Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2022

Spalte:

1174–1176

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Berlin, Andrea M., and Paul J. Kosmin [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Middle Maccabees. Archaeology, History, and the Rise of the Hasmonean Kingdom.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature 2021. 522 S. = Archaeology and Biblical Studies, 27. Geb. US$ 93,00. ISBN 9780884145035.

Rezensent:

Michael Tilly

Der hier zu besprechende interdisziplinäre Sammelband zur Geschichte der Entstehung und Konsolidierung der Hasmonäerherrschaft in Jerusalem und Judäa während der Jahrzehnte vom Tod des Judas Makkabäus bis zum Ende der Regentschaft des Johannes Hyrkanus I. (ca. 160–104 v. Chr.), die von den Herausgebern in ihrem Vorwort (1–7) als »period of the middle Maccabees« bezeichnet werden (1), enthält insgesamt 22 Beiträge zu unterschiedlichen Gesichtspunkten dieser ebenso bedeutenden wie folgenreichen Epoche der jüngeren Geschichte Israels.

Der erste Buchteil thematisiert die materiellen (archäologi-schen, epigraphischen und numismatischen) Funde und Befunde, mittels derer sich zahlreiche Aspekte der Lebensgestaltung, Gesellschaft und Kultur während der fraglichen Zeitspanne rekonstruieren lassen. Andrea M. Berlin (11–16) weist zunächst auf die Bedeutung sowohl der einheimischen und importierten Keramikobjekte als auch der Münzen als »identity-signaling objects« hin (16). Nitsan Shalom und sein Team bieten einen instruktiven Abriss der Stadtentwicklung Jerusalems von der Achämenidenzeit bis zum Ende des 2. Jh.s v. Chr. (17–36). Ayala Zilberstein (37–52) fragt nach Verbindungslinien zwischen den Architekturfunden auf dem Gelände des ehemaligen Givati-Parkplatzes am südöstlichen Rand der Jerusalemer Altstadt und dem Standort der seleukidischen Akra. Dvir Raviv (53–72) befasst sich mit der Siedlungsgeschichte des nördlichen judäischen Berglandes und Südsamarias. Der archäologische Befund stütze seines Erachtens die Annahme, die Region sei von einer »mixed population, in which the Jewish element was dominant«, bewohnt gewesen (72). Débora Sandhaus (73–90) widmet sich Besiedlung und Grenzen der Schefela, Judäas »rural hinterland« zwischen dem Bergland und der Küstenebene (88), in deren Struktur und Verlauf sich die Expansionspolitik des Hasmonäerreiches deutlich widerspiegele.

Uzi ‛Ads Beitrag (91–106) konzentriert sich auf die südliche Küstenebene. Er zeigt auf, dass die typische Siedlungsstruktur entlang der Mittelmeerküste durch befestigte Städte und ihre Filialsiedlungen (»cluster model«), im Binnenland hingegen durch Wohnbebauung entlang der wichtigsten Verkehrswege und -kreu- zungen (»linear model«) gekennzeichnet sei (104 f.). Yehiel Zelinger (107–121) untersucht die Reste landwirtschaftlicher Siedlungsstrukturen östlich der zentralisraelitischen Stadt Lod: »The archaeo-logical finds provide material contours for the earliest phases of Hasmonean expansion into the Lod foothills and the plain of Sharon.« (120) Zwei Aufsätze nehmen den Norden des Landes in den Blick. Während Uzi Leibner (123–144) die Befunde der relevanten Ausgrabungen und Geländeerkundungen in Untergaliläa mit den einschlägigen literarischen Quellen vergleicht, behandelt Andrea M. Berlin (145–175) die Siedlungsgeschichte des obergaliläischen Hügellandes, wobei ein deutlicher Schwerpunkt auf dem wechselhaften Geschick der alten Leviten- und Asylstadt Kedesch liegt.

Drei Beiträge nutzen die Numismatik und Sphragistik zur Datierung und Identifizierung hasmonäischer Siedlungen und ihrer Bewohner. Danny Syon (177–192) erkennt in der Menge und Verbreitung früher hasmonäischer Münzprägungen in Galiläa einen deutlichen Hinweis auf die dauerhafte Anwesenheit von Judäern: »The distribution of Hasmonean coins, beginning sometime after circa 125 BCE, suggests that Galilee and the Golan became inhab-ited by Jews to a considerable extent.« (189) Gerald Finkielsztejn (193–214) analysiert die Verteilung von – mit Stempelmarken auf einem Henkel versehenen – rhodischen Weinamphoren in Israel: »Imported stamped amphora handles […] provide a clear picture of the order and dates of the territorial conquests of John Hyrcanus I.« (203) Donald T. Ariel (215–239) sieht in den Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Emblematik Jerusalemer Münzprägungen von Antiochus VI. Sidetes bis Johannes Hyrkanus I. Reflexe einer »numismatic transition from imperial hegemony to autonomy in Judea« (215).

