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Ausgabe:

September/2022

Spalte:

771–784

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Christl M. Maier

Titel/Untertitel:

Traumastudien und alttestamentliche Exegese

In den letzten beiden Jahrzehnten hat die alttestamentliche Exegese eine neue Perspektive aufgegriffen, die als »Traumastudien« bezeichnet werden kann. Sie folgt damit einem Trend in den Kultur- und Literaturwissenschaften, der den medizinisch-psychologischen Diskurs über die Folgen körperlicher und seelischer Gewalterfahrung (»Traumata«) aufnimmt und als Deutungsmuster für die Textinterpretation heranzieht. Mein Beitrag skizziert die vielseitige Verwendung des Traumabegriffs und die Funktion der Traumaerzählung. Danach stellt er Ergebnisse dieser neuen Perspektive für die Interpretation des Ezechiel- und Jeremiabuches vor, die die Zerstörung Jerusalems und das babylonische Exil bearbeiten, und diskutiert die traumatheoretische Auslegung ein-zelner Psalmen.

I Trauma als Analysebegriff



1. Medizinisch-psychologische Diagnostik des individuellen Traumas



Der Begriff »Trauma« geht auf das gleichlautende griechische Wort für »Verwundung, Wunde« zurück und wurde in der Medizin zunächst für körperliche Verletzungen gebraucht, seit Mitte des 19. Jahrhunderts aber zunehmend als Ursache psychischer Störungen aufgefasst, insbesondere der als »Frauenkrankheit« verstandenen Hysterie.1 Die Behandlung von Kriegsversehrten des Ersten Weltkriegs und des Vietnamkriegs sowie von Opfern sexualisierter Gewalt führte seit den 1970er Jahren zur Diagnose einer post-traumatischen Belastungsstörung (PTBS). Diese wurde erstmals 1980 in das US-amerikanische Manual psychischer Störungen aufgenommen, was ihre internationale Anerkennung beförderte.2 In ihrem Lehrbuch der Psychotraumatologie3 definieren Gottfried Fischer und Peter Riedesser ein psychisches Trauma als

»ein vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt«.4

Ein solches Trauma kann durch ein einmaliges Erlebnis (z. B. Unfall, lebensbedrohliche Erkrankung, Naturkatastrophe), durch eine anhaltende Situation körperlicher Gewalt (z. B. Folter, Kriegsgeschehen, sexualisierte Gewalt) oder seelische Erschütterung (z. B. Arbeitslosigkeit, Verlust einer Bezugsperson) ausgelöst werden. Da Kampf oder Flucht als spontane Reaktion meist unmöglich sind, reagiert die betroffene Person mit Erstarrung (freezing) und/oder innerer Distanzierung (dissociation), die zu einer Zersplitterung der Erinnerung (fragmentation) führt.55 Traumaopfer entwickeln einerseits Intrusionssymptome (flashbacks, Alpträume), die die traumatische Situation bruchstückhaft, aber in Einzelheiten überdeutlich erinnern, andererseits Konstriktionssymptome (psychische Lähmung, Erstarrung, Teilnahmslosigkeit, sozialer Rückzug), die der Abwehr dieser Situation dienen. Möglich sind auch Symptome einer anhaltenden physiologischen Erregung (arousal), d. h. ein permanenter Alarmzustand, der sich in Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit äußert.6 Ob eine solche traumatische Reaktion eintritt und sich im Zeitverlauf verfestigt, ist allerdings von den Ressourcen der Person und ihrer Relation zur Umwelt abhängig.

Bessel van der Kolk zufolge ist die unkontrollierbare und bruch-stückhafte traumatische Erinnerung (»traumatic memory«) von der normalen Erinnerung zu unterscheiden, die Erlebnisse in ihrer Ereignisfolge erzählen und Details an die jeweilige Zuhörerschaft anpassen kann (»narrative memory«), weil sie in einem anderen Teil des Gehirns abgespeichert wird.7 Daher sind Traumaopfer oft sprachlos, von Angst und Panik überwältigt und können nicht schildern, was ihnen passiert ist. Gleichzeitig kann der Erholungsprozess von einem individuellen Trauma nur einsetzen, wenn die betroffene Person von ihrem Umfeld Verständnis erfährt, einen sicheren Ort findet und das Ereignis für sich selbst deuten und in einen neuen Rahmen stellen kann, so dass sie Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit wiedererlangt.8 Damit erweist sich ein Trauma als Paradox: Obwohl die es auslösende Situation der Erinnerung nicht oder nur bruchstückhaft zugänglich ist – was die Literaturwissenschaftlerin Cathy Caruth »unclaimed«9 nennt – erfordert die Überwindung des Traumas, dass es in einer sicheren Umgebung in Sprache gefasst werden kann.10 Die meis-ten neueren Therapieformen zielen daher darauf, eine Erzählung zu generieren, mit der das traumatogene Ereignis erinnert und so transformiert wird, dass es in das eigene Leben integriert werden kann, wie die Psychoanalytikerin Judith Herman beschreibt: »In der zweiten Genesungsphase erzählt der Patient die ganze Geschichte seines Traumas in allen Einzelheiten. Während dieser Rekonstruktionsarbeit werden die traumatischen Erinnerungen gewissermaßen umgewandelt, damit ihre Integration in die Lebensgeschichte möglich wird.«11 Nach van der Kolk geht es darum, »[d]as eigene Entsetzen in einen Sinnzusammenhang zu stellen und mit anderen darüber zu kommunizieren«.12 So zielt beispielsweise die narrative Expositionstherapie darauf, mit Hilfe kreativer Materialien symbolhaft den Verlauf des bisherigen Lebens der betroffenen Person mit den prägenden Erlebnissen, einschließlich der traumatischen, zu rekonstruieren und sprachlich festzuhalten.13 Der Prozess der Reintegration traumatischer Erinnerung kann mitunter lange dauern und gelingt auch nicht immer, denn das Trauma kann sich in Denken und Fühlen der traumatisierten Person einschreiben und, wie Studien zu Opfern des Holocaust oder sexuellen Missbrauchs in der Kindheit zeigen, sogar an die nächste Generation weitergegeben werden.14

2. Das kulturelle Trauma aus soziologischer Perspektive



Während sich die Psychotraumatologie auf das Individuum konzentriert, sind kollektive Traumata bisher vor allem Gegenstand soziologischer und historischer Forschung. So entwickelte eine internationale Soziologengruppe um Jeffrey Alexander und Neil Smelser, die die langfristigen sozialen Folgen der Sklaverei in den Vereinigten Staaten, des Holocaust und der post-kommunistischen Staaten Osteuropas erforschte, die Theorie des kulturellen Traumas auf Basis empirischer Studien.15 Ihre Untersuchungen zu Voraussetzungen, Aspekten und Wirkungen der traumatischen Reaktion einer Gruppe auf ein einschneidendes Ereignis erweisen kulturelle Traumata als Phänomene, die von Gesellschaften konstruiert werden:

»Cultural trauma occurs when members of a collectivity feel they have been subjected to a horrendous event that leaves indelible marks upon their group consciousness, marking their memories forever and changing their future identity in fundamental and irrevocable ways.«16

Dieser konstruktivistischen Definition zufolge entsteht das kulturelle Trauma durch eine gesellschaftlich vermittelte Zuschreibung als Reaktion des Kollektivs auf ein einschneidendes Ereignis. Indem die betroffene Gesellschaft die Existenz und Quelle ihres Leidens nicht nur kognitiv erkennt, sondern eine gewisse Verantwortung dafür übernimmt, gibt sie diesen Erfahrungen eine ­­kulturell bestimmende Gestalt und bildet ein überindividuelles Erklärungsmuster aus.17 Damit ein Trauma die Ebene des Kollektivs erreicht, braucht es Alexander zufolge »Trägergruppen« (ein Begriff Max Webers), die die fundamentale Verletzung von Menschen, ihres Lebens und ihrer gesellschaftlichen Werte formulieren und aus der Zerstörung resultierende Ansprüche auf emotionale, institutionelle und symbolische Wiedergutmachung erheben. Deren Ansprüche werden an die Öffentlichkeit gerichtet mit Hilfe einer »Meistererzählung«18, die den Schmerz und das Wesen der Opfer einleuchtend beschreibt, ihre Beziehung zu einer größeren Öffentlichkeit darlegt sowie mögliche Täter identifiziert und deren Verantwortung klar benennt. Eine solche Erzählung wird in zeitgenössischen Institutionen (Religion, Kultur, Recht, Massenmedien und Bürokratie) diskutiert und entworfen, was Kämpfe um Deutungshoheit und den Ausgleich widerstreitender Perspektiven einschließt. Sie kann sich in einer Gemeinschaft nur dann als glaubwürdige Erzählung etablieren, wenn sie die Erfahrungen unterschiedlicher Gruppen repräsentiert, auch wenn diese mitunter unausgeglichen nebeneinanderstehen.

