Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2022

Spalte:

797–799

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Quack, Joachim Friedrich

Titel/Untertitel:

Altägyptische Amulette und ihre Handhabung.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2022. XII, 516 S. m. Abb. = Orientalische Religionen in der Antike, 31. Lw. EUR 159,00. ISBN 9783161563850.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die hier zu besprechende Publikation von Joachim Friedrich Quack stellt die erste umfassende Abhandlung über das altägyptische Amulettwesen dar, die sowohl auf archäologischen als auch philologischen Quellen fußt. Der Inhalt des Buches ist folgendermaßen aufgebaut:

In Kapitel 1 werden allgemeine Bemerkungen zu Papier gebracht. Die Amulette sind scharf von Votivgaben und Gründungsbeigaben zu trennen (4). Die Masse der ägyptischen Amulette wurde in Tempelwerkstätten produziert (12). Die Beigabe von Amuletten ist besonders oft in Kindergräbern zu beobachten (25). Der Gebrauch von Amuletten war wohl nicht an soziale Schichten gebunden (27). Die ägyptischen Amulette aus Nubien und Vorder-asien sind neben Exporten als lokale Nachahmungen aufzufassen (41).

In Kapitel 2 wird die Phase von der Frühzeit bis zur Ersten Zwischenzeit abgedeckt. Die Anfänge der Amulette reichen vielleicht in die Badari-Kultur zurück (43). In Reliefdarstellungen des Alten Reiches lassen sich zu Lebzeiten getragene Amulette erkennen (46). Die Amulette des betrachteten Zeitraums zeichnen sich durch das Fehlen anthropomorpher Götter und Hochgötter des Pantheons aus (53). Die Amulettformen greifen oft auf Tiere und Tierteile zurück (55).

In Kapitel 3 wird auf das Mittlere Reich eingegangen. Die archäologischen Amulettfunde hängen nur lose mit den Angaben in den Sargtexten zusammen (61). Das Mittlere Reich zieht als häufigste Amuletttypen Falken, rudimentäre Menschenformen, Löwen und Krokodile heran (63). Die Muschelamulette können als Leitfossil des Mittleren Reiches gelten (63). Die Zaubermesser kommen offenbar nur im späteren Mittleren Reich vor (67). Die Besgestalt und Nilpferdgöttin sind wohl als Helfer in Krisensituationen aller Art zu verstehen (72).

In Kapitel 4 werden Naturprodukte in den Mittelpunkt gestellt. In den Texten werden u. a. Mäuse, Meeräschen und Krokodile als Lieferant genannt (81–83).

In Kapitel 5 werden Knotenamulette thematisiert. Die Praxis der Knotenamulette taucht bereits im Mittleren Reich auf (84). Die Zahl »7« hat bei den Knoten als machtvoll aufgeladener Faktor eine große Rolle gespielt (97).

In Kapitel 6 werden Textamulette und Zeichnungen diskutiert. Die Textträger setzen sich aus Leinen (100–109), Papyrus (109–136), Tonschalen/Stein- und Metallgefäßen (140–146), Holz (146–150) und Stein (150–151) zusammen. Die Spätzeit zieht bei den Illustrationen auf den einschlägigen Papyri stehende gegenüber hockenden Göttern vor (132). Die phönizischen Amulettbehälter aus Metall zeigen enge Parallelen zu den Stücken aus dem meroitischen Friedhof von El-Kurru (135). Die ältesten bekannten Amulette auf Holztäfelchen lassen sich ins Neue Reich datieren (146).

In Kapitel 7 werden Skarabäen und andere Siegelamulette in die Debatte eingeführt. Die Skarabäen wurden hauptsächlich in Frauen- und Kindergräbern gefunden (168). Der Ursprung der Skarabäen lässt sich bis zu den sogenannten »Knopfsiegeln« des späten Alten Reiches und der Ersten Zwischenzeit zurückverfolgen (169). Die reiherartigen Vogeldarstellungen auf den Siegeln lassen sich als Frühform des Benu-Vogels interpretieren (173). Die gesamte Skarabäendokumentation über Könige des Alten Reiches ist als posthum einzustufen (174). Die Tiermotive auf den Skarabäen sind wohl durch den Bezug zum Sonnengott zu erklären (179).

