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Ausgabe:

Juni/2022

Spalte:

566–567

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Burz-Tropper, Veronika [Hg.]

Titel/Untertitel:

Studien zum Gottesbild imJohannesevangelium.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2019. IX, 306 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 483. Kart. EUR 79,00. ISBN 9783161569623.

Rezensent:

Rainer Hirsch-Luipold

Ein Aufsatzband zur Gotteslehre des Johannesevangeliums ist überaus willkommen. Zwar hat sich die Situation nach der schon fast ein halbes Jahrhundert alten Klage von N. A. Dahl über die Gotteslehre als den »neglected factor« in der neutestamentlichen Theologie durchaus verändert, und es sind gerade in den letzten Jahren einige Arbeiten erschienen, zuletzt J. Freys »Theology and History of the Fourth Gospel« von 2018 (sowie M. M. Thompsons »God in the Gospel of John« von 2001). Auch Studien zum Verhältnis von Theologie und Christologie, zur Metaphorik der Gottesrede und zur Wahrnehmbarkeit Gottes gehören hierher. Dennoch bleibt noch erhebliche Arbeit.
Der Band versammelt Vorträge, die bei einem Symposium an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien im Februar 2017 gehalten wurden. Sie stammen von einem illustren Kreis von Johannesexegeten und Spezialisten für die Gotteslehre des Neuen Testaments. In einer gut lesbaren Einleitung verortet Burz-Tropper zunächst die die Problematik der »Theo-logie« des Neuen Testaments insgesamt und des vierten Evangeliums im Besonderen und den Band wie die vorausgegangene Tagung im Gesamtprojekt der Herausgeberin zur »Gottesrede im Johannesevangelium«.
Der Reigen der Aufsätze wird eröffnet durch den Beitrag des Alttestamentlers Hermann Spieckermann zum »alttestamentlichen Hintergrund« der Gottesrede des Evangeliums. Es ist einer der we­nigen Beiträge, die nicht von einem ausgesprochenen Johannesspezialisten geschrieben wurden und dem Band dadurch eine besondere Würze verleihen. Spieckermann ist freilich eine ausgezeichnete Wahl, weil er sich in den letzten Jahren vermehrt einer biblisch-theologischen Perspektive zugewendet und mit seinem neutestamentlichen Kollegen Reinhard Feldmeier einen Band zur »Menschwerdung Gottes« vorgelegt hat. Letzterer kommt etwas später im Band zu Wort. Schon das Wort »Hintergrund« deutet eine bestimmte Art der Verhältnisbestimmung an. Eine zweite Möglichkeit bietet der folgende Aufsatz von Jutta Leonhard-Balzer zur »Aufnahme frühjüdischer Rede von Gott im Johannesevangelium«, wobei es konkret »der Gott Israels« ist, der nach Leonhardt-Balzer Aufnahme findet. Damit scheint mir allerdings eine Pointe des Evangeliums eher verdeckt als erhellt: Der Gott Israels ist nach Aussage des Evangeliums eben nur dort richtig verstanden, wo er von der Offenbarung in Christus her verstanden wird (vgl. insbeson-dere Joh 9).
Veronika Burz-Tropper geht in ihrem Beitrag von Joh 1,18 als dem hermeneutischen Schlüssel des Evangeliums aus: Jesus ist derjenige, der Gott auslegt. Da ist ihr nur zuzustimmen, und sie sagt es – unter Rückgriff auf Barretts klassischen Aufsatz zur »Christocentricity« and »Theocentricity« des Evangeliums – mit dankenswerter Klarheit. Wenn sie indes dieses »Auslegen« allein auf die Rede Jesu fokussiert, dann erleben wir eine eigentlich typisch lutherische Engführung. Demgegenüber ist jedoch von Joh 1,14 her zu betonen, dass das Wort eben Fleisch geworden und nicht Wort geblieben ist. Dies noch ernster zu nehmen, würde ihm Blick auf die von Burz-Tropper im Anschluss skizzierten exemplarischen Arbeitsfelder (»Gott, der Vater«, »Einzigkeit und Unsichtbarkeit«, »Ich-bin-Worte«) m. E. noch ein plastischeres Bild im Blick auf die Art johanneischer Gottesrede ergeben. Olivia Rahmsdorf und Ruben Zimmermann tanzen den Weg im Blick auf die christologische Theologie des vierten Evangeliums als Pas de deux zwischen »Doktorvater und Doktortochter« weiter und fragen nach der ge­naueren Durchführung von Christozentrik und Theozentrik im Johannesevangelium im Blick auf Motive wie »Vater«, »Hirte«, »Richter«, »Bräutigam« und theologische Kernbestimmungen wie Leben, Schöpfung, doxa, Liebe. Jan van der Watt greift die Frage erneut auf im Blick auf das Verhältnis von Macht und Repräsentation.
Die Parakletsprüche und ihre theologischen Implikationen (Michael Theobald), sowie die Vatermetapher als Grundbestimmung göttlicher Bezogenheit, die nie bei sich bleiben will (Reinhard Feldmeier), schließen sich an, gefolgt von zwei aufeinander wechselseitig bezogenen Beiträgen zu »Gottes rekreatorischem Handeln«, jeweils bei Paulus und Johannes im Vergleich untersucht. Zunächst bearbeitet Christiane Zimmermann die aktivische Rede bei Paulus vom »Lebenschaffen« Gottes im Vergleich mit der passivischen Rede bei Johannes vom »von oben/aus Gott gezeugt Werden« des Menschen. Anschließend untersucht Christina Hoegen-Rohls die paulinische Rede von der Neuen Schöpfung im Vergleich mit der sowohl bei Paulus als auch bei Johannes erscheinenden Rede vom Ewigen Leben als »Lexeme der Gottesrede«, also im Blick auf die Frage, was sich aus diesem Schöpfungshandeln Gottes über sein Wesen und seinen Umgang mit seiner Schöpfung entnehmen lässt. Schließlich darf eine Diskussion der johanneischen Bestimmung Gottes als »Liebe« nicht fehlen, die den Abschluss des Bandes bildet mit zwei Beiträgen von Johannes Beutler, der von 1Joh 4 herkommt, und Jörg Frey, der den Bogen vom Johannesevangelium zur Johannesapokalypse spannt und sich dem Vergleich der Gottesbilder von Johannesapokalypse und Johannesevangelium zuwendet.
Insgesamt handelt es sich um einen reichen und nützlichen Band, der insbesondere dadurch lesenswert ist, dass die Beiträge durch einen klaren thematischen Fokus verbunden sind.