Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/2022

Spalte:

934-935

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kim, Daewook

Titel/Untertitel:

Prophetic Conflicts in the Deuteronomistic History.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2021. 150 S. = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 229. Kart. EUR 59,00. ISBN 9783170399938.

Rezensent:

Georg Freuling

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die zur Veröffentlichung überarbeitete Dissertation Daewook Kims an der Rikkyo Universität in Tokio bei Prof. Shuichi Hasegawa. Zentrales Thema der Arbeit ist die Auseinandersetzung um wahre und falsche Prophetie in ausgewählten Prophetenerzählungen des dtrG, die nach Ansicht K.s gegen synkretistische Tendenzen in der Perserzeit polemisieren, weshalb nach einer kurzen Einleitung (1. Intro- duction) auch 1Sam 28,3–25 (2. Saul, the Dead Samuel, and the Woman) – Nekromantie wird dieser Konfliktlage als synkretistische Praxis zugeordnet! (14) – neben 1Kön 12,25–13,34 (3. The Old Prophet’s Deceit, Jeroboam’s Golden Calves, an the Disobedience of the Man of God); 18,16–40 (4. YHWH, Baal, and Asherah) und 22,1–38 (5. Ahab and Saul) untersucht wird. Kurzgefasst steht falsche Prophetie damit pars pro toto für den aus der Warte des exklusiven JHWH-Glaubens kritisierten Synkretismus. Dass aus den einschlägigen alttestamentlichen Texten kaum einheitliche Kriterien wahrer und falscher Prophetie abgeleitet werden können, lässt der forschungsgeschichtliche Rückblick trotz seiner Kürze (25–28) erkennen; eine entsprechend differenzierte Wahrnehmung lässt die Arbeit jedoch vermissen. Ähnlich kurz und oberflächlich werden in der Einleitung die methodischen Voraussetzungen entwickelt: Die kom- plexe redaktionsgeschichtliche Diskussion zum dtrG wird auf drei Seiten kaum erfasst und überraschend schnell zugunsten des Modells von T. Römer entschieden. Im Vordergrund stehen in den materialen Kapiteln aber auch weniger historische Fragestellungen als Textvergleiche, die jedoch methodisch unzureichend reflektiert sind.

Das entscheidende Problem der Arbeit liegt m. E. darin, dass K. versucht, komplexe religionsgeschichtliche Fragestellungen ohne hinreichende diachrone Erarbeitung der Texte zu klären. Stattdessen wählt er einen synchronen Zugang, den er ohne weitere Erläuterungen voraussetzt (13). Die Problematik scheint K. durchaus bewusst zu sein, wenn er erkennt, dass diese Herangehensweise den historischen Kontext (21: »authors’/redactors’ rhetorical messages and historical setting«) nicht erfasst. Die angebotene Lösung, eine Verbindung von »Bakthanian Dialogism« als literaturwissenschaftliche und »Fortschreibung« als historisch-kritische Kategorie, die wiederum alle Schritte diachroner Exegese voraussetzt, bleibt nicht zuletzt durch ihre kurze Darstellung (21–23) diffus und kann somit nicht überzeugen. Im Resultat führt dieses Vorgehen dazu, dass diachrone Fragegestellungen unter »Date« in den exegetischen Ausführungen mit ca. 10 % des Umfangs nur oberflächlich berücksichtigt werden und jeder vorgestellte Text pauschal der Perserzeit zugeordnet wird.

Beispielhaft sei dieser methodische Mangel am fünften Kapitel zu 1Kön 22 erläutert: Entsprechend Titel »Ahab and Saul« werden zahlreiche, teilweise problematische Bezüge zu 1Sam 28 und 31 entfaltet. Ahab erscheint dabei als bewusst in Anlehnung an Saul negativ gezeichnete literarische Figur; dass der sonst anonyme König von Israel nur in V. 20 namentlich genannt wird, und (nicht nur) dieser Befund zu umfangreichen literarkritischen Überlegungen zum Kapitel geführt hat, bleibt unerwähnt. Auch findet K. zahlreiche, ebenfalls problematische Verbindungen zwischen 1Kön 20; 21 und 22 – erwähnt sei lediglich die Habsucht (»possessiveness« 107) Ahabs, die nach K. die Kapitel 21 (hier Weinberg Nabots) und 22 (dort Ramot in Gilead) verbindet. Auf die Position von 1Kön 21 im masoretischen Text, den Zusammenhang von 20 und 22 oder redaktionsgeschichtliche Überlegungen (z. B. bei S. Otto) geht K. nicht ein. Was als Muster synchroner Textauslegung bis dahin noch diskutabel wäre, wird mit der Datierung defintiv problematisch, wenn K. 22,1–38 in Gänze überraschend als deuteronomistische Bildung der Perserzeit zuweist. Grundlage sind, da sprachliche Hinweise gänzlich fehlen, »Deuternomistic themes« (114) – so die Bestrafung Ahabs für seine in 20 und 21 geschilderten Sünden, die Erfüllung eines Prophetenwortes und das Thronen JHWHs als monotheistische Vorstellung.

Insgesamt erweckt die Arbeit den Eindruck, dass ihr mehr an konkordanz-basierten Textvergleichen als an einer präzisen historischen Verortung der Texte gelegen ist; das Thema der Arbeit bleibt darüber unzureichend bearbeitet. Ein Literatur-, Bibelstellen- und Autorenverzeichnis runden den 150 Seiten schmalen Band ab.