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Ausgabe:

September/2022

Spalte:

874–875

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Smit, Peter-Ben

Titel/Untertitel:

Old Catholic Theology. An Introduction.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2019. VI, 139 S. = Brill Research Perspectives in Theology. Theological Traditions. Kart. EUR 70,00. ISBN 9789004412132.

Rezensent:

Martin Bräuer

Das von Peter-Ben Smit verfasste Büchlein »Old Catholic Theology. An Introduction« bietet eine konzise Einführung in die altkatholische Theologie. Aufgeteilt ist diese Einführung in zwei Teile. Im ersten Teil wird ein Blick auf die Kontexte geworfen, in denen sich altkatholische Theologie entfaltet. Zentraler Kontext sind die zur Utrechter Union gehörigen altkatholischen Kirchen, die sich aufgrund von theologischen Differenzen zu Fragen der Homosexualität und der Weihe von Frauen in geistliche Ämter heute auf Europa konzentriert. Er geht auf den historischen Kontext ein, der zu der Bezeichnung »altkatholisch« führte, nämlich die Auseinandersetzung um das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit 1870, welche vor allem in Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz geführt wurde und dort zu neuen Kirchentümern führte. Diese so entstandenen Kirchen vereinigten sich 1889 mit der schon länger existierenden Kirche von Utrecht, die sich im 18. Jh. von Rom getrennt hatte, zur Utrechter Union. S. beschreibt diese Kirchen, ihre Organe, Publikationen und Netzwerke, geht dann auf die Entwicklung der einzelnen Kirchen der Utrechter Union ein, die sich unterscheiden lassen in die theologische Tradition der Kirche von Utrecht und die theologische Tradition der Kirchen, die aus der altkatholischen Bewegung um 1870 herum entstanden sind.

In einem zweiten Teil zeigt S. die Entwicklungen auf, die altkatholische Theologie im 20. Jh. genommen hat und nach welchen Methoden sie ihre Themen bearbeitet. Dabei fällt die Betonung der Ekklesiologie auf. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte des Altkatholizismus und dem Wunsch, den Glauben und die Ordnung der Alten Kirche zum Wohle eines glaubwürdigen Zeugnisses und einer kirchlichen Einheit zu bewahren und/oder dorthin zurückzukehren. Es war von vornherein unvermeidlich, dass Altkatholiken, die nie eine »alternative« katholische Kirche, sondern einfach die katholische Kirche sein wollten, Rechenschaft über ihr Kirchenverständnis und damit über ihr eigenes kirchliches Selbstverständnis im Inneren ablegen mussten im Kontext der katholischen Weltkirche. Es war auch unvermeidlich, dass sie ökumenische Partner suchten, insbesondere unter anderen westlichen Kirchen, die die katholischen Aspekte ihrer eigenen Identität betonten (oder wiederzuentdecken begannen), aber auch die von Rom geforderten Bedingungen der Communio ablehnten. Was »katholisch« bedeutet, wird traditionell durch den sogenannten Vincentinischen Kanon zusammengefasst, der als »quasi offizielles theologisches Motto« für die altkatholischen Kirchen gilt: id teneamus quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est. Diese Formel bot eine Grundlage für die altkatholische Ablehnung von Entwicklungen in Fragen des Glaubens und der Kirchenverfassung, die keine allgemeine Zustimmung fanden, und auch für den Dialog mit anderen kirchlichen Gemeinschaften, die Erneuerung und Wiederbelebung anstrebten.

Die Entstehung der altkatholischen Kirchen als unabhängige kirchliche Gemeinschaften geschah zu einer Zeit, als die Moderne die westliche Christenheit als Ganze vor Herausforderungen stellte. S. sagt, dass Altkatholiken den Glauben und die Ordnung der frühen Kirche »als eine gelebte Realität und ein organisches Ganzes« betrachten, das »einen umfassenden theologischen Ausgangspunkt bietet«. Obwohl die Bewahrung der bisherigen Tradition zur Entstehung des Altkatholizismus führte, gab es von Anfang an Impulse, die paradoxerweise zu offensichtlichen Abweichungen von der Tradition führten. Dazu gehören z. B. in jüngerer Zeit die Frage nach der Zulassung von Frauen zum geistlichen Amt. Die Beschreibung der vielfältigen Kontexte, die die altkatholische Theologie beeinflussen, bietet S. die Gelegenheit, darauf einzugehen, wie die altkatholische Art, Theologie zu treiben, solche Entwicklungen rechtfertigen kann. Mir scheint, dass die altkatholische Theologie sowohl in ihren Anfängen als auch in ihren späteren Entwicklungen viele richtige Fragen stellt und die richtigen Antworten darauf gegeben hat. Allerdings hat es Spaltungen zwischen altkatholischen Kirchen gegeben, wenn die synodale Lebens- und Unterscheidungsweise, der Altkatholiken verpflichtet sind, unmöglich war und ist, was dazu führt, dass getrennte altkatholische Kirchen ihre eigenen Entscheidungen treffen. Multilaterales theologisches Engagement, einschließlich des theologischen Dialogs, kann bestenfalls einen Beitrag leisten, vorausgesetzt natürlich, dass das ökumenische Engagement nicht als pragmatische Verhandlungssache, sondern so verstanden wird, dass die einzelnen Kirchen sich als ergänzungsbedürftig verstehen und gemeinsam sich um Erkenntnis der Wahrheit bemühen. Die Lektüre ist uneingeschränkt zu empfehlen.