Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2022

Spalte:

222–224

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Earnshaw, Rebekah

Titel/Untertitel:

Creator and Creation according to Calvin on Genesis.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020. 229 S. m. 7 Abb. = Reformed Historical Theology, 64. Geb. EUR 75,00. ISBN 9783525540831.

Rezensent:

Andrea Hofmann

In ihrer 2020 erschienenen Monographie Creator and Creation ac­cording to Calvin on Genesis beschäftigt sich Rebekah Earnshaw mit einem bisher von der Calvin-Forschung vernachlässigten Gebiet: Sie rekonstruiert anhand von Schriften Calvins zur Genesis dessen Verständnis von Schöpfer und Schöpfung. In erster Linie berücksichtigt sie dabei Calvins Genesiskommentar von 1554 sowie verschiedene Predigten Calvins zu einzelnen Abschnitten aus dem biblischen Buch Genesis. Die Studie gliedert sich in fünf Kapitel mit programmatischen Titeln. In der Einleitung »In the Beginning« (1.) gibt E. Auskunft über Vorgehen und Zielsetzung der Studie. Sie verweist auf die besondere Bedeutung, die Schöpfer und Schöpfung nicht nur im Werk Calvins, sondern auch für die Theologie heute haben. Nicht zuletzt für den heutigen theologischen Diskurs will sie mit ihrer Forschung, die an der Schnittstelle zwischen historischer und systematischer Theologie angesiedelt ist, einen Beitrag leisten.
E. berichtet in der Einleitung kurz über die Auseinandersetzung mit diesem Thema im 20. und 21. Jh. und zeichnet dann in einem historischen Überblick Calvins Beschäftigung mit dem Buch Ge-nesis sowie mit dem Thema Schöpfung allgemein nach. In ihren Augen ist Calvin ein biblischer Theologe, dessen Werk exegetische, dogmatische und ethische Implikationen enthält. Nach der Einleitung folgt eine detaillierte Analyse der Schriften Calvins zur Genesis, die E. unter die Überschriften »Creator« (2.), »The Agent and Act of Creation« (3.), »Creatures« (4.) und »Providence« (5.) stellt. Anhand eines close reading systematisiert E. die Aussagen Calvins in den untersuchten Schriften zu diesen Themen, verweist immer wieder auf die dahinterliegende Tradition und reagiert auf Forschungen zu Calvin aus neuerer Zeit. E. betont zunächst, dass Gott selbst immer im Zentrum von Calvins Denken steht (2.). Auch wenn Calvin also über das Thema Schöpfung schreibt, bringt er diese Überlegungen immer in Verbindung mit Gott. Gott wird dabei als Schöpfer und Erlöser zugleich gedacht. In Calvins Augen ist die Geschichte der Schöpfung zugleich auch die Geschichte der Kirche, so dass ein Kontinuum seit Anbeginn der Welt bis zu Calvins Zeit besteht. Calvin schreibt Gott verschiedene Eigenschaften zu: Er ist l’Eternal, wobei die Trinität Gottes schon vor Beginn der Zeiten festgelegt war. E. verweist darauf, dass Calvin diesen Sachverhalt deshalb besonders betont, weil er sich damit mit den Positionen Michel Servets auseinandersetzt. In Calvins Verständnis ist zudem der Unterschied zwischen dem ungeschaffenen Schöpfer und der geschaffenen Schöpfung wesentlich sowie Gottes unermessliche Barmherzigkeit, mit der er in Freiheit allen Kreaturen alles gegeben hat, was sie brauchen.
Die Schöpfung (3.) ist nach Calvin eine creatio ex nihilo, an der alle drei göttlichen Personen in ihrer Einheit beteiligt waren und die in und mit der Zeit entstanden ist. Schöpfung und Heilsgeschichte sind in Calvins Verständnis eng miteinander verbunden. Die Geschöpfe (4.) werden von Calvin zunächst als Teil der von Gott gut geordneten Schöpfung und somit selbst als gut betrachtet. E. stellt fest, dass in Calvins Schriften eher die gute Ordnung der Schöpfung als die Brüchigkeit und das Chaos in der Welt im Vordergrund steht. Intensiv widmet sie sich den Aussagen Calvins über die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpfen sowie dem Verhältnis der Geschöpfe untereinander. Dabei bezieht sie nicht nur Calvins Menschenbild in ihre Überlegungen ein, sondern widmet sich auch eingehend den Stellen in Calvins Schriften, in denen er sich zu den Tieren und deren Rolle innerhalb der Schöpfung äußert. Im letzten Kapitel befasst sich E. mit Calvins Vorsehungslehre (5.), die sie als Zuflucht für die Glaubenden versteht: Auch wenn »Böse« versuchen, Gottes guten Plan zu durchkreuzen, wird sich dank Gottes Vorsehung für die Auserwählten am Ende alles zum Guten wenden. In der Genesis zeugt davon z. B. die Geschichte von der Opferung Isaaks, in der Gott selbst die Rettung Isaaks herbeiführt hat, oder die Josephsgeschichte, an deren Ende Joseph – trotz aller Versuche seiner Gegner – durch göttliche Vorsehung gerettet wird.
Ein großes Verdienst der Arbeit ist es, dass E. in ihren Analysen ein bisher wenig berücksichtigtes Thema der Calvinforschung ins Blickfeld rückt. Dabei widmet sie sich nicht nur dem Genesiskommentar, sondern bezieht auch Predigten ein, eine ebenfalls (im Vergleich etwa zur Institutio) weniger beachtete Quellengattung. Ge­rade die Verbindung so unterschiedlicher Quellengattungen kann aber auch Gefahren bergen: Eine genaue Reflexion darüber, inwiefern sich ein Bibelkommentar und Predigten schon allein aufgrund ihrer gattungsspezifischen Eigenschaften unterscheiden, wäre lohnenswert. Die thematische Gliederung der Arbeit er­scheint inhaltlich angemessen – allerdings führt sie dazu, dass Calvins Werk an einigen Stellen zu sehr in einem Guss gelesen wird und Entwicklungen oder Nuancierungen, die bestimmten historischen Entwicklungen geschuldet sind, weniger Beachtung finden. Hier liegt insgesamt eine Problematik der Studie, die auf der Schnittstelle zwischen historischer und systematischer Theologie verortet ist, was zu einer gewissen methodischen Unklarheit führt und an manchen Fällen zu Lasten der historischen Analyse geht. So könnte gerade die historische Einordnung der Schriften Calvins an einigen Stellen (z. B. in Bezug auf die Positionen Servets) ausführlicher sein. Die Auseinandersetzung mit Forschungsliteratur nimmt großen Raum innerhalb der Studie ein und kann einige alte Positionen bzw. Lesarten revidieren und berichtigen. Hilfreich wären insgesamt mehr Originalzitate aus Calvintexten, so dass die Leser und Leserinnen Interpretationen selbst schnell nachvollziehen können. Gerade im Blick auf eines von E.s Zielen, nämlich Calvins Schöpfungstheologie auch mit der Theologie heute ins Ge­spräch zu bringen, leistet die Studie jedoch durch ihre klare Struktur und Gliederung eine fruchtbare Vorarbeit.