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Ausgabe:

Juni/2022

Spalte:

605–609

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Barth, Ulrich

Titel/Untertitel:

Symbole des Christentums. Berliner Dogmatikvorlesung. Hg. v. F. Steck.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. XII, 579 S. Kart. EUR 49,00. ISBN 9783161608827.

Rezensent:

Harald Seubert

Ulrich Barth bemerkt gerne gesprächsweise, Theologie habe ihren Ort auf der Schnittstelle von Kirchenmusik und Religionsphilosophie: zwei Bereichen, denen seine Leidenschaft und seine Fähigkeit in besonderem Maß gilt. Im Wintersemester 2011/12 zog B. als Seniorprofessor an der Berliner Humboldt-Universität eine Summe seiner jahrzehntelangen Lehrtätigkeit, die er seit den frühen 1990er Jahren vor allem an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wahrnahm.
Aus der Berliner Vorlesung ist ein beeindruckender Band hervorgegangen, der nicht etwa eine »Systematische Theologie«, sondern eine »Dogmatik« unter dem Titel Symbole des Christentums bietet. Die Gliederung lässt gleichermaßen ein an Umformungen der Moderne orientiertes und durch die evangelische Konfessionalität gesetztes deutliches Profil erkennen. B. verweist zu Recht darauf, dass der Begriff »Dogmatik« in starken Misskredit gekommen ist, so dass sein Gebrauch eine »Abrüstung« bzw. Korrektur erfordert. »Dogmatik« bezeichne einen Lehr- und Überlieferungsbegriff, der wissenschafts- und kulturtheoretisch zu rekonstruieren sei. Systematisch sollen Reflexionskategorien zur Vergegenwärtigung und Transformation des dogmatischen Bestandes bereitgestellt werden.
Von besonderem Gewicht für eine solche Ausrichtung der Dogmatik sind selbstverständlich die Prolegomena. Grundlegend ist dabei für B. die Einsicht, dass die Dogmatik auch innertheologisch nicht als Königsdisziplin verabsolutiert werden soll, auf die hin alle Linien zusammenlaufen. Sie soll vielmehr als ein Subsystem mit eigenen Methoden neben anderen in der »theologischen Enzyklopädie« erscheinen. In ähnlicher Weise soll auch Religion nicht als übergeordnetes Meta-Sinnsystem verstanden werden, sondern als eine Sinn- und Symbolisationsdimension unter und neben ande ren. Eine Vermischung mit Politik, Kunst oder Wissenschaften unterliefe, wie B. im Anschluss an Niklas Luhmann zu Recht bemerkt, die Rationalitätsformen der Moderne und würde auch der Religion nicht gerecht. Das Proprium seines Ansatzes sieht B. in der »Vermittlung von Religion und Leben«, die nicht nur theoretisch, sondern auch performativ geleistet werden muss. Dogma-tik wird mithin als »religiöse Selbstreflexion des Lebens« (65) verstanden.
Etwas schematisch trennt er die »alteuropäische« Dogmatisierung des Christentums, die er weitgehend als eine metaphysische Überformung und in der lateinischen Kirche als Verrechtlichung versteht, von dem evangelischen Konzept der Loci, das mit Melanchthon begonnen habe. Hier bleibt B., zunächst weniger originell, in den Bahnen der Harnackschen Großthese von der »Hellenisierung des Christentums«. Die platonistischen Tradierungen der Ostkirche werden nicht explizit herangezogen. Die lutherische Orthodoxie in ihrer Fundierung auf aristotelischer Metaphysik und einer natürlichen Theologie habe sich nach Kants »Destruktion«, außer in Nischen, nicht halten können. Ein Dogmatik-Programm, wie es durch Schleiermacher, Ritschl und auch Emanuel Hirsch grundgelegt worden ist, versteht B. selbst als anschlussfähig, aber auch als korrekturbedürftig. Die Ansätze haben ein eigenes Profil: Bei Schleiermacher ist die Grundlegung aus frommer Subjektivität leitend, bei Ritschl werde die »soziokulturelle Positivität« der christlichen Glaubensinhalte profiliert, bei Emanuel Hirsch, über dessen historische und systematische Schlagseiten sich B. ausschweigt, die Notwendigkeit der individuellen Aneignung (29).
