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Ausgabe:

Oktober/2022

Spalte:

987-989

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Binder, Désirée, Hasenkamp, Andreas, u. Dagmar Kreitzscheck

Titel/Untertitel:

Supervision in der Seelsorge. Ein Modell integrativer Pastoralpsychologie.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2021. 172 S. = Supervision im Dialog. Kart. EUR 34,00. IS

Rezensent:

Michael Klessmann

Supervision, wie sie selbstverständlich auch in den großen Kirchen in Deutschland angeboten wird, ist methodisch sehr unterschiedlich aufgestellt: Die fünf Sektionen innerhalb der »Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie. Fachverband für Seelsorge, Beratung und Supervision« spiegeln diesen Sachverhalt sehr deutlich. Da liegt die Frage nach möglichen Integrationsmodellen nahe: Was verbindet die unterschiedlichen Zugänge? Was hält sie zusammen? In dem vorliegenden Band kommt Supervision als Aus- oder Weiterbildungssupervision in den Fokus: Im Zentrum für Seelsorge der evangelischen Landeskirche in Baden, in Heidelberg, hat man den Versuch unternommen, die unterschiedlichen Weiterbildungsmodelle Klinische Seelsorgeausbildung (KSA) sowie systemisch und tiefenpsychologisch (jungianisch) orientierte Weiterbildung zusammenzuführen und ein integratives Modell der Seelsorgeweiterbildung zu entwickeln. Supervision spielt dabei eine wichtige Rolle, das gesamte Modell allerdings unter dem Begriff der Supervision zu subsumieren, scheint mir eher irreführend.

Pastoralpsychologische Supervision zeichnet sich aus, so die Autoren und Autorinnen, durch christliche Vorannahmen im Bereich der Anthropologie und Werte, durch entsprechende hermeneutische und Ritualkompetenzen, durch spezifische Feldkompetenz im Bereich der Kirchen, so dass theologische und psychotherapeutische Perspektiven wechselseitige Bestandteile pastoralpsychologisch-supervisorischer Kompetenz darstellen. Diese Art des supervisorischen Zugangs bezieht sich auf die Vielfalt der pastoralen (also nicht nur seelsorglichen) Arbeitsfelder wie »Dynamik zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen«, Fragen nach der beruflichen Identität und Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts. In Kapitel 4 werden die Profile der drei Zugänge dargestellt: Für KSA-orientierte Supervision greift Dagmar Kreitzscheck auf die Theorie des amerikanischen Pragmatismus zurück und führt exemplarisch eine Verbatimanalyse vor; Désireé Binder skizziert das breite Repertoire systemischer Methoden am Beispiel einer Situation aus der Schulseelsorge; Andreas Hasenkamp zeigt die Funktionsweise einer Balintgruppe und der Arbeit mit Symbolen. Besonders wichtig ist dann eine knappe Darstellung anthropologischer Leitlinien (Kap. 4.2), die in den drei Modellen deutliche Unterschiede und stellenweise auch Unvereinbarkeiten aufweisen.

Kapitel 5 bildet das Ziel des Buches, hier soll dargestellt werden, was Integration der verschiedenen Zugänge in einer sich pastoralpsychologisch verstehenden Supervision bedeuten kann. Die Differenz der drei Zugänge wird noch einmal betont, sie werden als »wechselseitige Begrenzung und Erweiterung« (118) verstanden. In der zweijährigen Seelsorgeweiterbildung, wie sie jetzt in der badischen Landeskirche praktiziert wird, kommen alle drei Zugänge gleichberechtigt vor, die Leitungspersonen praktizieren ihren jeweiligen »Stil«, eine Integration der drei Ansätze ist aber »letzten Endes von den Kursteilnehmenden selbst zu leisten, indem sie […] ihr jeweils eigenes ›Mischungsverhältnis‹ finden« (123). Das folgende Beispiel einer Fallarbeit zeigt dann anschaulich, wie mit Hilfe der drei Methoden unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund treten und bearbeitet werden können und damit den Teilnehmenden ein breites Spektrum an Einsichtsmöglichkeiten anbieten. Gleichzeitig scheint mir, dass die beabsichtigte Integration eher einem Nebeneinander oder Nacheinander gleichkommt: Warum arbeiten die Lehrenden nicht gemeinsam an einem Fall, lassen die Unterschiedlichkeit der Perspektiven und Interven-tionen ad hoc in die Fallanalyse einfließen und zeigen damit, wie sich die unterschiedlichen Zugänge wechselseitig bereichern, kritisieren und begrenzen?

Ich finde das Buch mutig, weil es differenzierte Einblicke in die eigene supervisorische Praxis erlaubt, vor allem aber, weil es die längst notwendige Frage nach Integrationsmöglichkeiten der verschiedenen psychotherapeutischen bzw. pastoralpsychologischen Modelle im Rahmen der DGfP adressiert und vorantreibt. Diese Aufgabe muss fortgesetzt werden, die Autoren liefern erste wichtige Anstöße. Dass hier die eigentliche Integrationsaufgabe den Teilnehmenden überlassen bleibt, hat mich überrascht; außerdem scheint mir die Art und Weise der praktischen Durchführung anstrengend, wenn tatsächlich, wie gezeigt, alle drei Zugänge in einer Sitzung zumindest potenziell vorkommen können sollen. Aber vielleicht stellt sich das in der Praxis anders dar als in der zusammenfassenden Lektüre. Offen bleibt, wie neben Fallsupervision andere Formate wie Selbsterfahrung, Gottesdienstnachbesprechungen, Einzelsupervision, die traditionell in die Seelsorgeweiterbildung gehören, gestaltet werden. Hilfreich ist der abschließende Blick auf das, was nun eigentlich Integration bedeuten kann, nämlich »das Suchen nach Passungen und der Verbindung von Widersprüchlichem als einem Prozess, bei dem die gegenseitige Resonanz eine zentrale Rolle spielt« (149).

Insgesamt ein anregendes Buch, das der Fortführung bedarf.