüpfen. Als hermeneutischer Diskurs zielt »Breaking the Master’s S.H.I.T. Holes« darauf ab, Migrationsnarrative in ihrer Komplexität zu verstehen und sich für eine Haltung der Gastfreundschaft in Bezug auf Migrierende und die Erde als Weltgemeinschaft auszusprechen. Migration wird dementsprechend als ein immer dagewesenes Phänomen und eine bereits zu frühchristlichen Zeiten etablierte Praxis gedacht. Folglich werden jegliche theologischen Unternehmungen, als schon immer von einer Migrationsperspektive unterlaufen, ausgewiesen.

Einleitend begegnen die beiden Herausgeber der Trump-Präsidentschaft geschuldeten Charakterisierung diverser afrikanischer Nationen als Shitholes mit kreativ exegetischem und sprachlich kunstvollem Widerstand, indem sie die Wortwahl der Shitholes als Löcher bezeichnen, denen zuerst etwas entnommen wurde, bevor sie mit neuem Inhalt – shit – befüllt wurden. Damit verweisen Dube und Leshota auf die kolonialgeschichtlichen Vergehen an Afrika und erinnern, dass der Wohlstand des globalen Nordens leere Löcher zurücklässt, die paradoxerweise von politischen Vertretern der nördlichen Hemisphäre als Shitholes bezeichnet werden. Derartige (sprachliche) Vergehen resultieren der Autorin und dem Autor zufolge erst recht im Wunsch, diese als Shitholes bezeichneten Orte zu verlassen, und lässt Migrationsbewegungen geradezu erwarten.

Die Beiträge des Bandes folgen dem Thema, Migration im theologischen Kontext des Lesens der Schrift zu untersuchen und Theologie basierend auf individuellen Migrationserfahrungen zu betreiben. Die einzelnen Texte folgen einem Aufbau, der zunächst eine Reflexion des je eigenen Migrationskontextes in den neuen Aufnahmegesellschaften vorschaltet. Damit werden individuelle Migrationserfahrungen und subjektive Migrationsbiografien zum Ausgangspunkt des Theologietreibens. Die Beiträge lassen sich fünf Teilabschnitten des Werkes zuordnen: Dem (1) Lesen biblischer Texte im Lichte historischer Migrationsprozesse mit Bezug auf aktuelle Diasporakontexte, dem (2) Entwerfen von Migrationstheologien, der (3) Analyse von Gender, Rasse und Klasse in Verschränkungen mit Diasporakontexten, der (4) Relation von Migration und Religion in afrikanischer Literatur und (5) einem Theologietreiben, das bewusst Rücksicht auf die Stimme der Erde in Umweltperspektiven nimmt. Die Struktur des Buches folgt einem logischen Aufbau ausgehend von biblischen Narrativen hin zu theologischen Reflexionen in Bezug auf die Umwelt. Als Leserin sind vor allem die offensichtlich klar an die Autoren des Buches übermittelten Vorgaben zu honorieren, welche die Herangehensweise der Selbstreflexion zum Motiv des Buches werden lassen.

Das Herzstück des Buches verorte ich im zweiten Abschnitt des Buches, in dem die Herausgeber ihre Migrationstheologien ausgehend von Motiven der Gastfreundschaft und des postkolonialen Feminismus entwerfen. Zudem hebe ich Musa W. Dubes Beitrag aus dem ersten Teil des Buches mit dem Titel »Which Traveler are You (John 1,1–18)« aufgrund seiner stilistischen Originalität und meis-terhafter Verknüpfung einer selbstreflexiven Herangehensweise mit theologischen Argumenten besonders hervor. In beeindruckender Weise arbeitet die Autorin ihre eigene Migrationserfahrung anhand einer Kartierung persönlicher und kollektiver Migrationsnarrative von aus Botswana emigrierenden Menschen auf. Ausgehend vom Schrifttext Johannes 1,1–18 und der darin agierenden Migrationsnarrative des Wort Gottes und Johannes des Täufers, befragt sie sich selbst und ihre Leser, welchem Migrationsnarrativ zwischen Macht und Ohnmacht sich diese zuordnen. In stilistisch kunstvollen Ausdrücken der englischen Sprache weist die Autorin im Gegenüber von machtvollen weißen Migrationsbiografien ihre eigene Migrationsbiografie als machtloses Narrativ aus und reflektiert im Anschluss an die Erkenntnis ungleicher Machtverhältnisse in Bezug auf Migrationsnarrative ihren eigenen Zugang zum biblischen Text des Johannesevangeliums. Musa Dube schlussfolgert, wie der Text sie dazu einlädt, ihre machtlos-gemachte Migrationsbiografie in machtvollen Narrativen zu verorten.

»Breaking the Master’s S.H.I.T. Holes« stößt einen spannenden Diskurs an, der es erlaubt, eigene Migrationserfahrungen selbstreflexiv in migrationstheologische Überlegungen einzuarbeiten. Dieser Zugang bietet großes Potential, individuelle Migrationsbiografien und Stimmen Migrierender zum Ausgangspunkt theologischen Reflektierens zu machen. Diese Art und Weise des Theologieproduzierens verleiht Ergebnissen eine nicht anders einzuholende Authentizität, die Forscher sowie Forscherinnen und ihren Erfahrungsraum zum Sprachrohr theologischer Argumentation werden lässt.