Gelingt dieser Prozess der Entwicklung eines kulturellen Trau­mas, wird die Identität des Kollektivs so verändert, dass das Trauma integriert und erinnert werden kann durch Monumente, Museen und ritualisierte Routinen (z. B. Feiertage, Gedenkfeiern).19 Diese Entwicklung kann nach Smelser allerdings mehrere Generationen dauern und vielfach behindert werden, z. B. durch den Streit verschiedener Gruppen über die Identität von Tätern und Opfern.20 Die bei traumatisierten Individuen feststellbare Ambivalenz zwischen der Vermeidung bestimmter Situationen und dem Wiederaufleben des Traumas erkennt Smelser auf kollektiver Ebene in der kontinuierlichen Auseinandersetzung um »Vergessen dürfen« und »Erinnern müssen«, die von verschiedenen Gruppen propagiert wer­den.21 Im Unterschied zu einem individuellen Trauma kann und soll ein kulturelles Trauma gar nicht überwunden, sondern als Teil der eigenen Geschichte kollektiv fortdauernd erinnert werden.22

Den sozialkonstruktiven Charakter kultureller Traumata betont auch der Psychoanalytiker Vamık D. Volkan, der u. a. im Auftrag der UNO in der präventiven und akuten Krisenintervention tätig war. Er spricht vom »gewählten Trauma« (»chosen trauma«), das als ein traumatisches Ereignis ins kollektive Gedächtnis gelangt, aber nicht aufgearbeitet und daher an die nächsten Generationen weitergegeben wird.23

Im Verlauf der transgenerationalen Weitergabe wird es immer unwichtiger, ob das Ereignis historisch zutreffend erinnert wird, aber umso wichtiger, die Identität der Großgruppe als Trauma-opfer gegenüber anderen Gruppen aufrechtzuerhalten. Ein solches gewähltes Trauma kann auch in veränderten politischen Konstellationen reaktiviert und politisch genutzt werden.24

Kritisch ist jedoch anzumerken, dass Volkans These auf psychoanalytischer Theorie fußt, die ein eingeschränktes Verständnis von Religion hat und daher nur begrenzt zur Analyse biblischer Texte geeignet ist.25

Das Genre der Traumaerzählung



Die Funktion der individuellen wie kollektiven Erzählung, erlebte Traumata zur Sprache zu bringen und so zur deren Überwindung bzw. ritualisierter Erinnerung beizutragen, wurde seit den 1990er Jahren in den Kultur- und Literaturwissenschaften aufgegriffen, die verschiedene literarische Traumatheorien entwickelten.26

Anhand von Literatur über die Shoah, Zeitzeugen-Interviews und zeitgenössischen Romanen arbeitet Ronald Granofsky das Genre der Traumaerzählung (»trauma novel«) als Unterkategorie des Romans heraus.27 Ihm zufolge weisen Traumaerzählungen eine vergleichbare Struktur auf, die er als Verbindung von fragmenta-tion (der wiederholt versuchten Abbildung des Unbegreifbaren), regression (dem Versuch, das Trauma abzuwehren) und reunifica­tion (der Integration des Traumas in das narrative Skript) erkennt.28 Für die Traumaerzählung wesentlich ist Granofsky zu­folge die literarische Re-Symbolisierung des Traumas, die den Leserinnen und Lesern eine geschützte Konfrontation mit traumatischen Inhalten ermöglicht.29 Zentral sind dabei Themen des Bezeugens oder des Zeugnisses und des Überlebens sowie Motive, die biologische Funktionen wie Geburt, Essen, Sexualität und Tod aufgreifen.30

Auch Laurie Vickroy betont, dass Traumaerzählungen in ihrer Struktur die Rhythmen, Prozesse und Unsicherheiten traumatischen Erlebens »internalisieren«.31 Genretypische Elemente zeigen sich sowohl auf der strukturellen Ebene als auch in der Darstellung der Charaktere. Strukturelle Merkmale sind Wiederholungen, Leerstellen, Abbrüche oder Risse im Erzählfaden, Wechsel der Erzählperspektive und Fragmentierungen im Erzählgeschehen sowie das Fehlen eines Happy Ends. Übliche Kategorien wie Zeit, Raum, Kausalität und die Unterscheidung von »Ich« und »Anderen« werden häufig infrage gestellt. Im Blick auf Charaktere finden sich Träume und Visionen, die Flashbacks darstellen, oder es treten Geister auf, die Erzählfiguren heimsuchen.32 Fiktive Charaktere werden als traumatisiert dargestellt mit Gefühlen von Schuld, Scham und Rache; es werden Täter-Opfer-Konstellationen beschrieben, aber zugleich Lösungen des Traumas eröffnet.33

In feministisch-kulturwissenschaftlichen Studien wird der Trau-mabegriff jüngst dahingehend ausgeweitet, dass nicht nur be- stimmte Erlebnisse, sondern auch herrschende gesellschaftliche Strukturen als Trauma induzierend verstanden werden. So verwendet die feministische Psychologin Maria Root den Begriff »insidious trauma« zur Beschreibung von Erfahrungen von Frauen und Minderheiten in Bezug auf systemischen Rassismus und Sexismus, auf Menschenfeindlichkeit und Armut.34 Sie kritisiert, dass die Kriterien für Traumatisierung und Modelle der Heilung immer noch zu stark auf Erfahrungen und Werten weißer Männer der Mittelschicht basieren und das soziale Umfeld zu wenig beachten.35 Ein Individuum oder eine Gruppe, die aufgrund von Geschlecht, Klasse, Ethnie oder sexueller Orientierung diskriminiert werde, könne durch diese dauerhafte Entwertung »schleichend« traumatisiert werden und ähnliche Symptome wie Opfer physischer Gewalt entwickeln. Gleichzeitig hänge es vom sozialen und kulturellen Umfeld ab, ob eine Person sich als traumatisiert versteht, Verständnis findet oder ihre Erfahrung sogar negiert wird.36 Deshalb ist die Frage, welche Erlebnisse überhaupt ein Trauma hervorrufen und unter welchen Voraussetzungen Menschen ein Trauma entwickeln, letztlich nicht vorab und auch im Nachhinein nur in Ausnahmefällen zu beantworten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Traumabegriff, wird er im allgemeinen Sprachgebrauch für alle möglichen Leiden oder in der literaturwissenschaftlichen Analyse unspezifisch verwendet, seine erhellende Kraft verliert. Dem ist nur zu begegnen durch eine möglichst präzise Definition, was jeweils unter »Trauma« verstanden und welche Theorie herangezogen wird.

