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Ausgabe:

November/2022

Spalte:

1042–1044

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Longarino, Joseph

Titel/Untertitel:

Pauline Theology and the Problem of Death.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. XV, 195 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 558. Kart. EUR 74,00. ISBN 9783161606762.

Rezensent:

Karl-Heinrich Ostmeyer

Bei dem hier zu besprechenden Werk von Joseph Longarino handelt es sich um die überarbeitete Fassung seiner unter D. Campbell an der Duke University im Jahre 2019 abgeschlossenen Disserta-tion.

L. widmet sich der nach seiner Auffassung zu wenig behandelten Frage nach dem Grund für den Fortbestand des physischen Todes auch für Christusgläubige nach ihrer Erlösung durch die Heilstat Christi. Anknüpfend an dieses Phänomen ist laut L. zu untersuchen, welcher Zweck und welche Funktion der Sterblichkeit der Christen im Heilsplan Gottes zukommen. Wie kann es sein, dass dem Tod in der durch Christus und den Geist bestimmten Schöpfung weiter ein Platz eingeräumt wird?

Am Anfang der in sich stringenten Analyse L.s steht eine ausführliche Besprechung der von ihm als wichtig erkannten Theologen seit dem Ausgang des vorletzten Jahrhunderts (3–59). Von diesen Repräsentanten der theologischen Forschung seien hier pars pro toto A. Schweitzer, R. Bultmann, E. Käsemann und schließlich J. Beker und M. C. de Boer genannt. Bei allen Fortschritten mit Blick auf Teilaspekte habe doch laut L. keiner der genannten Theologen eine allseits befriedigende Antwort auf die eingangs formulierten Fragen nach dem Grund und Zweck des Sterbens der Christusgläubigen geben können. Seit den wichtigen Studien Bekers und de Boers vom Ende der 1980er Jahre habe sich in der zur Debatte stehenden Frage nichts Entscheidendes mehr getan (53). Hier setzt L.s Arbeit an.

Im zweiten Hauptkapitel seiner Studie widmet sich L. dem Zusammenhang von Sünde und Tod (60–110). Wenn die Sünde für die Gläubigen durch den Kreuzestod Jesu endgültig besiegt ist, wie kann dann der mit der vernichteten Sünde untrennbar verbundene Tod weiter wirkmächtig sein? L. unterscheidet zwischen dem eschatologischen Tod, dem die Gläubigen durch die Heilstat Christi nicht mehr unterworfen sind, und dem physischen Tod, den auch Christen weiterhin sterben (108 f.). Seine Schlüsse gründen sich an dieser Stelle schwerpunktmäßig auf Phil 2,7 und Röm 5–8. Wiederholt heißt es (112.118.122), Jesus sei geworden, was wir sind (Phil 2,7), sodass wir werden, was er ist (Röm 6,5).

Leitthema des dritten Kapitels (111–123) ist das Verhältnis von Sünde und Christusereignis. Hier stellt L. die menschlich-irdische Seite Christi in den Mittelpunkt. Christus sei der Einzige gewesen, der im Fleisch nicht gesündigt habe und der nicht den an das Fleisch gekoppelten Begierden und Leidenschaften und der Neigung zur Sünde verfallen sei (97.110). Als Sündloser habe er Sünde und Tod endgültig besiegt. Dadurch, dass Christus und der Geist in den Gläubigen wohnen, vermögen sie, sich der Sünde zu erwehren. Die Sünde versteht L. dezidiert nicht als externe, sondern als eine innere Macht.

Im letzten Kapitel (123–156) bemüht sich L., dem Tod in der Argumentation des Paulus eine positive und letztlich heilsame Funktion beizumessen. Ein argumentativer Aufhänger ist für L. dabei Abraham. Er hielt trotz der »Abgestorbenheit« der Leiber des Erzelternpaars an seinem Glauben an die göttliche Verheißung fest (Röm 4,19). L. versteht den Tod als Medium der engen Begegnung Gottes mit den Christen und der Gläubigen untereinander. Im Leiden und im Sterben werden sie Christus ähnlich.

L. bündelt die Ergebnisse seiner anregenden Studie in einer Zusammenfassung (157–161), die er mit einem kurzen Ausblick auf den weiteren Verlauf der Forschung beschließt (161–163). Verschiedene Register (179–195) ermöglichen den gezielten Zugriff auf Einzelfragen innerhalb der Studie.

Wenn, wie von L. vorgeschlagen, dem Tod für Christen eine Heilsfunktion zukommt, stellt sich dem Rezensenten die Frage, ob Röm 4,19 als hier stark gemachter Nebenaspekt der paulinischen Korrespondenz die Last der Argumentation L.s mit seiner positiven Wertung des physischen Todes zu tragen vermag. Weiter ist zu fragen, ob mit Blick auf die genannte Wertung nicht diejenigen Gläubigen einen Nachteil haben, die zum Zeitpunkt der Parusie noch leben und folglich die wichtige Todeserfahrung als Medium der Begegnung mit Gott nicht machen dürfen?

Wer der Argumentation L.s im Detail folgt, wird zu einer nachvollziehbaren Lösung für das Problem des Fortbestehens des Todes auch für Christusgläubige geführt. Wer allerdings vom vorgezeichneten Weg an der ein oder anderen Stelle abweicht, wird das vorgeschlagene Ziel nicht erreichen. Zu denken gibt, dass die von L. als zentral erachtete Frage nach der Sterblichkeit der Christen von Paulus selbst, wie L. wiederholt einräumt (157.160), nicht gestellt wurde, und das, obwohl dem Apostel das Phänomen des Sterbens der Gläubigen durchaus vertraut war (1Thess 4,14–17; 1Kor 11,30; 15,18.51 f.). Vielleicht meinte Paulus auch, solche und ähnliche Fragen mit Röm 8,18 und 14,8 f. zur Genüge beantwortet zu haben.