B. entwickelt den evangelischen Lehrbegriff wie in einer Ellipse zwischen Gefühl und Gedanke, der emotionalen und der reflexiven Leistung. Dabei weist er durchgehend und nicht nur in den Prolegomena der Erkenntnistheorie religiöser Rede eine fokussierende Bedeutung zu. Es spricht für Eigenständigkeit und Rang des Ansatzes, dass dabei weniger gegenwärtige analytische Erkenntnistheoretiker als vielmehr Nietzsches Perspektivismus, Heideggers Existenzialphilosophie und Rudolf Ottos Kategorisierungsversuche des Heiligen Bezugsgrößen bilden.
Dem Symbolbegriff widmet B. besondere Aufmerksamkeit, wo­bei er ihn zwischen der weiten Fassung Ernst Cassirers (Philosophie der symbolischen Formen) einerseits und dem enger auf religiöse Phänomene bezogenen Begriffsinhalt Paul Tillichs andrerseits entwickelt. Vertieft wird dies durch metaphorologische Reflexionen, für die B. weniger auf Hans Blumenberg als vielmehr auf Paul Ricœur zurückgreift: auf die Spannung zwischen dem »ist« und »ist nicht«. Auch die heute viel berufene gedächtnistheoretische Orientierung der Kulturwissenschaften spiegelt sich bei B. – anschließend an Jan Assmann und den Klassiker Maurice Halbwachs. Dies ist wiederum so neu nicht, gewinnt aber durch B.s tiefe und sub-tile Orientierung an der Religionsphilosophie des deutschen Ideali smus und seiner singulären Kenntnis des Weges der evange-lischen Theologie zwischen Orthodoxie und Aufklärung eine besondere Tiefenschärfe und überraschende Leuchtkraft einer zur banalen Münze der Kulturwissenschaften gewordenen Gedächtnistheorie.
Es wird nicht verwundern, dass B. nicht an einer Repristination des altprotestantischen Schriftprinzips interessiert ist und ihr auch keine Erfolgsaussichten im Diskurs des 21. Jh.s zubilligen würde. Von »Heiligen Schriften« der Christenheit möchte er in ähnlichem Sinn sprechen wie von denjenigen anderer großer Religionen.
Die Gliederung seiner »Dogmatik« ist, wie B. selbst einräumt, vergleichsweise konventionell. Sie folgt dem Siebener-Schema von »Schöpfung« (I), »Jenseits von Eden« (II), »Sünde« (III), »Dürsten der Seele« (IV), »Heil« (V), »Unsichtbare Kirche« (VI) und »Ewigkeit« (VII). Aufgrund seiner Skepsis gegenüber voraussetzungsreichen Über-ladungen vermeidet es B., vom »heilsgeschichtlichen Schema« zu sprechen. Grundlegend ist für ihn der Charakter der einzelnen To­poi als »Versinnbildlichung idealtypischer Lebenssituationen« (75), die sich zwischen »Gottesvorstellung« und »Grundgefühlen« entwickeln. Die Essenz jener symboltheoretischen Ausrichtung zeichnet sich in den Untertiteln ab. Der erste Abschnitt über Schöpfung, auf den näher eingegangen werden soll, firmiert bei B. als Symbol für die »Verdanktheit des Lebens«.
In der umfassenden Exposition und der teils fein ausdifferenzierten Darstellung zeigt sich erst die souveräne, zugleich Polyperspektivität einlösende Herangehensweise B.s. Dankbarkeit für das Leben, das sich nicht selbst hervorgebracht hat, ist dabei als »Grundstimmung« (ein Heideggerscher Topos!) von besonderem Gewicht. Subjektivitätstheoretisch verwies schon Dieter Henrich, den B. immer wieder aufnimmt, exemplarisch auf den Zusammenhang beider Verständigungsdimensionen. Die Transzendenz des Ursprungs versteht B. aus einem kantischen Horizont als »Bedeutungspostulat«, das auch und gerade im Zeichen der Aufklärung seine Überzeugungskraft behält (123 ff.). Dies führt auf die Gottesbeweise.
