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Ausgabe:

März/2022

Spalte:

262–263

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schuster, Benny Grey

Titel/Untertitel:

Das Osterlachen. Darstellung der Kulturgeschichte und Theologie des Osterlachens sowie ein Essay über die kulturelle, kirchliche und theologische Verwandlung des Lachens. Aus d. Dän. übers. v. E. Harbsmeier.

Verlag:

Hamburg: Igel Verlag 2019. 428 S. = Flensburger Studien zu Literatur und Theologie, 14. Kart. EUR 44,00. ISBN 9783868157307.

Rezensent:

Benedikt Kranemann

Das Osterlachen stößt immer wieder auf Interesse nicht nur in Theologie und Kulturwissenschaften, sondern auch in den Medien. Das Lachen in Verbindung mit Religion, Liturgie, Osterfest er­scheint in der Gegenwart als etwas Exotisches, das eher als Kuriosum wahrgenommen wird. Dass es sich bei der Auseinandersetzung vergangener Jahrhunderte wegen des Osterlachens um wirklich ernsthafte theologische Diskussionen handelte, geht dabei leider häufig unter. Ein Buch wie die vorliegende Studie, die sowohl den historischen wie den theologischen Fragen des risus paschalis nachgeht, fehlte bislang.
Benny Grey Schuster erschließt eine der wichtigsten Quellen in der Geschichte des Osterlachens. 1518 schrieb Johannes Oekolampad einen umfangreichen Brief an den Baseler Münsterprediger Wolfgang Capito. Er verteidigt darin seine Predigtpraxis gegen den Vorwurf der Distanz zum Volk und zu großer Nüchternheit. In diesem Zusammenhang kritisiert er harsch die zu seiner Zeit verbreitete, von den Gläubigen geradezu erwartete Sitte, durch zum Teil sehr derbe Witze und Aktionen zum Ostergelächter herauszufordern. Diesen Brief, 1518 in Basel als Buch veröffentlicht, und das Vorwort von Capito druckt Schuster in lateinischer Sprache und deutscher Übersetzung (von Martin Sander Harbsmeier) ab und kommentiert den Text umfänglich (41–106). Für die weitere Forschung und Auseinandersetzung mit dieser Quelle liegt damit jetzt eine hilfreiche Erschließung vor. Schuster schickt dem in der »Einleitung« (21–40) u. a. wichtige Hinweise zur Forschungsgeschichte voraus.
Der Wiedergabe der Quelle folgt zunächst das Kapitel I »Was war Osterlachen?« (107–140) Darin werden beispielsweise Charakteristika des Osterlachens behandelt. So ist das Lachen eine Besonderheit im Gottesdienst (107), handelt es sich um eine Handlung des Priesters im Blick auf die Gemeinde (108), ist es als »Osterlachen in die Feier der Auferstehung eingebunden« (109). Folglich kann das Lachen nicht etwas Schlechtes oder Böses sein, was durchaus diskutiert wurde. Ausführlich wird behandelt, wie das Osterlachen geweckt wurde (114–125) und seit wann es existiert (125–138). Der Vf. spricht sich mit plausiblen Gründen für das 14. Jh. aus, verweist zugleich darauf, dass das Lachen zu anderen Festzeiten bereits im 12. und 13. Jh. verbreitet war. Kapitel II widmet sich der Wirkungsgeschichte des risus paschalis und der Auseinandersetzung darum zwischen den Konfessionen (141–198). Der Vf. bringt die Kritik auf den knappen Satz: »Eine Theologie, die das Gewicht auf die Versöhnung und den Kreuzestod legt, wird zu einer Form von Ernst neigen, wo Lachen und Heiterkeit als ein Vergessen der Wirklichkeit der Sünde angesehen wird.« (184) Nachdem das Osterlachen jahrhundertelang vor allem in intellektuellen Debatten ein Thema war, wurde es im 20. Jahrhundert durch die Wissenschaft wiederentdeckt, wie der Vf. anhand vielfältiger Literatur belegt. Eine in­teressante Frage wäre, ob durch die wissenschaftliche Beschäftigung auch eine Renaissance in der Praxis erfolgt ist. Das Kapitel III untersucht »Argumente für und gegen das Osterlachen« (199–268). Dafür werden pädagogische und anthropologische Argumente angeführt, aber auch »Die Tradition als Argument« (207–210) oder »Die Freude als Argument« (214–254) genannt, was von der Systematik her aufgrund inhaltlicher Überschneidungen nicht überzeugt. Eine besondere Rolle für das Lachen an Ostern spielt der Auferstehungsglaube, denn in diesem Zusammenhang kann Lachen, so der Vf. mit Lenz Prütting, als Zeichen für Glaube und Nachfolge verstanden werden (268). Das abschließende Kapitel IV steht unter der Überschrift »Hat Jesus gelacht? Ein Essay über die kulturelle, kirchliche und theologische Verwandlung des Lachens« (269–357). Es geht u. a. auf Fragen der Inkarnation, der Bedeutungen des La­chens und den Zusammenhang von Christentum und Humor ein.
Die gesamte Studie lädt zur Auseinandersetzung mit einem Phänomen ein, das in der Theologie ganz offensichtlich eine intensivere Beschäftigung verdiente, denn es geht nicht um ein beliebiges Handeln. Vielmehr zeigt die Debatte über die Jahrhunderte, wie am Beispiel von Lachen und Osterlachen grundlegende Inhalte des Christentums thematisiert und diskutiert werden, wie hier Konfessionen und Theologien unterschiedlichen Zuschnitts ins Spiel kommen. Edition und Übersetzung des »Briefes« von Oekolampad, die vielfältige Literatur aus verschiedenen Jahrhunderten, die das Buch referiert und interpretiert, sowie wie weiterführenden Thesen des Vf.s zeichnen die Studie aus. Sie zeugt von der stupenden Kenntnis des Autors. Ohne Frage verbindet sich damit ein erheblicher Erkenntnisgewinn, gerade auch in interdisziplinärer Hinsicht. Kulturwissenschaften wie Theologie sind gleichermaßen angesprochen, wenn hier in ganzer Vielfalt dem Osterlachen nachgegangen wird. Etwas mehr hätte man gerne noch zur Einbindung in die Liturgie erfahren. Auch die heutige Praxis des Osterlachens, die es ja immer noch oder wieder gibt, kommt zu kurz.
Leider ist das Buch alles andere als leserfreundlich geschrieben. Die Systematisierung überzeugt nicht immer. Es gibt Überschneidungen zwischen den Buchkapiteln, die sich hätten vermeiden lassen. Zusammenfassungen der jeweils komplexen Ausführungen fehlen ebenso wie ein Sachregister, das helfen würde, die Schätze, die dieses Buch zweifellos birgt, zu heben.
Einige Literaturtitel könnte man nachtragen, so Jürgen Bärsch, Risus paschalis. Der Brauch des Ostergelächters in Liturgie und Frömmigkeit, in: Meditation. Zeitschrift für christliche Spiritualität und Lebensgestaltung 24. 1998, 2, 24–28; Harald Buchinger, »Durch das Kreuz kam Freude in die Welt«. Von Sinn und Unsinn des Ostergelächters, in: Wort auf dem Weg 289. 2004, 38–41; Claudio Balzaretti, »Risus paschalis«. Appunti per una ricerca »in fieri«, in: Studi e materiali di storia delle religioni 82. 2016, 385–400.
Doch zweifellos liegt hier eine Studie zu einem auch theologisch anspruchsvollen Thema vor, die die Kenntnisnahme und Auseinandersetzung lohnt.