II Traumastudien zu Texten des Alten Testaments



In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Traumaperspektive auch für die Auslegung der Bibel an Bedeutung gewonnen.37 Seit 2013 organisiert die Programmgruppe »Biblical Literature and the Hermeneutics of Trauma« der Society of Biblical Literature Vorträge zu diesem Thema bei der jährlichen internationalen Konferenz.38 Interdisziplinäre Tagungen fanden 2012 in Aarhus, 2019 in Heidelberg und 2020 in Rostock statt.39 Am häufigsten werden bisher Texte aus den Klageliedern, Ezechiel und Jeremia aus traumatheoretischer Perspektive ausgelegt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass diese biblischen Schriften die Erfahrung menschlicher Katastrophen beispielhaft und aus der Innensicht der Betroffenen zur Sprache bringen.40 Nach der Qualifizierung der Klagelieder als »survival literature« und ihrem Vergleich mit Literatur nach dem Holocaust41 stand zunächst das Ezechielbuch im Fokus der neuen Perspektive, danach das Jeremiabuch, da es sich um dasselbe Ereignis rankt. Neben dem Jonabuch42 sind die Psalmen der jüngste Gegenstand traumatheoretischer Exegese.

1. Das Ezechielbuch als Traumaerzählung



Im Blick auf das zentrale Thema des Ezechiel- und Jeremiabuches sowie der Klagelieder liegt es nahe, die Deportation beträchtlicher Teile der judäischen Oberschicht nach Babylonien und die Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 v. Chr. als Auslöser eines kulturellen Traumas zu verstehen. Da es sich bei den prophetischen Schriften überwiegend um Traditionsliteratur handelt, an der viele Gruppen über längere Zeit geschrieben haben, steht die kollektive Dimension im Vordergrund. Aus der Traumaperspektive werden jedoch auch die Erzählfiguren Ezechiel und Jeremia als exemplarische, für einen weiteren Kreis repräsentative traumatisierte Einzelne verstanden.

Hatten Dereck Daschke43 und Daniel Smith-Christopher44 dem Propheten Ezechiel bereits 1999 bzw. 2002 eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert, so argumentierte David G. Garber 2004 im Anschluss an Caruth, Kai Erikson u. a., das ganze Buch verarbeite das Trauma von Exil und Zerstörung.45 Die Analyse der Rhetorik der prophetischen Unheilsankündigungen führte Garber zu der These, sie seien Zeugnisse der nationalen Katastrophe und dienten dem Überleben der exilischen Gemeinschaft.46 In ihren Kommentaren zu Ezechiel wandten Nancy Bowen und Brad Kelle traumatheoretische Einsichten auf das ganze Buch an.47 Die bislang ausführlichste Exegese der Gesamtschrift aus Traumaperspektive bietet Ruth Poser in ihrer 2012 erschienenen Marbur- ger Dissertation.48 Auf Grundlage der Psychotraumatologie nach Fischer/Riedesser und der Studie Hermans stellt Poser die trauma- togenen Faktoren von Belagerungskrieg, Deportation und Exil vor und interpretiert die biographische Erzählung des 597 nach Babylonien deportierten Priesters Ezechiel (vgl. Ez 1,1–3) einleuchtend als »trauma response« im Sinne Granofskys, d. h. als literarische Bearbeitung eines Traumas.49 Sie zeigt, dass die mitunter bizarren Visionen und Symbolhandlungen des literarischen Ezechiel50 die verstörende Erinnerung an das Exil und den Untergang Jerusalems 587 v. Chr. zur Sprache bringen. Dabei werden Symptome eines traumatisierten Individuums, wie fragmentierte Erinnerung, körperliche Erregungszustände und Sprachverlust, mit Prozessen auf kollektiver Ebene, insbesondere der Dialektik von »Vergessen dürfen« und »Erinnern müssen«51 verschränkt. Interessant ist, »dass das eigentliche Schreckensereignis nicht wirklich erzählt wird – auch wenn es immer wieder antizipiert, symbolisch vermittelt und nachträglich als Faktum festgehalten wird«52.

Die kollektive Dimension des Traumas spiegeln die Geschichtsrückblicke Ez 16 und 23, in denen Jerusalem als weibliche Gestalt und Gottes abtrünnige Ehefrau personifiziert wird. Ihre Geschichte wird als Erfahrung traumatischer Scham erzählt, die zu sekundärer Schamlosigkeit führt.53 Gottes Strafe für ihre Hinwendung zu politischen Mächten und anderen Gottheiten wird in Bildern kriegerischer und sexualisierter Gewalt dargestellt. Eine solche »blaming-the-victim«-Strategie rechtfertigt einerseits das katas-trophale Ereignis und entwertet die Macht Babylons, indem sie Gott als alleinigen Täter und Geschichtslenker charakterisiert. Andererseits verweist sie auf die Hoffnung, dass dieser geschichtsmächtige Gott die Exilierten auch retten werde.54

2. Traumata im Jeremiabuch



Louis Stulman versteht das Jeremiabuch als vielstimmige Antwort auf die traumatische Erfahrung von Judas Zusammenbruch.55 Kathleen O’Connor interpretiert es als »survival manual«56, als eine Art Leitfaden, um das Trauma der nationalen Katastrophe zu überwinden. Es biete eine Antwort auf die Zerstörung aller Identitätsmerkmale Judas – Jerusalem als Hauptstadt, Tempel, davidisches Königtum – und versuche, die vom Desaster gezeichneten Überlebenden als eine geläuterte Gemeinschaft darzustellen. Auch für Christopher Frechette bringt die Jeremiaerzählung das Trauma von Zerstörung, Krieg und Exil zur Sprache und erzeugt durch Re-Symbolisierung einen begrenzten therapeutischen Effekt.57

Während Stulman, O’Connor und Frechette keine bestimmte Traumatheorie favorisieren, habe ich jüngst versucht, auf Grundlage der von Alexander u. a. entwickelten Theorie des kulturellen Traumas, die in Jer 40–44 geschilderte Ermordung des Statthal- ters Gedalja und die anschließende Flucht von Judäerinnen und Judäern nach Ägypten als Traumaerzählung zu plausibilisieren.58 Darin spiegeln verschiedene Schuldzuweisungen einen Aushandlungsprozess zwischen mehreren Trägergruppen wider, die wechselweise als Täter oder Opfer charakterisiert werden.

Der kurze Bericht über das Attentat auf Gedalja (Jer 40,13 f.; 41,1 f.4–15) schiebt dem Davididen Jischmael die alleinige Schuld zu und charakterisiert ihn als blutrünstigen Mörder, der sich durch seine Flucht zum Ammoniterkönig der Strafe entzieht. Die in Mizpa um Jochanan versammelten, nicht-deportierten Heerführer befreien zwar die von Jischmael als Geißeln genommenen Judäer und Judäerinnen. Ihre positive Charakterisierung wird aber dadurch getrübt, dass sie aus Angst vor einer babylonischen Strafaktion alle Überlebenden nach Ägypten bringen (41,16–18; 43,4–7*), was ihnen als Ungehorsam gegenüber dem von Jeremia übermittelten Gotteswort (43,1–2*) und als mutwillige Preisgabe des Landes Juda angekreidet wird. Die Erzählung charakterisiert Jeremia als Parteigänger der pro-babylonischen Position (42,11–13a), der die nach Ägypten Flüchtenden im Namen JHWHs zum Bleiben auffordert und das Leben in Ägypten als dem Untergang geweiht darstellt (42,19–22). In einer ausführlichen Prosarede bezichtigt Jeremia die Fliehenden der Verehrung der Himmelskönigin (44,1–28), die er auch in der Rede gegen den Tempel angeprangert und damit die Schuld am Untergang der gesamten Bevölkerung Jerusalems und Judas zugewiesen hatte (7,16–20). In 44,15–19 kommt allerdings eine dissidente Gruppe von Frauen zu Wort, die Jeremias Geschichtsdeutung direkt widersprechen. Sie repräsentieren eine Trägergruppe, die für Krieg und Hunger insofern Verantwortung übernimmt, als sie diese auf ihr eigenes Verschulden zurückführt, ihre Übersiedlung nach Ägypten jedoch als Versuch des Neuanfangs versteht.