Gerade das kosmologische Argument behielt bekanntlich seine Faszinationskraft auch für Kant. Ihm widmet auch B. seine besondere Aufmerksamkeit. Scharfsinnig und mit luziden Querschnittblicken auf Astrophysik und Evolutionstheorie (99 ff.) kontrastiert er die »symbolische Deutung« einer jeden »theoretischen Erklärung«. Für weise gewordene, gebildete »Naturtheologen« wie C. F. von Weizsäcker äußert er persönliche Sympathie, verdeutlicht aber zugleich, dass physikalische Kosmologie niemals die Einheit und Unendlichkeit, die mit dem Begriff des Universums angezeigt seien, treffen könne. An Weizsäcker mag er so vorbeikommen, eine Auseinandersetzung mit A. N. Whiteheads Process and reality wäre aber vielleicht sinnvoll gewesen.
Dass an entsprechendem Punkt eine hohe Normativität aus der symboltheoretischen Dogmatik zu gewinnen ist, zeigt besonders eindrucksvoll B.s Abschnitt über Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde (126 ff.). Er weist Evokationen einer »Sakralität der Person« (Hans Joas) als Ergebnis der Säkularisierungsbewegungen ebenso zurück wie einen rein humanistischen Menschenrechtsdiskurs, der, wie bei Julian Nida-Rümelin, die nicht-säkularen Quellen schon deshalb unter eine Verdächtigung stellt, weil sie in die Transzendenz verweisen. Symbolisch versteht B. mit dem Aufklärungstheologen Karl Gottlieb Baumgarten den Gegenhalt von Himmel und Erde als »Beschreibung des Kosmos«: Dem Kosmos kommt schöpfungstheologisch eine besondere Bedeutung zu. Ist er doch Sinnevokation des Ganzen, die weder evolutionär noch in Gleichungen eingelöst werden kann. Hier können auch metaphorisch Beschreibungen aus der neueren Philosophie, etwa der Heideggersche Gegenhalt von Welt und Erde, den B. immer wieder anklingen lässt, ihre Explika-tionskraft entfalten.
Der Topos II, im Untertitel »Jenseits von Eden«, verweist auf Endlichkeit und Sterblichkeit. B. spricht vom Fall in das Endliche und vom »Lastcharakter« des Lebens (172 ff.). Die mit antiken Vorklängen von Herder bis Arnold Gehlen reichende Bestimmung des Menschen als Mängelwesen verweist in der symbolischen Sinndeutung auf eine Zweideutigkeit des Daseins (184 ff.). Der Mensch zeigt sich demnach als »Zwitterwesen«. Einerseits ist er schon mit dem Alten Testament Ebenbild Gottes, das nur wenig niedriger als Gott selbst ist und über den Engeln steht, andererseits ist er vielfach in Zweifel und Irrtum verstrickt (185).
Ein auch methodisches Proprium von B.s Dogmatik ist es, dass er den Hallraum der biblischen Texte auf Kunst, vor allem auf Mu-sik hin öffnen kann. Der kultisch-kulturelle Umgang mit Tod und Vergänglichkeit findet im Requiem seine eindrückliche Darstellungsform (191 ff.). Gerade das Requiem profiliert B. in tiefer Kenntnis der Linien von Bach, Mozart über Brahms bis in die klassische Moderne und darüber hinaus. Die Erfahrung der Todverfallenheit gehört in den Umkreis des Schöpfungsglaubens (211 ff.): Kategorial erweist sich durch Moderne und Nachmoderne als Anderes des Schönen das Erhabene. Ehrfurcht, nicht nur vor dem Leben, sondern auch seiner Begrenztheit, instrumentiert diesen Bereich.