Der zweite Teil des Buches betrachtet den Aufstieg der Hasmonäer vor dem Hintergrund des zeitgenössischen politischen Machtgefüges im östlichen Mittelmeerraum. Paul J. Kosmins konziser Überblicksdarstellung der politischen Verhältnisse, Beziehungen und Entwicklungen in der südlichen Levante (243–256) folgt Sylvie Honigmans Essay (257–267), in dem die im 2. Jh. v. Chr. ausbrechenden Konflikte zwischen den Judäern und den Bewohnern der Küstenstädte als Resultat einer bereits viele Jahrzehnte zuvor entstandenen strukturellen Instabilität der seleukidischen Provinz gedeutet werden. Altay Coşkun (269–291) legt eine hilfreiche Darstellung der Verläufe und der historischen Kontexte der wiederholten Thronstreitigkeiten im Seleukidenreich von Demetrius I. Soter bis Antiochus IV. Sidetes vor. Während Chris-telle Fischer-Bovet (293–310) die politischen und militärischen Interventionsversuche des Ptolemaios VI. Philometor und des Ptolemaios VIII. Euergetes nachzeichnet, welche zunächst auf das Niederringen des Seleukidenreiches und eine Rückeroberung Judäas abzielten, vergegenständliche sich diese versuchte antiseleukidische Einflussnahme für Catharine Lorber (311–330) in den ptolemäischen Münzprägungen im seleukidischen Koilesyrien, die eine finanzielle Unterstützung der aufständischen Makkabäerbrüder durch den ägyptischen Herrscher nahelegten. In Duncan E. McRaes Beitrag (331–345) werden die diplomatischen Beziehungen der Hasmonäerherrscher mit der antiken Hegemonialmacht Rom im Spiegel des 1. Makkabäerbuches beleuchtet: »1 Maccabees offers an example of Jews convincing themselves of Roman imperial power and adapting themselves to it.« (345)

Im dritten Buchteil geht es um literarische Reflexe der »middle Maccabees« im antiken jüdischen Schrifttum. Benedikt Eckhardt (349–362) macht auf die bewusst kontrastierende Gegenüberstellung der Makkabäerbrüder als – ebenso legitime wie beispielhafte – Anführer des judäischen Volkes und der Seleukidenherrscher als Negativbeispiele hellenistischer Monarchen im 1. Makkabäerbuch aufmerksam. Jutta Jokiranta (363–378) erblickt in einem Text aus der Wüste Juda (Passage aus der Gemeinschaftsregel; 4QSE bzw. 4Q249a) einen priesterlich orientierten Gegenentwurf zur hasmonäischen Herrschaftsrepräsentation. Im letzten Beitrag des Sammelbandes unterstreicht Erich S. Gruen (379–390) die Übereinstimmungen in der Wahrnehmung des Imperium Romanum sowohl im 1. Makkabäerbuch als auch in den Schriftrollen vom Toten Meer und in der apokalyptischen Literatur: »They exhibit disquietude and apprehension, indeed aversion and horror, and such reactions must play part if we are to assess the image of Rome as refracted through the prisms of Jews.« (390) Zusammenfassenden Schlussbemerkungen der Herausgeber (391–407) folgen eine Bibliographie (409–476), kurze biographische Angaben zu den beteiligten Autoren (477–478), sowie Verzeichnisse der Quellen (479–488), antiken Namen (489–492) und Orte (493–498).

Gerade durch seine durchweg hermeneutisch reflektierte und methodisch fundierte Verknüpfung literarischer und archäologischer Quellen und Methoden, welche jede vorschnelle Historisierung der antiken Texte vermeidet und mittels ebenso abwägender wie aufmerksamer Analysen und Interpretationen wichtige Gesichtspunkte der frühen Hasmonäerherrschaft erhellt, kann das vorliegende Sammelwerk als ein bedeutender Beitrag zur Geschichte des Judentums während der hellenistisch-römischen Zeit gelten.