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Ausgabe:

April/2022

Spalte:

362–364

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Albrecht, Christian, u. Peter Gemeinhardt[Hgg.]

Titel/Untertitel:

Themen und Probleme Theologischer Enzyklopädie. Perspektiven von innen und von außen.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. VIII, 315 S. Kart. EUR 79,00. ISBN 9783161598623.

Rezensent:

Eilert Herms

Seit 2011 erscheinen beim Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, in der Reihe »Neue Theologische Grundrisse« Lehrbücher zu den klassischen Disziplinen evangelischer Theologie sowie ihren Teil- und Nachbardisziplinen. Inzwischen liegen fünf Bände vor, zum Teil schon bestens eingeführt und in 2. Auflage, wie M. Meyer-Blancks »Gottesdienstlehre« oder B. Schröders »Religionspädagogik«. Damit die Reihe »am Ende nicht nur ein buntes Nebeneinander« von fachs pezifischen »Grundrissen« ergäbe, »sondern ein Ensemble von Büchern, bei denen die übergreifende theologische Dimension jedenfalls im Blick wäre«, luden die sechs Reihenherausgeber – Konrad Schmid (AT), Jens Schröter (NT), Peter Gemeinhardt (Chris-tentumsgeschichte [vormals KG und DG]), Michael Moxter (ST), Christian Albrecht (PT), Jürgen Mohn (RW) – »die Autorinnen und Autoren der werdenden Bände« auf den 15. und 16. März 2019 zu einer (vom Verlag »mit vorangetriebenen«) Tagung ein, um mit diesen »ins Gespräch darüber zu kommen, was das ›Theologische‹ an den ›Neuen Theologischen Grundrissen‹ sein könnte und sollte.« Die zu dieser Tagung von den Reihenherausgebern in Impulsre-feraten beigesteuerten Skizzen ihres Verständnisses des eigenen Fachs, Response darauf durch Vertreter anderer Fächer (beides in aufgrund der Diskussionen überarbeiteter Gestalt) bilden den einen, »Perspektiven [auf die ev. Theologie] von innen« ausmachenden, Teil vorliegender Sammlung, Beiträge aus nicht zur evangelisch-theologischen Fakultät gehörenden Fächern artikulieren im zweiten Teil »Perspektiven [auf die ev. Theologie] von außen«:
Auf K. Schmids »Die Wissenschaft vom Alten Testament im Rahmen der Theologie« (13–46) respondieren Jörg Freys »Die alttestamentliche Wissenschaft aus der Perspektive der neutestamentlichen« (47–58) sowie Reiner Anselms »Kommentar zum Impuls von Konrad Schmid« unter dem Obertitel »Das Verbindende der Praxis. Der Bezug auf die Vollzüge des Christentums macht die Theologizität einer Disziplin aus« (59–62). Auf Jens Schröters »Theologische Enzyklopädie in neutestamentlicher Perspektive« (63–78) respondieren M. Ohsts »Bemerkungen zu Jens Schröters Beitrag« unter dem Titel »Das neue Testament in konsequent historischer Sicht« (81–96.) Auf P. Gemeinhardts Skizze »Geschichte des Christentums als theologische Disziplin« (97 ff.) antwortet Ursula Roths »praktisch-theologische Response auf Peter Gemeinhardts enzyklopädische Selbstverortung des Faches Kirchengeschichte« unter dem – G.s Leitgesichtspunkte aufgreifenden – Obertitel »Ernüchternd, erhellend, erfahrungsbezogen« (115–119). Auf M. Moxters »Enzyklopädie aus der Perspektive Systematischer Theologie« beziehen sich aus neutestamentlicher Sicht S. Vollenweiders »nicht-systematische Response« »Grenzverkehr« und aus praktisch-theologischer Sicht M. Meyer-Blancks »Systematische und praktische Annäherung an die theologische Hermeneutik« (151–155). Über die zahl-reichen Anknüpfungspunkte in Christian Albrechts Skizze »Die Praktische Theologie im Gesamtzusammenhang der Theologie« (157–173) freut sich P. Gemeinhardt unter dem Titel »Über die (Un)Vollkommenheit der Praktischen Theologie – aus der Sicht der Christentumsgeschichte« (177–180). Die Darstellung der »Religionswissenschaft als nicht-theologische Disziplin in ihrem Bezug zur theologischen Enzyklopädie. Verortung und Entwicklung von der Emanzipation zur Partizipation« (181–191) durch J. Mohn, dessen religionswissenschaftlicher Lehrstuhl in Basel sowohl zur Philosophisch-historischen als auch zur Theologischen Fakultät ge­hört, findet eine Response in K. Kunters Hinweisen auf »Bezugspunkte und offene Fragen. Religionswissenschaft aus Sicht der Kirchlichen Zeitgeschichte« (193–197) und eine zweite in C. Richters Anmerkungen zu »Wahrheit und Relevanz in Religionswissenschaft und Theologie« (199–203).
