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Ausgabe:

Juli/August/2022

Spalte:

750–752

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schröder, Bernd

Titel/Untertitel:

Religionspädagogik. 2., überarb. u. ergänzte Aufl.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. XVIII, 806 S. = Neue Theologische Grundrisse. Kart. EUR 49,00. ISBN 9783161595844.

Rezensent:

Michael Meyer-Blanck

Seit dem Erscheinen der 1. Auflage (vgl. meine Anzeige in ThLZ 138 [2013], 113–115) hat sich Bernd Schröders umfassendes Lehrbuch allgemein als Standardwerk etabliert. Das hat mehrere Gründe: Zum einen bleibt dieser vielperspektivische Entwurf die Antwort auf keine religionspädagogische Fachfrage schuldig. Zum anderen ist der Autor selbst in der Fachdiskussion in vielfältiger Weise präsent und bestimmt diese maßgeblich mit. Und schließlich ist sein Urteil – auf der Basis umfassender deutscher und internationaler Literaturkenntnis – differenziert und besonnen. Offenheit bei der empirischen Wahrnehmung von Pluralität und Heterogenität verbinden sich bei Sch. mit einem erkennbaren evangelischen Profil.
Es wundert darum nicht, dass ein Jahrzehnt nach der ersten eine zweite Auflage nötig geworden ist. Dabei ist der Umfang des Lehrbuches aufgrund der Aktualisierungen und Ergänzungen um gut 70 Seiten erweitert worden. Im Vergleich zur 1. Auflage sind die fünf großen Kapitel, die nach Sch. die »fünf grundlegenden Reflexionsdimensionen der Religionspädagogik repräsentieren« (V), umgestellt worden. Begann Sch. in der 1. Auflage mit der historischen und der systematischen Perspektive, so ist das historische Kapitel jetzt ganz ans Ende (619–771) gerückt, so dass die Reihenfolge der Perspektiven jetzt die folgende ist: 1. empirisch, 2. systematisch, 3. handlungsorientiert, 4. vergleichend und 5. historisch. Damit soll zum Ausdruck kommen, »dass die Geschichte die gegenwärtigen Handlungs- und Reflexionsaufgaben nicht vorgibt« (VI), während die Wahrnehmung der Realität in der Regel den Ausgangspunkt religionspädagogischer Reflexion bildet.
Diese Gliederung ist in der Tat schlüssiger als der herkömmliche Aufriss von der Geschichte über die Systematik zur Empirie und Handlungsorientierung. Gleichwohl gibt es auch gute Gründe dafür, mit hermeneutisch-systematischen Überlegungen (»Prolegomena«) zu beginnen, da die empirische wie die historische Wahrnehmung der »Tatsachen« stets von spezifischen Grundannahmen geleitet wird, die anzugeben für die Rezeption und eigene Urteilsbildung von Vorteil ist.
Noch wichtiger als die Gliederung ist freilich das in den 55 Paragraphen des Buches (1. Aufl.: 52) Gebotene. Neu sind im systematischen Kapitel der § 13 »Heterogenitätsfreundlichkeit und transparente Positionalität« (189–198) sowie im handlungsorientierenden Kapitel der § 43 »Theologie bzw. Evangelische Religion lehren – Hochschuldidaktik« (544–554). Daneben sind alle Paragraphen und Literaturlisten aktualisiert worden (dabei sind einige, wie die Bibliographie zu dem neuen § 13, ein wenig überdimensioniert).
In der Einleitung zu § 13 heißt es programmatisch: »Pluralität ist nicht nur ein geschichtlich gewordenes, empirisches Faktum, sondern sie wurde und wird gewünscht und wertgeschätzt: zivilgesellschaftlich, politisch und rechtlich.« (190) Als Folge dieser Entwicklung wird konstatiert, dass in der gegenwärtigen Religionspädagogik vor allem internationale, erziehungswissenschaftliche und philosophische Theorien inspirierend wirken, während das auf die »traditionellen Wissensbestände« der Theologie kaum zu­treffe: »Unter den theologischen Gegenwartsströmungen spielen am ehesten Theologie der Religionen, komparative Theologie und Interkulturelle Theologie eine fruchtbare Rolle.« (194) Wenn diese Analyse stimmt, bedeutet das eine erhebliche Herausforderung für das theologische Studium, insbesondere für das Lehramtsstudium. Die Integration von klassischen und aktuellen Wissensbeständen muss das Konzept der theologischen Lehre bestimmen und darf nicht allein an den Studierenden hängenbleiben. Der Paragraph schließt mit einer weitreichenden Frage zur Konfessionalität des Religionsunterrichts aufgrund der Inklusionsdebatte: Wenn Be­hinderungen nicht mehr als hinreichende Gründe für die äußere Differenzierung von Lerngruppen gelten, »wieso sollte dann die Konfessions- oder Religionszugehörigkeit von Schülerinnen und Schülern zu dauerhaft gesonderten Lerngruppen führen?« (198)
Nicht zuletzt das umfangreiche 3. Kapitel (»Religionspädagogik in handlungsorientierender Perspektive«, 227–554) lässt keine Wünsche offen. Hier finden sich nicht nur eine detaillierte Theorie und Didaktik des schulischen Religionsunterrichts (343–495, ein kleines Buch im Buch!), sondern auch ausführliche Abschnitte zum religiösen Lernen in der Familie, zur Gemeindepädagogik und zur Religionspädagogik der Medien. Neu sind zwei Anhänge mit Anleitungen zur Unterrichtsvorbereitung im gemeindepädagogischen (337–340) und schulpädagogischen Kontext (492–495). Sie werden besonders bei Studierenden Interesse finden, denen im Pflichtseminar bzw. im Examen ein Unterrichtsentwurf abverlangt wird. Auch auf die Thematisierung von Leistung, Benotung und Unterrichtsstörungen (§ 31, 413–423; in der 1. Aufl. § 41) wird man gern zurückgreifen beim Weg in die Praxis. Nur zu unterstreichen ist der Grundsatz des hochschuldidaktischen § 43, dass weder die Vermittlung von fachlichem Wissen noch die Aneignung von methodischen Kompetenzen ausreichend ist, weil es sich beim Pfarramts- und Lehramtsstudium selbst um Bildungsvorgänge handelt, die zur Wahrnehmung einer Profession befähigen sollen (548 f.).
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Sch.s gewichtiges und in jeder Weise zuverlässiges Lehrbuch auch in der weiteren Fachdiskussion sowie in der Aus- und Fortbildung seinen festen Platz behalten und weiterhin viele Leserinnen und Leser finden wird. Die Gliederung in Paragraphen und das detailreiche Inhaltsverzeichnis helfen auch denjenigen, die sich zu einer bestimmten Fragestellung knapp und konsistent informieren wollen; besonders auch die Literaturübersicht zu Beginn aller Paragraphen hilft bei der eigenen Weiterarbeit. Das alles macht das Buch für die akademische Lehre besonders geeignet.