Das letzte Wort in der Deutung der Geschehnisse rund um das Attentat auf Gedalja hat eine Trägergruppe, die eine Kollaboration mit Babylons Machthabern befürwortet und dafür wirbt, dem babylonischen König zu dienen (40,9–12a). Diese pro-babylonische Position wird in der Vision mit den zwei Feigenkörben in Jer 24,1–10 auf die Spitze getrieben: Die sehr guten Feigen werden mit den bereits mit König Jojachin 597 v. Chr. Deportierten identifiziert. Ihre Exilierung wird als »Wegschicken zum Guten« gedeutet und versprochen, sie würden wieder in ihr Heimatland zurückkehren (24,5–7). Die sehr schlechten, völlig ungenießbaren Feigen repräsentieren König Zidkija und den »Rest Jerusalems«, der die Zerstörung Jerusalems überlebte, sowie die in Ägypten Wohnenden; ihnen wird der völlige Untergang angekündigt (24,8–10). Dieser Text leugnet – gegen viele andere Texte im Buch – jegliches Trauma für die erste Gola, zu der Ezechiel gehört, und schiebt alle Schuld König Zidkija und seinen Beamten zu.59

Neben dieser Erzählung über das kollektive Trauma rund um Jerusalems Untergang findet sich im Jeremiabuch auch eine individuelle Dimension im Porträt des Propheten. In den Erzählungen wird er als vom Volk angefeindeter Prophet charakterisiert (26,8 f.), der von Priestern (20,1–3; 29,24–28) und Beamten gewaltsam interniert wird (37,15.21; 38,6–9). Die Klagegedichte, die sogenannten Konfessionen in Jer 11–20, fügen diesem Porträt einen Blick auf Jeremias Innenleben hinzu, das von Unsicherheit, Angst (15,15–18; 18,18–23) und sogar Abwendung von seinem göttlichen Auftraggeber (20,7–13) geprägt ist. Jeremia erscheint hier nicht als selbstbewusster Prophet, sondern als Opfer göttlicher Willkür. Stulman bezeichnet ihn als »wounded survivor«60, dessen Erinnerung fragmentiert ist und der zwischen Verzweiflung und Zuversicht schwankt. Auch O’Connor interpretiert Jeremia als traumatisierte Person, die Gott aber nicht Recht gibt, sondern ihn als Verräter anklagt und so gegen die das Buch prägende Schuldzuweisung an das Volk aufbegehrt.61 Den Studien Vickroys folgend führt Juliana Claassens aus, wie die Gedanken, Gefühle und das Verhalten des literarischen Jeremia verschiedene Möglichkeiten der Sinnfindung inmitten des Traumas anbieten.62 Schon in der Berufungserzählung (1,11–13; vgl. 4,23–27) wird Jeremia zum Zeugen des hereinbrechenden Unheils, das er in zahlreichen Unheilsankündigungen ausmalt und auf das er mit Klage und körperlichem Zusammenbruch reagiert (4,19–21). Seine von Gott verordnete soziale Isolation (16,1–8) und sein in den Klagegedichten geschilderter Konflikt mit Gott verweisen auf Traumatisierung. Der literarische Jeremia kann im Verlauf des Buches die Last des prophetischen Amtes (vgl. 1,17–19) nicht tragen und zerbricht an der Konfrontation der Adressaten und den Verfolgungen des Establishments. In seinen Klagen erscheint er als verängstigter Glaubender, der sein Leiden auf Gott zurückführt. Wie schon Stulman und O’Connor versteht auch Claassens die Jeremiafigur als exemplarisch für die traumatisierte Gemeinschaft, deren Überleben davon abhängt, dass ihrer Klage Raum gegeben wird, der neue Hoffnung ermöglicht.63

Weitere Klagerufe einer einzelnen Stimme (4,19–21; 8,14–9,2; 10,19 f.) und einer Gruppe (4,13; 6,4.24; 8,20; 9,18.20) finden sich im Kontext der Unheilsworte, die Jeremia an die als Frau personifizierte Stadt Jerusalem und an Juda richtet. Sie stellen deren Angst und Verzweiflung heraus, was rhetorisch als Reaktion auf die Ankündigung des Feindes aus dem Norden zu verstehen ist. Obwohl es sich weitgehend um fiktive Zitate handelt, wird den Menschen, die Jerusalems Belagerung und Zerstörung miterlebten, also den potentiellen Traumaopfern, mit literarischen Mitteln eine Stimme verliehen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der über den Zusammenbruch des Volkes in Jer 8,18–9,2 Klagende sowohl mit Jeremia als auch mit Gott selbst identifiziert werden kann.64 Auch die kollektive Klage über eine Dürre (14,1–9) wird zunächst vom Propheten im Auftrag Gottes abgewiesen (14,10–12), dann aber diskutieren der literarische Jeremia und Gott die Schuldfrage, und die Klage über das verwundete Volk (14,17) wird als Gotteswort eingeleitet.65 Diese Polyphonie der klagenden Stimmen leistet eine literarische Re-Symbolisierung des Traumas und ermöglicht Leserinnen und Lesern, aus sicherer Distanz Anteil am Leid der Traumaopfer zu nehmen und somit die Bedeutung der Zerstörung Jerusalems für das Selbstverständnis derer, die das Jeremiabuch schrieben und überlieferten, zu ermessen.

3. Psalmen zwischen Trauma und Resilienz



Als »Konfliktgespräche mit Gott«66 bieten die Psalmen ein Reservoir an sprachlichen Wendungen, Metaphern und Bildern, um menschliches Leben und Erleben in seinen Höhen und Tiefen darzustellen. Sie leisten nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zur biblischen Anthropologie, sondern werden auch als Sprach- und Identifikationsangebot für Leserinnen und Leser verstanden, die verstörende und krisenhafte Situationen erleben. Es ist daher nicht erstaunlich, dass insbesondere Klagepsalmen nun auch aus traumatheoretischer Perspektive untersucht werden.

Chwi-Woon Kim etwa findet in kollektiven Klagepsalmen des elohistischen Psalters (Ps 44; 60; 74; 80; 83; 89) Hinweise auf ein transgenerationales Trauma.67 Unter Rückgriff auf Volkans These des »gewählten Traumas« deutet Kim das in diesen Psalmen vielfältig verwendete Motiv des Gotteszorns – anders als etwa im Jeremiabuch – nicht als Schuldzuweisung an die Traumaopfer, sondern als Protest gegen ein als unverhältnismäßig empfundenes Gotteshandeln an Israel, das dem Ziel diene, den göttlichen Zorn auf Israels Feinde zu lenken.68 Die nachexilischen Generationen bekennen sich so zwar zur Tradition ihrer durch Zerstörung und Exil traumatisierten Vorfahren, definieren ihre Identität und Gottesbeziehung aber anders als diese.