Umformungen des tradierten Bestandes sind besonders beim dritten Topos, der Hamartiologie (III), zu verzeichnen. Sünde be­zeichnet symbolhaft die »Fehlbarkeit des Lebens« (217 ff.). B. konstatiert völlig zu Recht, dass hier eine Gratwanderung erforderlich ist, zwischen »Nicht-Verständnis der Sünde« und deren Banalisierung und Verballhornung in der Alltagssprache einerseits (218 ff.) und dogmatischen Überladungen des Sündenbegriffs andererseits. Er versucht dieser doppelten Gefährdung zu entgehen, indem er da­rauf verweist, dass sich das Verständnis von Sünde auf dem schmalen Grat zwischen Dogmatik und Ethik vollziehen muss (221 ff.). Auch hier skizziert B. in kraftvollen Farben alttestamentliche Evokationen des Bösen, die bis zu dessen Verinnerlichung im abtrünnigen Herzen führen (228 ff.). Sünde hat als Sinndeutungsbegriff (230 ff.) die Kraft, das Böse reflexiv werden zu lassen. Eine »fatale Hypothek«, die E rbsündenlehre (238 ff.), wird in ihrer Dekonstruktion durch die Aufklärungstheologie einer Relektüre unterzogen. Dies bedeutet einen kritischen Schnitt auch durch in­nerevangelische Formationen. War Luther doch, wie B. zeigt, in seiner Frühphase von der augustinisch geprägten Erbsündenlehre durchdrungen, geradezu »besessen« (250 ff.). Derselbe Luther kümmert sich allerdings um eine willenstheoretische Bestimmung, die erst mit den Mitteln der kantischen und nachkantischen Philosophie (251 ff.257 ff.) in der Ana-lyse von Egoismus und Selbstliebe begrifflich eingeholt werden konnte. Damit rückt der Egoismus in den Fokus, auf den als Grundstimmung und Tugend die Demut antworten kann.
Leben hat, wie in Abschnitt IV verdeutlicht wird, in sich eine Tendenz zur Selbsttranszendierung, die B. unter dem Topos des »Dürstens der Seele« verhandelt (291 ff.). Darunter wird in einer bemerkenswerten systematischen Verschränkung gleichermaßen die Suche nach dem Zeiten überdauernden Glück und die Suche nach Heil verhandelt. Die Schleiermachersche Formulierung des Gegensatzes von Gnade und Sünde in den Kategorien von Lust und Unlust versucht B. als Leitfaden fruchtbar zu machen.
Im V. Abschnitt wird die Suche nach Heil als Frage nach einer umfassenden »Geborgenheit« des Lebens weiterverfolgt. Dies ist zugleich der Ort, an dem die Christologie entfaltet werden kann. B. geht an dieser Stelle in mikrologisch methodischer Besinnung auf die Problematik der Evangelienhermeneutik und die Leben-Jesu-Forschung ein. Die Einführung narratologischer, literaturwissenschaftlicher Konzepte in die Evangelienhermeneutik dürfe nicht zu einer Depotenzierung exegetischer Standards und kritischer Me­thoden werden. B. will die Evangelien nach wie vor als Beitrag zur Ge­schichtsschreibung verstanden wissen (336 ff.). Dies bedeutet auch, dass die Leben-Jesu-Forschung nicht einfach ad acta gelegt ist.
Systematisch betont B., dass die Christologie einer Begrenzung bedarf und »metaphysische« Relikte, der Druck durch die Trinitätslehre, von ihr abgezogen werden. Hier folgt er wieder und etwas eindimensional der Harnack-Ritschlschen-Schule. Der Ruf zur Umkehr und die Einheit des Sohnes mit dem Vater ist dann vor allem ein Interpretament der ethischen Gesinnung. Ich gestehe, dass mir gerade in diesem Kontext die Hegel-Spur des »spekulativen Karfreitags« und der Isomorphie des Lebens, des Begriffs und der Christologie zu kurz kommt, so eindrücklich der Ruf zur Um­kehr (354 ff.), die Phänomenologie der Geborgenheit, im Rekurs auf Bonhoeffer und den »basic trust« Erik Eriksons (395 ff.) berücksichtigt werden. Das theologische und sachliche Zentrum dieses Ab­schnitts sehe ich in der Rekonstruktion des Topos von der »Erneuerung des inneren Menschen«, der ein platonisches und paulinisches Motiv zusammenführt (399 ff.). Hier wird deutlich, welche Potentiale noch möglich gewesen wären, wenn B. den »alteuropäischen« griechischen Ansätzen noch konsequenter und nicht in einer allzu gängigen Metaphysikkritik gefolgt wäre.