Eine erste »Perspektive von außen« eröffnet D. Sattler mit ihrem auf dem Boden des römisch-katholischen Ökumenismus stehenden, ganz auf »Enzyklopädie« als umfassende Darstellung von Wissensbeständen, eben »Grundrissen«, fokussierten Beitrag »Christliche Enzyklopädien [Pl.!] in ökumenischer Verantwortung. Vorentscheidungen – Herausforderungen – Perspektiven« (207–224). Vom Boden der Religions- und Kulturwissenschaftler blickt U. Berner auf die Theologie (»Theologie und Religionswissenschaft. Ansätze zur Einordnung und Abgrenzung« [225–244]), vom Boden der Soziologie aus G. Pickel (»Der skeptische Blick auf das Normative – Theologie aus der Perspektive der Sozialwissenschaften« [247–260]). »Er­wartungen der evangelischen Kirchenrechtswissenschaft an die Theologie« (261–264) äußert ebenso kurz wie genau M. Germann und die »Theologie aus der Perspektive der Kunst und Kulturwissenschaft« (265–296) erörtert hochempathisch W. Braungart. Ab­schließend gibt V. Gerhard der christlichen Theologie – einschließlich Trinitätslehre – den philosophischen Segen (»Theologie aus der Perspektive der Philosophie« [297–306]). Bedauerlich (aber vielleicht rein zufällig?), dass eine Thematisierung von Theologie aus der Perspektive der Psychologie (Religionspsychologie), die vermutlich ebenfalls höchst aufschlussreich wäre, fehlt.
Beiden Hauptteilen voran geht A. Beutels die Tagung eröffnender Abendvortrag »Theologische Enzyklopädie. Bemerkungen zur Genese, Bedeutung und Aktualität einer notwendigen Disziplin« (13–34), mit seiner Doppelpointe: Nachweis der Dringlichkeit der Initiative des Herausgeberkreises, angesichts des heutigen »fatalen Ausmaßes« an zentrifugaler Spezialisierung in den theologischen Teildisziplinen das Bewusstsein »der Einheit der Theologie in der Vielfalt ihrer Disziplinen [und deren Binnendifferenzierung]« (Chr. Schwöbel) zurückzugewinnen, und Plädoyer für die Erfüllung dieser Pflicht durch situationsgerechte Aneignung und Fortschreibung der der Aufklärungstheologie verdankten (von Schleiermacher geerbten und wirksam entfalteten) Einsicht in das Fundiertsein der Einheit von Theologie in der allen ihren möglichen und erforderlichen Spezialgebieten gemeinsamen Verantwortlichkeit für den verantwortbaren Vollzug einer unverwechselbaren und unverzichtbaren Praxis: eben der christlichen (30–34).
Wurde diese eröffnende Diagnose und Aufgabenstellung durch den Verlauf der Tagung bestätigt? Das Detail der Diskussionen ist nicht überliefert. Aber ihr tatsächliches Gefälle dürfte, wie das Wechselspiel von Impulsen und Responsen zeigt, in der Einleitung der Herausgeber (1–9) zutreffend zusammengefasst sein: Einerseits ist nicht zu bestreiten und auch nicht zu stoppen die durch ihre unvermeidbare, für sie wesentliche Außenkommunikation angetriebene Binnendifferenzierung der Theologie und aller ihrer Teil diziplinen; andererseits steht und fällt die Selbständigkeit der Theologie im Zusammenspiel der Wissenschaften mit ihrer Fähigkeit, in allen ihren Spezialisierungen gleichwohl Auskunft über ihre sich auch in allen diesen Spezialisierungen manifestierende Einheit, Unverwechselbarkeit und Unverzichtbarkeit innerhalb des Zusammenhangs der Wissenschaften zu geben – und dafür kommt nichts anderes als die sich in all diesen Verschiedenheiten manifestierende Praxisverantwortung in den Blick. Auf diesen Konsens hin tendieren die Tagungsbeiträge. Dass er sich durch den Berichtsband in der evangelischen Theologie insgesamt ausbreitet, ist zwar zu hoffen, aber durchaus offen. Und ebenso, ob auch für die außertheologischen Wissenschaften, deren Außenperspektive auf die Theologie die Tagung zu Worte kommen ließ, dieser tendenzielle innertheologische Konsens sichtbar geworden und, wenn ja, auch anerkannt worden ist. Vor allem aber scheint eine Frage, die für Theologie, die ihre Einheit aus solcher Praxisverantwortung begreift, naheliegt, während der Zusammenkunft noch gar nicht an die nichttheologischen Humanwissenschaften gestellt worden zu sein: die Frage nämlich, worin denn deren Einheit gründe. Etwa in etwas anderem als ebenfalls in der Verantwortung für eine spezifische Praxis? Und wenn nein: Für welche?