Über das Auffinden von Traumaphänomenen in Klagepsalmen hinaus werfen einige Auslegungen die Frage auf, ob deren Rezeption Resilienz fördern könne.69 Resilienz wird dabei zunächst als psychische Widerstandskraft gegen Krisen und als Fähigkeit, auf Krisen mit Verhaltensänderung zu reagieren, verstanden. So interpretiert Frechette die Rachewünsche gegen die Feinde in den Psalmen als affektbetontes Zur-Sprache-Bringen der erlittenen Gewalt und Uminterpretation des eigenen Traumas.70 Weil sie Gott auf ihrer Seite wissen und ihm zutrauen, die Feinde zu bestrafen, seien die so Betenden bereits auf dem Weg zur Genesung. Judith Gärtner arbeitet in Ps 22 fünf Aspekte heraus, die auf Resilienz hinweisen: (1) die Sprachfähigkeit des Beters bzw. der Beterin, die Not zu benennen, (2) das Festhalten an der Beziehung zu Gott, (3) die Fähigkeit, Facetten der Not zu differenzieren, (4) eine eigene Kontextualisierung (Kollektividentität, Geschöpflichkeit, erfahrene Rettung) sowie (5) Hinweise darauf, dass der Beter bzw. die Beterin lebensstark aus der Klage hervorgeht.71

Eine erste monographische Traumastudie zu Psalmen bietet Nikolett Móricz mit ihrer 2021 publizierten Heidelberger Dissertation.72 Ihr interdisziplinärer hermeneutischer Ansatz verbindet Einsichten der literatur- und kulturwissenschaftlichen Traumatheorien mit solchen der Narratologie. Als poetische Texte thematisieren Psalmen einerseits ein Geschehen, das retrospektive, gleichzeitige und prospektive Sachverhalte verknüpft, und bilden andererseits mittels intertextueller Bezüge innerhalb des Psalters eine überindividuelle Erzählung, die auf die Geschichtserzählun-gen Israels Bezug nimmt.73

Móricz wählt mit Ps 22; 8874; 107 und 137 Psalmen aus, in denen sich die Phänomenologie des Traumas abzeichnet, die individuelle (Ps 22,1–22; 88) und kollektive (Ps 22,23–32; 107; 137) Perspektiven auf traumatische Inhalte eröffnen und auch die transgenerationale Weitergabe (Ps 107; 137) in den Blick nehmen.75 Außerdem weisen alle vier Psalmen eine herausgehobene Stellung im literarischen Kontext und in der Wirkungsgeschichte auf.

Im Gespräch mit bisherigen Auslegungen vertieft Móricz Einsichten zur vielstimmigen Darstellung von Not und Enge in den Klagepsalmen mit Blick auf Phänomene traumatischen Erlebens durch eine dichte Beschreibung von Inhalt, Form und Funktion dieser Gebete: Die Klagepassagen in Ps 22 und Ps 88 verweisen mit ihren Schilderungen der Feinde als Tiere, mit Bildern ge- schundener und zerfließender Körper sowie der Terminologie von Finsternis, Flut und Tod auf den flashbackartigen Charakter traumatischer Erinnerung. Klageschreie, die den Erzählfluss unterbrechen, ein Schweigen hervorrufen und zugleich an ein hörendes Gegenüber appellieren (22,2; 88,2), sowie Aussagen über das Handeln Gottes versuchen Distanz zur verstörenden Erinnerung zu gewinnen.76 Dabei führt die Klage einerseits zur Selbstprüfung (88,4–9.15–19) und signalisiert andererseits Protest und den Wunsch nach Veränderung (88,11 f.). Die Erzählung der Zerstörung in Ps 88 und die Erinnerung an Wüste (107,4–9), Exil (107,10–16) und Schifffahrt im Sturm (107,23–32) werden als »räumliche Zersprengung«77 verstanden, die Móricz als »traumatisierten Raum«78 bezeichnet, der sich auch in Ps 137 der Historisierung entziehe und von der Dynamik der Wiederholung geprägt sei. Dieses Zionslied thematisiere die Scham und Überlebensschuld des Kollektivs und halte im Wunsch nach Rache für Edom und Babylon das Gedächtnis an die eigene traumatische Erfahrung wach.79

Neben Phänomenen des Traumas erkennt Móricz auch Phänomene der Resilienz, etwa in dem Wunsch nach Situationsveränderung in der Frage nach dem Ziel göttlichen Handelns (hebr. למה). Aussagen zum Vertrauen in Gott und zur Geburtlichkeit (Ps 22,10 f.) interpretiert sie als innere sichere Orte und Gegenräume zu den Schreckensbildern. Den traditionell als »Stimmungsumschwung« bezeichneten Übergang von der Klage zum Lob deutet sie als »Zwischenraum«80, der den traumatischen Bildern heilsame Imaginationen entgegensetze, einen Vertrauensprozess einübe und so eine Kontrolle über die traumatische Erinnerung und deren narrative Einordnung in eine räumlich-zeitliche Ordnung erlaube.

III Der Ertrag traumatheoretischer Einsichten für die Auslegung alttestamentlicher Texte



Nahm die Interpretation alttestamentlicher Texte als Traumaerzählungen ihren Ausgangspunkt bei Schriften, die im Gefolge der Zerstörung Jerusalems und des babylonischen Exils entstanden, so werden inzwischen auch Texte herangezogen, die individuelle Traumata thematisieren. Es fehlt aber nicht an kritischen Stimmen.

Smith-Christopher konstatiert ein Dilemma heutiger Bibelwissenschaft, die sich mit Traumatheorie und weiteren soziologischen Studien auseinandersetzt. Da die Definition von Trauma in modernen westlichen Gesellschaften entwickelt wurde, sei sie nur mit aller Vorsicht auf antike Gesellschaften anwendbar. Einerseits helfe sie, die Effekte von Krieg und Judas Kolonialisierung durch die Großmächte zu beurteilen. Andererseits laufe die Annahme einer generellen traumatischen Erfahrung aber Gefahr, die spezifische Geschichte und Erfahrung des antiken Israel zu nivellieren.81 Allerdings zeigt Alexander, dass die Theorie des kulturellen Traumas auch auf nicht-westliche Gesellschaften anwendbar ist,82 mithin auch antike Verhältnisse einschließen kann. Die hier aufgeführten exegetischen Studien begründen einleuchtend, dass das Ezechielbuch mit seinen mitunter surrealen Texten und das ungeordnete und viele Stimmen zitierende Jeremiabuch als Erzählungen über das kulturelle Trauma des Exils verstanden werden können. Diese Auslegung schließt bisherige Deutungen nicht aus, kann aber die spezifische Gestalt und inhaltliche Besonderheiten beider Schriften präziser erfassen. Beispielsweise lässt sich die beide Schriften prägende Schuldzuschreibung an das eigene Volk, das im Rückblick auf die Katastrophe der Abkehr von Gott und der Hinwendung zu anderen Gottheiten bezichtigt wird – im Jeremiabuch der sogenannten deuteronomistischen Redaktion zugeschrieben –, aus traumatheoretischer Perspektive als Opferbeschuldigung (»blaming the victim«) erklären. Im Blick auf die Trägergruppen eines kulturellen Traumas handelt es sich dabei um eine Schuldübernahme, die die Vorstellung vom wirkmächtigen Gott Israels aufrechterhält und sich gleichzeitig der weiter bestehenden Handlungsfähigkeit der Traumaopfer versichert.

David Janzen fordert eine konsequente Unterscheidung von kollektivem und individuellem Trauma ein und kritisiert die von Elizabeth Boase, David Carr, Frechette und O’Connor vorgetragene Annahme, biblische Texte könnten Traumaopfern die Überwindung ihres individuellen Traumas erleichtern.83 Er weist darauf hin, dass aus soziologischer Sicht die Erzählung über ein kulturelles Trauma notwendigerweise andere Ziele verfolge als einzelne Traumaopfer zu »heilen«. Während eine unter verschiedenen Trägergruppen ausgehandelte Erzählung eine bestimmte Erklärung des Traumas bevorzuge (claimed experience), sei das Trauma einzelner Überlebender der Erinnerung gerade nicht zugänglich (unclaimed):

»If these narratives are actually effective then they will silence and overwrite the trauma of individual victims, which has no place for narrative or meaning. The social narrative needs widespread acceptance of its meaning if it is to result in social cohesion, but this will not be possible if many trauma victims speak of the ›nescience‹ and meaninglessness of trauma; the social narrative will not succeed, in short, unless individual victims repress their trauma.«84

Janzen scheint davon auszugehen, dass sich die Einschätzungen dieser Exegetinnen und Exegeten auf traumatisierte Überlebende der Zerstörung Jerusalems und des Exils beziehen. Über die Traumatisierung von Menschen längst vergangener Zeiten lässt sich trefflich streiten. Aus meiner Sicht akzentuieren die von Janzen Kritisierten jedoch überwiegend die potentiell heilsame Wirkung der Texte auf heutige Rezipienten, die – im Sinne der Theorien Granofskys und Vickroys – durch die Auseinandersetzung mit Traumaerzählungen, gerade auch fiktiven, eine Sprache finden können, die ihnen hilft, ihr eigenes Trauma zu deuten. Dass z. B. Psalmen eine für Leserinnen und Leser in eigenen Bedrängnissen hilfreiche Sprache bieten und die individuelle Gottesbeziehung bereichern, ist längst gesehen worden und wird nun unter Rückgriff auf Traumatheorien erörtert.