In Kapitel 8 werden Amulette und Funerärkorpora vom Neuen Reich bis zur frühen Spätzeit besprochen. Die ältesten ägyptischen Herzskarabäen können in die Zweite Zwischenzeit datiert werden (189). Das Djed-Zeichen und Tit-Amulett tauchen schon im Totenbuch des Neuen Reiches auf (197).

In Kapitel 9 werden dreidimensionale Götterfiguren und der Amulettbestand vom Neuen Reich bis zur Dritten Zwischenzeit akzentuiert. Die Textquellen für die einschlägigen dreidimensionalen Objekte stammen größtenteils aus der Ramessidenzeit (216). Die Nilpferdgöttin und der Gott Bes kommen auch in Amarna vor, was gegen deren damalige Verfemung spricht (223). Die Tradition um das Amulett am Hals der Göttin Neith deutet auf eine besondere Affinität des Zwergenamuletts im Geburtskontext hin (231). Die Patäkenstatuen konnten mit einem Widderkopf, Falkenrücken oder Falkenkopf versehen sein (233). Der Gott Bes tritt als Wächter und Schützer des Osiris sowie im Zusammenhang mit der Rückkehr der Gefährlichen Göttin auf (235). Die Amuletttypen der Dritten Zwischenzeit wurden gerne ins Ausland exportiert (244).

In Kapitel 10 werden Amulette des Osiris und die spätägyptische Standardausstattung der Mumien erläutert. In der 25. Dynastie setzt sich bei den Amuletten die Tradition der späten Dritten Zwischenzeit fort (247). Die Qualitätsabnahme der Amulette in der Ptolemäer- und Römerzeit steht nicht fest (251–252). In der späten Zeit wurden die Amulette über den ganzen Körper des Toten verteilt (252). Das Verständnis der späten Mumienamulette ist eng mit den Osirisritualen zu verbinden (253).

In Kapitel 11 wird die Entwicklung von den Pyramidentexten über die Objektfriese zum Goldamulettetext nachgezeichnet. Die angebliche Amulettliste auf pMac Gregor (pBM EA 10479) ist in Wahrheit als späte Tradition der Objektfriesdekoration zu verstehen (275).

In Kapitel 12 werden königliche Amulettrituale in den Fokus gerückt. Die Interpretation des pBrooklyn 47.218.50 als Neujahrsritual ist wohl zugunsten einer Kombination aus zwei Handbüchern aufzugeben (291).

In Kapitel 13 werden Amulettopfer an die Götter zur Sprache gebracht. Die Gabe von Amuletten durch den König an Götter lässt sich bereits unter Ramses III. nachweisen (306). In der Schatzkammer im Tempel von Dendera=Raum Q sind viele Szenen der Darbringung von Schmuck oder Amuletten zu finden (310).

In Kapitel 14 werden Amulette und ihre Erwähnung in späten Funerärkorpora erörtert. Die bildliche Zusammenstellung von Amuletten im ptolemäerzeitlichen (?) hieroglyphischen pVatikan 38596 ragt mit der Kombination aus Einzelbereichen von Totenbuchsprüchen und drei funerären Ritualen als Sonderfall heraus (323).

In Kapitel 15 wird die Amulettverwendung im Rahmen der gräko-ägyptischen Zauberpapyri untersucht. Die magischen Papyri sahen sich griechischem und jüdischem Einfluss ausgesetzt (325).

In Kapitel 16 wird zu ägyptischen Motiven auf magischen Gemmen Stellung genommen. Das Steinbuch des Damigeron und Evax deutet auf hermetischen Einfluss hin (341).

Das Buch wird durch Literaturverzeichnis (363–438), Verzeichnis der Texte, Kontexte und Artefakte (439–453), Wörterverzeichnis (454–457), Namenverzeichnis (458–464), Verzeichnis der Lebewesen und Objekte (465–473) und Verzeichnis von Sachen und Praktiken (474–478) komplettiert. Die Abbildungen (479–511) stellen einen optischen Eindruck von ausgewählten Objekten sicher.

Die Bewertung findet in positivem Sinne statt. Die Details werden dem Leser gut und verständlich nahegebracht. Die ägyptischen Amulette aus Palästina hätten etwas ausführlicher in die Betrachtung einbezogen werden können. Die Reservierung eines eigenen Kapitels für diese Denkmälergattung wäre zu begrüßen gewesen. Die Lektüre lässt sich auch so uneingeschränkt empfehlen.