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Ausgabe:

März/2022

Spalte:

181–182

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Freiberger, Oliver

Titel/Untertitel:

Considering Comparison. A Method for Religious Studies.

Verlag:

Oxford u. a.: Oxford University Press 2019. XIII, 240 S. Geb. US$ 115,00. ISBN 9780199965007.

Rezensent:

Stefan S. Jäger

Die religionsvergleichende Arbeitsweise ist seit längerer Zeit einer vielfältigen und auch grundsätzlichen Kritik unterzogen worden. Oliver Freiberger, Professor für Asian Studies and Religious Studies an der University of Texas in Austin, vertritt demgegenüber die These, dass der Religionsvergleich eine zentrale, ja sogar die konstitutive Arbeitsweise der Religionswissenschaft bildet (45.196), und hält eine Debatte über deren Methodologie »as an organized and controlled operation« für lange überfällig (166). In fünf Kapiteln analysiert er die Ursachen der Kritik, reflektiert die epistemologischen Voraussetzungen der Komparatistik und entwickelt eine Methodologie, die kritische Einwände produktiv verarbeitet. Darauf aufbauend entwirft F. exemplarisch ein religionsvergleichendes Forschungsdesign und bringt das Modell einer »Discourse Comparison« in die Diskussion ein.
Das erste Kapitel (7–44) beschreibt zunächst das Proprium der Religionswissenschaft (religious studies) im Blick auf Gegenstandsbereich, Funktion und Methodik im Unterschied zu anderen akademischen Disziplinen, die sich ebenfalls mit Religion(en) beschäftigen. Nach F. ist dabei Komparatistik für religionswissenschaftliche Theorie- und Begriffsbildung grundlegend: »… all theoretical categories of religious studies are metalinguistic terms that emerge from comparison.« (20) Dazu gehört auch der Begriff der Religion selbst (43.197). Den Geltungsbereich umreißt F. mit den Funktionen description und classification. In Kapitel 2 (45–79) setzt sich F. mit den Gründen für durchaus berechtigte Kritik an der Komparatistik auseinander, die zum großen Teil in der klassischen Religionsphänomenologie liegen, die hinter den religiösen Er­scheinungen ein »Wesen der Religion« auszumachen versuchte. Die größten Risiken der vergleichenden Methode werden entsprechend mit den Stichworten Essentialisierung, Dekontextualisierung und Universalisierung benannt. Die Kritik trifft nach F. jedoch nicht notwendig die Komparatistik als »Methode zweiter Ordnung« selbst, sondern vielmehr mangelnde Expertise bei den methodischen Zugängen erster Ordnung, fehlende methodologische Reflexion und Transparenz sowie vor allem ideologiegeleitete Folgerungen, die aus Religionsvergleichen gezogen wurden und werden. Hier nimmt F. differenzhermeneutische Kritik postmoderner und postkolonialer Theorieentwürfe auf (55–65) und widmet auch dem kognitiven Ansatz in der Religionswissenschaft einen eigenen Abschnitt (65–78).
Kapitel 3 widmet sich den sensibelsten Aufgaben des Vergleichens: der Auswahl und Eingrenzung der zu vergleichenden Einheiten (comparands) sowie des tertius comparationis, woraufhin diese befragt werden sollen. Hier liegt die Gefahr projektiver Abstraktion besonders nahe. Beides muss daher nach F. heuristisch und modifizierbar bleiben (109). Um die Kontingenzen, die mit der Person des/der Forschenden und ihrer/seiner Situiertheit gegeben sind, angemessen in die Reflexion einzubeziehen, wird zudem ein »Scholar-Centered Approach« (81–110) vorgeschlagen, der die individuellen, akademischen und kulturellen Faktoren expliziert und möglichst transparent macht. In Kapitel 4 (111–166) wird ein Theorierahmen für die Praxis des Vergleichens entworfen, bei dem F. für die »configuration of a comparative study« zwischen modes, scales und scopes of comparison unterscheidet. In der Diskussion mit anderen Entwürfen kommt F. zu der Unterscheidung von illuminative und taxonomic mode, die sich jedoch ergänzen. Während es bei Erstem um die Beschreibung und Erhellung von spezifischen Profilen geht, hat der taxonomische Modus deren Klassifikation zum Ziel. Bei den scales werden eine Makro-, Mikro- und Meso-Ebene unterschieden. F. verwendet die Metapher von Landkarten, die in unterschiedlichen Maßstäben das Gelände abbilden (jedoch mit diesem nicht zu verwechseln sind). Unter scopes werden schließlich contextual, cross-cultural und trans-historical comparisons verstanden, wobei diese unterschiedlichen Reichweiten auch kombiniert werden können.
Für den Prozess des Vergleichens schlägt F. die analytische Un­terscheidung von fünf methodischen Schritten (operations) vor: selection (i. e. der zu vergleichenden Einheiten), description and analysis, juxtaposition, redescription und rectification/theory formation. Dabei ist zu beachten, dass sich diese Methodenschritte im prak-tischen Vollzug überlappen und in einem nicht-linearen wechselwirksamen Prozess dynamisch entwickeln. Im abschließenden Ka­pitel 5 erläutert F. anhand seiner Habilitationsschrift von 2009 sein Verständnis einer »Discourse Comparison« (167) mit dem Ziel der Entwicklung und Verfeinerung von Taxonomien (hier ein diskursiver Begriff von Askese) und exemplifiziert daran die bereits theoretisch beschriebenen Methodenschritte. Gegenstand des Vergleichs sind dabei die durchaus vielfältigen Diskurse selbst, wie sie in ihren jeweiligen Traditionen situiert sind. Auf diese Weise wird nach F. auch der Gefahr einer unangebrachten Dekontextualisierung und Essentialisierung wirkungsvoll begegnet.
Der Band könnte auch den Titel »Comparison Reconsidered« tragen. F. bricht eine Lanze für vergleichende Religionsforschung und stellt sie auf eine methodologisch sehr reflektierte Grundlage, die auch für die Evaluierung bisheriger Vergleichsstudien hilfreich ist. Aufgrund seiner doppelten akademischen Beheimatung in Deutschland (Promotion in Göttingen, Habilitation in Bayreuth) und in den USA verarbeitet F. ausführlich sowohl die englisch- als auch deutschsprachigen Debatten. Die Beschreibung konkreter Me­thodenschritte bietet für die Forschungspraxis weiterführende Hinweise. Interdisziplinär können die methodologischen Reflexionen auch für vergleichende Kulturwissenschaften, den interreligiösen Dialog sowie für eine Theologie der Religionen und Komparative Theologie wichtige Impulse geben. Hier wäre vor allem noch die Frage des Verhältnisses von emischer und etischer Perspektive relevant, die bei F. nicht eigens thematisiert wird, da er als historisch-empirisch arbeitender Religionswissenschaftler stets von einer etischen Perspektive ausgeht. Summa summarum bietet vorliegender Band eine informative Einführung in die methodologischen Fragen religionswissenschaftlicher Komparatistik und einen bedenkenswerten eigenen Diskussionsbeitrag, der zu weiteren vergleichenden Studien anregen will.