Bedeutender als ein Urteil über mögliche historische Tatbestände ist daher, dass die Traumaperspektive neue Interpretations-möglichkeiten bietet. Sie ist geeignet, verstörenden Texten, die kriegerische und sexualisierte Gewalt beschreiben, einen Sinn abzugewinnen. Solche Texte als Traumaerzählungen zu verstehen, erlaubt es heutigen Rezipienten, eine geschützte Konfrontation mit traumatischen Inhalten vorzunehmen, die eigenen Traumata ähneln und helfen, letztere in die eigene Lebenswelt zu integrieren. Diesen Ansatz verfolgt u. a. Claassens, indem sie alttestamentliche »texts of terror« modernen Romanen mit traumatischen Inhalten gegenüberstellt und ähnliche Strukturen, Figuren, Konflikte und mögliche Lösungen aufzeigt.85 Im Vergleich der Erzählungen über die Geburten von Rahel, Lea, Bilha und Silpa (Gen 29–35) mit Margaret Atwoods dystopischen Roman »The Handmaid’s Tale« aus dem Jahr 1985 greift sie beispielsweise auf Roots These des »insidious trauma« zurück.86 In der Erzählung der Vergewaltigung Dinas (Gen 34) und Anna Burns’ Roman »Milkman«, der im Kontext des Nordirlandkonflikts der 1970er Jahre spielt, arbeitet sie einleuchtend analoge Muster der Darstellung vulnerabler Frauenkörper sowie die Überlagerung von individuellem und kollektivem Trauma heraus.87 Ähnlich bieten auch Studien, die die Einschreibung von individuellen wie kollektiven Traumata in modernen Romanen oder Lyrik herausarbeiten, Vergleichsmöglichkeiten für die Interpretation biblischer Texte.88

Als Traumaerzählungen verstanden ermöglichen einige alttes-tamentliche Schriften ähnlich wie moderne Romane heutigen Leserinnen und Lesern eine Auseinandersetzung mit individuellen und kollektiven Traumata und deren vielstimmigen Deutungen. Ob diese Perspektive auf alle Texte gleichermaßen anwendbar ist, erscheint mir fraglich, wird sich jedoch zeigen. Jedenfalls gibt es dazu im Alten und Neuen Testament noch viel zu entdecken.

Abstract



Trauma studies offer a new perspective on the interpretation of Hebrew Bible texts. Following the psychological definition of trauma as a horrendous event that leaves indelible marks upon body and mind of a person or group, literary critics use trauma as an interpretive pattern to analyze modern novels. Drawing on these literary studies, exegetes interpret texts that narrate the destruction of Jerusalem and the Babylonian exile (Ezekiel and Jeremiah) or speak about individual suffering (lament psalms). Thus, the seemingly chaotic sequence, polyphony, and disturbing metaphors of these texts can be understood as reverberations of individual and collective trauma. While presenting results of recent interpretations, the article also discusses objections and limitations of this new perspective.

Fussnoten:

