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Ausgabe:

November/2022

Spalte:

1038–1040

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Stiglmair, Arnold

Titel/Untertitel:

Die Bücher Haggai, Sacharja, Maleachi.

Verlag:

Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 2020. 255 S. m. Abb. = Neuer Stuttgarter Kommentar – Altes Testament, 26. Kart. EUR 27,90. ISBN 9783460072619.

Rezensent:

Rainer Kessler

Die seit 1992 im Erscheinen begriffene Kommentarreihe des NSK.AT »versteht sich als wissenschaftlich fundierter Kommentar in einer für Laien verständlichen Sprache« (Klappentext). Mit der Auslegung der letzten drei Schriften des Zwölfprophetenbuches ist nun die Kommentierung des Alten Testaments nahezu abgeschlossen. Betraut wurde mit ihr Arnold Stiglmaier, der von 1975 bis 2013 als Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen in Südtirol lehrte.

Die drei nachexilischen Prophetenbücher Haggai, Sacharja und Maleachi liegen damit in einer vierten deutschsprachigen Kommentierung vor, die sich gezielt an eine nicht unbedingt des Hebräischen kundige Leserschaft richtet und dennoch wissenschaftlich fundiert ist (nach Alfons Deissler in der Neuen Echter Bibel [NEB] 1988, Henning Graf Reventlow im Alten Testament Deutsch 1993 und Ina Willi-Plein im Zürcher Bibelkommentar 2007). Als letzter in dieser Abfolge kann S. die in jüngster Zeit erschienenen wissenschaftlichen Kommentare in den Reihen von Biblischem Kommentar, Herders Theologischem Kommentar und dem In- ternationalen Exegetischen Kommentar zum Alten Testament (IEKAT) verarbeiten. Die Leserschaft erhält so eine auf dem aktuellen Stand der Forschung stehende Auslegung.

S. ist nicht krampfhaft um Originalität bemüht. Er nutzt die Ergebnisse der großen wissenschaftlichen Kommentare und folgt ihnen, wo es ihm plausibel scheint, ohne sich sklavisch einer bestimmten Position anzuschließen. Sein eigenes Urteil wird immer deutlich sichtbar.

Dem Profil der Reihe entsprechend orientiert sich die Auslegung weitgehend am Endtext. Trotzdem wird die historische Dimension der Textgenese nicht ausgeblendet. Für Haggai nimmt S. eine dreistufige Entstehung an: eine Grundschicht mit Worten, die die Überlieferung dem Propheten zuschreibt, eine chronologisch-erzählende Redaktion sowie Fortschreibungen, die die universale Völkerthematik einbringen. Bei Sacharja übernimmt S. den allgemeinen Konsens, wonach die drei Teile Kap. 1–8; 9–11 und 12–14 unterschiedlichen Epochen der nachexilischen Geschichte Israels entstammen. Innerhalb von Sach 1–8 geht er von einer Verschriftungsphase, zwei Fortschreibungsphasen sowie Nachträgen aus; zu Sach 9–11 und 12–14 begnügt er sich mit der Auskunft, dass »[d]ie Entstehung der beiden letzten Teile der Sacharja-Schrift […] sehr schwierig nachzuzeichnen« sei (61). Zu Maleachi schließt S. sich den neueren Kommentaren (einschließlich dem von Aaron Schart im IEKAT von 2020, den er noch nicht kennen konnte) an, die die gelegentlich vorgetragene Auffassung, Maleachi sei als blo-ßer Anhang zu Sacharja entstanden, zurückweisen. Auch für S. stellt Maleachi eine ursprünglich selbständige Prophetenschrift dar, die später in das Zwölfprophetenbuch eingefügt wurde. S. lässt durchblicken, dass er mit redaktionellen Zusätzen in Maleachi rechnet, verliert sich aber nicht in Diskussionen über strittige Abgrenzungsfragen. Nur bei den Schlussversen Mal 3,22–24 geht er mit den meisten von einer späteren zweistufigen Entstehung aus.

Wie im NSK.AT üblich, ist der Auslegung keine Übersetzung beigegeben. Stattdessen wird auf die Einheitsübersetzung (EÜ, in der Fassung von 2016) zurückgegriffen, die aber anders als in der NEB nicht mit abgedruckt ist. Das gibt S. die Gelegenheit, sich durchaus häufig von ihr zu distanzieren. Das geschieht nicht nur, indem alternative Übersetzungsmöglichkeiten diskutiert werden, sondern auch in deutlichen Urteilen wie: »dürfte […] die Wiedergabe des hebräischen Textes durch EÜ kaum zutreffen« (196) oder »EÜ gibt den Text nicht richtig wieder« (233).

Die abschnittsweise vorgetragene Auslegung enthält sich extravaganter Positionen, die gelegentlich in der Forschung vertreten werden. Neben der Sacherklärung legt sie großes Gewicht auf die theologische Dimension des Textes. Zentrale Kategorie ist die des »Gottesglaubens«. Mit ihrer Hilfe charakterisiert S. die drei von ihm kommentierten Schriften: »Die Prophetenschriften Haggai, Sacharja und Maleachi dokumentieren, wie prophetische Kreise in der sehr schwierigen Phase der Selbstfindung der JHWH-Gemeinde von Jerusalem aus der Perspektive ihres Gottesglaubens um die Zukunft dieser Gemeinschaft gerungen haben« (5). Worin dieser Gottesglaube im Einzelnen besteht, wird dann in den Auslegungen zum Text jeweils herausgearbeitet.

Acht Mal wird die Textkommentierung durch Exkurse unterbrochen und ergänzt, die auch grafisch abgesetzt und daher leicht erkennbar sind. Die behandelten Themen reichen von den Gestalten »Serubbabel und Jehoschua« über Sacherklärungen wie zu den Terafim bis zu Querschnittsthemen wie dem »Tag JHWHs«.

Dem Kommentar sind drei Abbildungen beigegeben. Da hätte man sich mehr gewünscht. Denn gerade beim Gebrauch in Gemeinde und Schule, wofür die Reihe konzipiert ist, erweisen sich Abbildungen als didaktisch äußerst hilfreich. S. schreibt flüssig und gut lesbar, was bei der Gattung Kommentar einer besonderen Erwähnung wert ist. Einen wissenschaftlichen Apparat gibt es dem Profil der Reihe entsprechend nicht, nur ein knappes zweiseitiges Verzeichnis von »Literatur zum Vertiefen«.

Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass wegen des Fehlens eines wissenschaftlichen Apparates auf die Werke, die der Verfasser benutzt, »mit Dank durch die Namensnennung der Autorinnen und Autoren im Textverlauf hingewiesen« wird (5). Bei den im Literaturverzeichnis angegebenen Kommentaren und Monografien geht das an. Was aber soll man mit den zahllosen Zitaten anfangen, hinter denen in Klammern ein Eigenname steht, der im Verzeichnis nicht auftaucht? Hier werden die wenigen Spezialisten und Spezialistinnen, die die gesamte Literatur überblicken und das Zitat zuordnen können, in einer Weise bevorzugt, die der Intention des Kommentars direkt widerspricht.

Dieser Schönheitsfehler ändert nichts an der Empfehlung von S.s Kommentar. Sie gilt insbesondere allen, die weder Zeit noch Ressourcen noch die Vorbildung haben, sich in die wissenschaftliche Fachliteratur einzuarbeiten und sich dennoch fundiert informieren wollen. Das kann bei der privaten Bibellektüre, in Gemeindearbeit und Schule, unter bestimmten Bedingungen aber auch im theologischen Studium der Fall sein.