B. behandelt die Ekklesiologie (VI) unter dem Hauptaspekt der Lutherischen Unterscheidung zwischen Sichtbarer und Unsichtbarer Kirche. Er sieht in ihr, an diesem Punkt in klarer Unterscheidung von neuprotestantischen Linien, von so divergierenden An-sätzen wie Albrecht Ritschl und Werner Elert, keineswegs nur eine historisch bedingte Bifurkation. B. hebt hervor, dass die Unterscheidung bei Luther christologisch fundiert ist. »Dem im Fleisch verborgenen leidenden Gott entspricht die ecclesia abscondita.« (zit. 443) B., der sich in seinem Vorwort zu den dramatisch rückgängigen Kirchenmitgliedschaften äußert, sieht eine konfessionelle Schärfung des aufgeklärt protestantischen Profils im Licht der Ekklesiologie als geboten an. Tradierte Formen der »Notae ec­clesiae« muss er aufgrund seiner starken individualisierungstheore-tischen Konzeption verwerfen. Der Spitzensatz: »Kirche ist aus re­formatorischer Sicht der Versuch einer Institutionalisierung des Nichtinstitutionalisierbaren« transformiert B. zufolge die Lehre von der unsichtbaren Kirche in eine angesichts der ekklesialen Situation zukunftsfähige Grundgestalt.
Die Eschatologie (VII) wird unter dem Rubrum »Ewigkeit – die Aufhebung des Lebens« verhandelt: Auch hier nimmt B. einen Spannungsbogen von Athen und Jerusalem auf, bespricht aber zu­gleich das platonisch-pythagoreische Interesse am Totengericht. Er widmet sich gleichermaßen den Ambivalenzen des apokalyptischen Erbes und weicht auch den intrikaten Dimensionen von Auferstehungsglauben und Ostern nicht aus. Symbolisch bringt der Osterglaube vor allem eine Zuversicht mit sich, die Welt und Zeit auf das hin öffnet, was als Ewigkeit verstanden werden mag.
Man legt B.s symbolische Dogmatik vielfach und in unterschiedlichen Dimensionen bereichert aus der Hand. Die Frage, ob ihm eine, auf der gegenwärtigen Religions- und Öffentlichkeitssituation angemessene sprachliche Form gelungen sei, kann man nicht eindeutig beantworten. Die eher konfessionell getakteten Passagen gegen Ende des Buches mit ihrem lateinischen Vokabular haben eine engere Reichweite als die philosophisch-psychologischen Reflexionen aus dem religiösen Leben am Beginn des Buches. Insgesamt aber ist B. etwas gelungen, was es so vorher nicht gab: eine feinhörige Symbollehre christlichen Selbstverständnisses, die in die Konkretionen der Überlieferung eintritt, sie in den verschiedenen Verständigungsfeldern und Umbrüchen, vor allem der Aufklärung, bricht und zu ihrer verinnerlichenden und individualisierenden Aneignung Substantielles beiträgt, ohne die Essenz un­nötig zu depotenzieren. B. zieht immer wieder Psychologie oder Soziologie heran, ohne doch, wie es vielfach geschieht, zu reduzieren. Ein Äquivalent zu Hermann Cohens Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums aus christlicher Sicht fehlte bislang. Dies hat sich nach B.s großer Monographie geändert. Allein damit setzt dieses bedeutende Werk einen Standard of art, in Eigenständigkeit, Einsamkeit und Freiheit, der hoffentlich diskursiv vielfache Echos – nicht im Reflex, sondern auf ähnlichem Niveau – auslösen wird.
Das Motto Klaus Bonhoeffers, das B. über seine Monographie setzt, löst er in vollem Sinn ein: »Bleibt nicht im Halbdunkel, sondern ringt nach Klarheit, ohne das Zarte zu verletzen und das Un­nahbare zu entweihen.«