1) Vgl. J. L. Herman, Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden. Aus dem Amerikanischen von V. Koch/R. Weitbrecht, Paderborn 52018; B. A. van der Kolk, Verkörperter Schrecken. Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann. Aus dem Amerikanischen von T. Kierdorf/H. Höhr, Lichtenau 52018. Einen Überblick über die wechselvolle Forschungsgeschichte bietet M. Schult, »Ein Hauch von Ordnung«. Traumaarbeit als Aufgabe der Seelsorge (APrTh 64), Leipzig 2022.
2) Vgl. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, hg. v. American Psychiatric Association, 3. Aufl. Washington 1980 (DSM–III); die Definition für PTBS wurde seither mehrfach erweitert; aktuell ist die 5. Aufl. 2013 (DSM–V).
3) Dieses 1991 geschaffene Kunstwort steht in Zusammenhang mit der Gründung des Deutschen Instituts für Psychotraumatologie e. V. (DIPT) durch Gottfried Fischer; vgl. https://www.psychotraumatologie.de/ (letzter Zugriff 18.01. 2022).
4) G. Fischer/P. Riedesser, Lehrbuch der Psychotraumatologie, München 52020, 88 (im Original kursiv). Eine gute Zusammenfassung der Ausführungen von Fischer/Riedesser bietet R. Poser, Das Ezechielbuch als Trauma-Literatur (VTS 152), Leiden u. a. 2012, 59–65.
5) Vgl. Fischer/Riedesser, Lehrbuch (s. Anm. 4), 89–92.
6) Vgl. Herman, Narben (s. Anm. 1), 47–59.
7) Vgl. van der Kolk, Schrecken (s. Anm. 1), 232–234.245 f. Fischer/Riedesser (Lehrbuch [s. Anm. 4], 97–99) sprechen vom heißen affektgeladenen Gedächtnis im Unterschied zum kühlen alltäglichen Gedächtnis.
8) Vgl. van der Kolk, Schrecken (s. Anm. 1), 243–264; Herman, Narben (s. Anm. 1), 73–75.176 f.; Fischer/Riedesser, Lehrbuch (s. Anm. 4), 223–225.
9) C. Caruth, Unclaimed Experience: Trauma, Narrative, and History, Baltimore 1995, 11; vgl. dies. (Hg.), Trauma and Recovery. Explorations in Memory, Baltimore 1995, 151–157.
10) Vgl. S. Emanuel, Trauma Theory, Trauma Story. A Narration of Biblical Studies and the World of Trauma (Brill Research Perspectives in Biblical Interpretation), Leiden u. a. 2021, 9: »For while trauma may be unnarratable, recovery requires repeated narration.«
11) Herman, Narben (s. Anm. 1), 195.
12) Van der Kolk, Schrecken (s. Anm. 1), 279.
13) Vgl. F. Neuner/C. Catani/M. Schauer, Narrative Expositionstherapie (NET), Göttingen 2021. Zu weiteren Therapieverfahren vgl. Fischer/Riedesser, Lehrbuch (s. Anm. 4), 211–276.
14) um transgenerationalen Trauma vgl. a. a. O. Fischer/Riedesser, Lehrbuch (s. Anm. 4), 187.358 f. sowie J. R. Vollhardt, The Question of Legitimacy in Studying Collective Trauma, in: I. Maček (Hg.), Engaging Violence. Trauma, Memory and Representation, London/New York 2016, 74–90.
15) Vgl. J. C. Alexander u. a., Cultural Trauma and Collective Identity, Berkeley, 2004.
16) J. C. Alexander, Toward a Theory of Cultural Trauma, in: Ders. u. a., Cultural Trauma, 1–30, 1.
17) Vgl. a. a. O., 8–14.
18) A. a. O., 12: »master narrative«.
19) Vgl. a. a. O., 15–24.
20) Vgl. N. Smelser, Psychological and Cultural Trauma, in: Alexander u. a., Cultural Trauma (s. Anm. 15), 31–59, 49 f. Zu dessen konflikthafter Aushandlung vgl. auch K. Erikson, Notes on Trauma and Community, in: Caruth (Hg.), Trauma (s. Anm. 9), 183–199.
21) Vgl. Smelser, Trauma (s. Anm. 20), 52–55. Wie dies zu politischer Polarisierung und einem generationenübergreifenden Kampf um die Deutung des ursprünglichen Ereignisses führen kann, beschreibt B. Giesen, The Trauma of the Perpetrators, in: Alexander u. a., Cultural Trauma (s. Anm. 15), 112–154, am Beispiel der Erinnerung an den Holocaust in Deutschland.
22) Smelser, Trauma (s. Anm. 20), 54: »cultural traumas can never be solved and never go away.«
23) Vgl. V. D. Volkan, Blutsgrenzen. Die historischen Wurzeln und psychologischen Mechanismen ethnischer Konflikte und ihre Bedeutung für Friedensverhandlungen, Bern 1999; ders., Transgenerational Transmissions and Chosen Traumas: An Aspect of Large-Group Identity, in: Group Analysis 34 (2001), 79–97.
24) Als Beispiel führt Volkan (Transgenerational Transmissions [s. Anm. 23], 92–95) die Erinnerung an die Niederlage bei der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahr 1389 an, die im Bosnienkrieg 1989 von serbischen Nationalisten reaktiviert wurde, um serbische Ansprüche auf den Kosovo zu begründen, und die bis heute die Beziehungen zu den überwiegend muslimischen Albanern bestimmt.
25) Vgl. D. L. Smith-Christopher, Trauma and the Old Testament: Some Problems and Prospects, in: E.-M. Becker/J. Dochhorn/E. K. Holt (Hgg.), Trauma and Traumatization in Individual and Collective Dimensions. Insights from Biblical Studies and Beyond, Göttingen 2014, 223–243, bes. 239 f.
26) Vgl. Caruth, Unclaimed Experience (s. Anm. 9); L. Vickroy, Reading Trauma Narratives. The Contemporary Novel and the Psychology of Oppression, Charlottesville 2015; A. Whitehead, Trauma Fiction, Edinburgh 2004.
27) Vgl. R. Granofsky, The Trauma Novel. Contemporary Symbolic Depictions of Collective Disaster, New York u. a. 1995.
28) Vgl. a. a. O., 18.
29) Vgl. a. a. O., 6 f.
30) Vgl. a. a. O., 13–15.
31) Vgl. L. Vickroy, Trauma and Survival in Contemporary Fiction, Charlottesville 2002, 3.
32) Vgl. dazu Whitehead, Trauma Fiction (s. Anm. 26), 6.
33) Vgl. L. Vickroy, Voices of Survivors in Contemporary Fiction, in: M. Balaev (Hg.), Contemporary Approaches to Trauma Theory, New York 2014, 130–148, bes. 138–140.
34) M. P. P. Root, Reconstructing the Impact of Trauma on Personality, in: L. S. Brown/M. Ballou (Hgg.), Personality and Psychopathology. Feminist Reappraisals, New York 1992, 229–266, 240; »insidious« meint in diesem Zusammenhang »schleichend« oder »heimtückisch«.
35) Vgl. a. a. O., 235 f. Zur postkolonialen Kritik an der Traumatheorie Caruths u. a., die auf Freud basierend als eurozentrisch bezeichnet wird, vgl. I. Visser, Decolonizing Trauma Theory. Retrospect and Prospects, in: Humanities 4 (2015), 250–265.
36) Vgl. Root, Impact of Trauma (s. Anm. 34), 237 f.; Vickroy, Trauma Narratives (s. Anm. 26), 9 f.
37) Vgl. grundlegend D. M. Carr, Holy Resilience. The Bible’s Traumatic Origins, New Haven 2014. Forschungsüberblicke bieten D. G. Garber Jr., Trauma Theory and Biblical Studies, in: CR.BS 14 (2015), 24–44; K. M. O’Connor, How Trauma Studies Can Contribute to Old Testament Studies, in: Becker u. a. (Hgg.), Trauma (s. Anm. 25), 210–222.
38) Erste Ergebnisse erschienen in E. Boase/C. G. Frechette (Hgg.), Bible through the Lens of Trauma, SemeiaSt 86, Atlanta 2016 (mit einer Liste der Sessions zu »Trauma«, a. a. O., 249 f.).
39) Die Tagungsbände wurden herausgegeben von Becker u. a. (s. Anm. 25); D. Erbele-Küster/N. Móricz/M. Oeming (Hgg.), »Gewaltig wie das Meer ist dein Zusammenbruch« (Klgl 2,13). Theologische, psychologische und literarische Zugänge der Traumaforschung, Tübingen 2022. Die Rostocker Tagung hatte den Schwerpunkt Resilienz; vgl. J. Gärtner/B. Schmitz (Hgg.), Resilienznarrative im Alten Testament (FAT 156), Tübingen 2022. Da die psychologische Resilienzforschung andere Prozesse fokussiert als die Psychotraumatologie, kann diese Forschungsrichtung aus Platzgründen hier nicht näher erläutert werden.
40) Zur Unterscheidung der Theorien von Katastrophen, die als Perspektive von außen Ursachen und soziale Auswirkungen eines Ereignisses verhandeln, und von Traumata, die auf eine Innenperspektive der psychischen und kulturellen Wunden fokussieren, ohne diese letztlich erklären zu können, vgl. J. Dietrich, Cultural Traumata in the Ancient Near East, in: Becker u. a. (Hgg.), Trauma (s. Anm. 25), 145–161, bes. 148 f.
41) Vgl. besonders T. Linafelt, Surviving Lamentations. Catastrophe, Lament, and Protest in the Afterlife of a Biblical Book, Chicago 2000; E. Boase, Fragmented Voices. Collective Identity and Traumatization in Lamentations, in: Dies. Fre- chette (Hgg.), Bible (s. Anm. 38), 49–66; D. Janzen, Trauma and the Failure of His-tory. Kings, Lamentations, and the Destruction of Jerusalem, Atlanta 2019; Else K. Holt, The Strongman (Geber) Speaks Back. Trauma, Cultural Memory, and Gender in Lamentations, in: Erbele-Küster u. a. (Hgg.), Traumaforschung (s. Anm. 39), 112–123.
42) Vgl. E. Boase/S. Agnew, »Whispered in the Sound of Silence«. Traumatising the Book of Jonah, in: The Bible & Critical Theory 12 (2016), 4–22; I. Fischer, »Alles andere als zum Lachen«. Das Jonabuch als Anleitung zur Traumatisierungsbewältigung, in: H.-J. Fabry (Hg.), The Books of the Twelve Prophets (BETL 295), Leuven 2018, 305–315; L. J. Claassens, Surfing with Jonah. Reading Jonah as Postcolonial Trauma Narrative, in: JSOT 45 (2021), 576–587.
43) D. M. Daschke, Desolate among Them: Loss, Fantasy, and Recovery in the Book of Ezekiel, in: American Imago 56 (1999), 105–132, bes. 120.
44) D. L. Smith-Christopher, A Biblical Theology of Exile, Minneapolis 2002, 89–96.
45) D. G. Garber, Traumatizing Ezekiel. Psychoanalytic Approaches to the Biblical Prophet, in: J. H. Ellens/W. G. Rollins (Hgg.), Psychology and the Bible. A New Way to Read the Scriptures, Westport 2004, 215–235.
46) D. G. Garber, Trauma, History, and Survival in Ezekiel 1–24, Diss. masch. Emory University 2005.
47) N. R. Bowen, Ezekiel (AOTC), Nashville 2010, XV–XIX; B. E. Kelle, Ezekiel. A Commentary in the Wesleyan Tradition (New Beacon Bible Commentary), Kansas City 2013.
48) Vgl. Poser, Ezechielbuch (s. Anm. 4). Eine Kurzfassung der These findet sich in R. Poser, Verlorene Sprache. Das Ezechielbuch als literarische Auseinandersetzung mit dem Trauma des babylonischen Exils, in: Pastoraltheologie 105 (2016), 121–138.
49) Vgl. Poser, Ezechielbuch (s. Anm. 4), 334–339.
50) Bowen (Ezekiel [s. Anm. 47], 28) zufolge ähnelt Ezechiels symbolische Inszenierung der Zerstörung Jerusalems dem selbstverletzenden Verhalten von traumatisierten Personen mit Essstörungen.
51) Zu den Begriffen Smelsers s. o. Anm. 21.
52) Poser, Ezechielbuch (s. Anm. 4), 652. Das Phänomen der fehlenden Darstellung der Exilszeit betrifft die gesamte Hebräische Bibel; vgl. R. Albertz, Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr. (BE 7), Stuttgart 2001, 13.
53) Vgl. Poser, Ezechielbuch (s. Anm. 4), 536–541.
54) Vgl. a. a. O., 371–409 (zu Ez 16) und 435–445 (zu Ez 23).
55) L. Stulman, Jeremiah as a Polyphonic Response to Human Suffering, in: J. Kaltner/L. Stulman (Hgg.), Inspired Speech. Prophecies in the Ancient Near East. FS H. Huffmon, London/New York 2004, 302–318.
56) K. M. O’Connor, Jeremiah. Pain and Promise, Minneapolis 2011, 17.
57) Vgl. C. G. Frechette, The Old Testament as Controlled Substance. How Insights from Trauma Studies Reveal Healing Capacities in Potentially Harmful Texts, in: Interpretation 59 (2015), 20–34.
58) Vgl. C. M. Maier, Wer schreibt Geschichte? Ein kulturelles Trauma und seine Träger im Jeremiabuch, in: VT 70 (2020), 67–82.
59) Vgl. ausführlicher C. M. Maier, Kollektive und individuelle Traumata im Jeremiabuch, in: D. Erbele-Küster u. a. (Hgg.), Traumaforschung (s. Anm. 39), 99–117, bes. 107 f.
60) L. Stulman, Jeremiah the Prophet. Astride Two Worlds, in: M. Kessler (Hgg.), Reading the Book of Jeremiah. A Search for Coherence, Winona Lake 2004, 41–56, 46.
61) Vgl. O’Connor, Jeremiah (s. Anm. 56), 81–91.
62) L. J. Claassens, Jeremiah. The Traumatized Prophet, in: L. Stulman/E. Silver (Hgg.), Oxford Handbook to Jeremiah, Oxford 2021, 358–373.
63) Vgl. a. a. O., 370–372.
64) Vgl. C. Maier, Kein Balsam in Gilead? Potentiale für Resilienz in Klagetexten des Jeremiabuches, in: Gärtner/ Schmitz (Hgg.), Resilienznarrative (s. Anm. 39), 131–146.
65) Vgl. auch S. Kipfer, Klimakatastrophen wahrnehmen, deuten und bewältigen. Jer 14* und Joel 1–2* als Klage anlässlich einer Dürre, in: Erbele-Küster u. a. (Hgg.), Traumaforschung (s. Anm. 39), 124–146.
66) B. Janowski, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn 2003.
67) C.-W. Kim, Psalms of Communal Lament as a Relic of Transgenerational Trauma, in: JBL 140 (2021), 531–556.
68) Vgl. a. a. O., 550–552.
69) Dazu arbeitet eine interdisziplinäre DFG-Forschungsgruppe »Resilienz in Religion und Spiritualität« unter Leitung von Cornelia Richter (Universität Bonn); vgl. auch Gärtner/Schmitz (Hgg.), Resilienznarrative (s. Anm. 39).
70) C. G. Frechette, Destroying the Internalized Perpetrator. A Healing Function of the Violent Language against Enemies in the Psalms, in: Becker u. a. (Hgg.), Trauma (s. Anm. 25), 71–84, bes. 79.83.
71) Vgl. J. Gärtner, Lebensstark aus der Klage. Traditionen der Hebräischen Bibel in der Perspektive von Resilienz am Beispiel von Ps 22, in: ZPrTh 51 (2016), 75–81, bes. 80 f.
72) Vgl. N. Móricz, Wie die Verwundeten – derer du nicht mehr gedenkst. Zur Phänomenologie des Traumas in den Psalmen 22, 88, 107 und 137 (FRLANT 282), Göttingen 2021.
73) Vgl. die Einleitung in die Traumaforschung (a. a. O., 10–48) und in die Narratologie (a. a. O., 49–100).
74) Zur Auslegung von Ps 88 s. auch N. Móricz, Leibgedächtnis und die Phänomenologie des Traumas in Ps 88, in: Erbele-Küster u. a. (Hgg.), Traumaforschung (s. Anm. 39), 147–168.
75) Vgl. Móricz, Wie die Verwundeten (s. Anm. 72), 45 f.
76) Vgl. a. a. O., 207.
77) A. a. O., 215.
78) A. a. O., 287.
79) Vgl. a. a. O., 273–280.
80) A. a. O., 292.
81) Vgl. D. Smith-Christopher, Reading War and Trauma. Suggestions Toward a Social-Psychological Exegesis of Exile and War in Biblical Texts, in: B. E. Kelle/F. R. Ames/J. L. Wright (Hgg.), Interpreting Exile. Displacement and Deportation in Biblical and Modern Contexts (SBLAIL 10), Atlanta, 2011, 253–274, 269.
82) Vgl. Alexander, Toward a Theory (s. Anm. 16), 24 f.
83) Vgl. D. Janzen, Claimed and Unclaimed Experience. Problematic Readings of Trauma in the Hebrew Bible, in: BibInt 27 (2019), 163–185. Er verweist (a. a. O., 167 f.) auf E. Boase, Fragmented Voices (s. Anm. 41), 51; D. M. Carr, Reading into the Gap: Refractions of Trauma in Israelite Prophecy, in: B. E. Kelle u. a. (Hgg.), Interpreting Exile (s. Anm. 81), 295–308, bes. 299–302; C. G. Frechette, Daughter Babylon Raped and Bereaved (Isaiah 47). Symbolic Violence and Meaning-Making in Recovery from Trauma, in: E. Boase/ders. (Hgg.), Bible (s. Anm. 38), 67–83, 74; O’Connor, Trauma Studies (s. Anm. 37), 213–217.
84) Janzen, Experience (s. Anm. 83), 179.
85) Vgl. L. J. M. Claassens, Writing and Reading to Survive. Biblical and Contemporary Trauma Narratives in Conversation, Sheffield 2020.
86) Vgl. a. a. O., 72–97. Die deutsche Übersetzung »Der Report der Magd« erschien 1987. Der Roman wurde 1990 unter dem Titel »Die Geschichte der Dienerin« von Volker Schlöndorff verfilmt und wird in den USA seit 2017 als Fernsehserie produziert und weitererzählt.
87) Vgl. a. a O., 98–126. Die deutsche Übersetzung erschien 2020 unter dem Titel »Milchmann«.
88) Vgl. in Erbele-Küster u. a. (Hgg.), Traumaforschung (s. Anm. 39), die Aufsätze von M. Haase, Schmerz-Lektionen. Erzählte Traumata in György Dragománs Romanen (229–242), und M. Grohmann, Poetische Traumaverarbeitung. Spuren von Klageliedern in Ingeborg Bachmanns später Lyrik (211–228); S. Wodianka, Aufklärung und Resilienz. Zur Widerstandskraft des Erzählens in Voltaires »Candide« (1759), in: Gärtner/Schmitz (Hgg.), Resilienznarrative (s. Anm. 39), 385–400.