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Ausgabe:

März/2022

Spalte:

179–181

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Abdelmassieh, Francis

Titel/Untertitel:

Egyptian-Islamic Views on the Comparison of Religions. Positions of Al-Azhar University Scholars on Muslim-Christian Relations.

Verlag:

Münster u. a.: LIT Verlag 2020. 176 S. = Beiträge zur Missionswissenschaft/Interkulturellen Theologie, 49. Kart. EUR 29,90. ISBN 9783643912800.

Rezensent:

Detlef Hiller

Der Verfasser, Francis Abdelmassieh, wurde 1977 in Ägypten geboren. Von 2001 bis 2013 war er Pfarrer der Evangelisch-Presbyterianischen Kirche von Ägypten. Seit 2013 lebt er mit seiner Familie in Deutschland und ist derzeit für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers tätig. Das hier zu besprechende Buch ist seine Promotionsschrift zum Dr. phil. an der Bergischen Universität Wuppertal.
Das Werk ist in englischer Sprache verfasst und umfasst nur 156 Seiten. Es ist flüssig geschrieben und sehr klar (manchmal fast zu kleinteilig) strukturiert, so dass auch der eilige Leser, den nur bestimmte Aspekte interessieren, anhand der Gliederung schnell fündig wird.
A. behandelt den Religionsvergleich aus ägyptisch-islamischer Perspektive, wobei er den vergleichenden Blick auf das Christentum fokussiert. Als Repräsentanz für die ägyptisch-islamische Sicht wählt er die Al-Azhar Universität, deren Deutungs- und Orientierungsfunktion jedoch weit über Ägypten hinaus in den gesamten sunnitisch-islamischen Raum reicht. Damit befasst er sich zwar vordergründig mit der Frage nach der islamischen Sicht auf das Christentum in Ägypten, tatsächlich aber werden hier Informationen generiert, die den gesamten sunnitisch-islamische Mainstream betreffen.
A. geht methodisch wie folgt vor: In einem sehr konzis gehaltenen Einleitungsteil erläutert er das Verhältnis von Christen und Muslimen in Ägypten und gibt Einblicke in die Entwicklung der ägyptischen Gesellschaft ab der zweiten Hälfte des 20. Jh.s. Dabei geht er sowohl auf interreligiöse Initiativen der christlichen Kirchen in Ägypten ein als auch auf einschlägige Buchveröffentlichungen, die sich mit Dialogaktivitäten von verschiedenen Seiten befassen. Dann stellt er die konkreten Fragen vor, die er an die Arbeiten von Al-Azhar Gelehrten, die im Bereich der vergleichenden Religionswissenschaft veröffentlich haben, richtet. Sie machen die Stoßrichtung der Untersuchung deutlich und werden daher hier in Teilen zitiert:
»In which way do theological interpretations of the religious Other promote peaceful and respectful relations between people of different faiths? […] How do they approach other religions methodologically? What is the theological outcome of the comparison? […] do these scholars try to understand other religions within the respective frameworks of those religions […] Do these comparisons open up spaces for mutual understanding and recognition?« (21)
Der Hauptteil der Studie besteht aus drei Teilen: Ein relativ kurzer erster Teil behandelt die interreligiösen Beziehungen zwischen Al-Azhar und den Kirchen, erläutert die große Bedeutung von Al-Azhar und beschreibt Positionen ihrer wichtigsten Funktionäre und Gelehrten der letzten 40 Jahre.
Der zweite Teil macht mit 90 Seiten den Hauptteil der Studie aus. Hier untersucht A. drei aktuelle Positionen von Al-Azhar-Ge­lehrten. Die Untersuchung bezieht sich auf drei in arabischer Sprache veröffentlichte Bücher, deren Titel A. wie folgt übersetzt: »Trinity between Paganism and Christianity« (2005) von Mahmud Ali Abdel Rahman Himaiyah (geb. 1946), »The Messiah, Son of Mary, in the Holy Quran« (2013) von Taha Rayyan (geb. 1939) und das 2018 in 8. Auflage erschienene Buch »Christianity« von Ahmad Shalabi (1915–2000).
Auf diese Weise kommen drei unterschiedliche Ansätze des »Religionsvergleichs« zur Sprache, die alle im Ergebnis als klar apologetisch identifiziert werden. A. stellt fest, dass Beurteilungsmaßstab in allen drei Fällen allein die koranische Botschaft ist: Während Himaiyah den Lesern anhand islamischer Gottesvorstellungen erläutert, dass das Neue Testament unlogisch und damit unglaubwürdig sei, basiert Rayyan ganz auf dem koranischen Textbefund und weist jede anderslautende Botschaft des biblischen Befundes aufgrund dieser Widersprüche als falsch zurück. Shalabi dagegen erkläre im Wesentlichen, dass die Botschaft des Neuen Testaments durch Paulus komplett verfälscht und damit wertlos wurde. A. kommt zu dem begründeten, nichtsdestotrotz deprimierenden Schluss:
»From the perspective of Western scholarship, none of these approaches deserve to be called a true ›comparison of religions‹, since they all are dogmatically constrained by the Quranic message and do not even intend to consider Christian or other sources according to their own self-understanding. Nevertheless, Western scholars must take the methods […] seriously for the simple reason that thinkers like these keep on publishing books and gain a great deal of influence among many people. It is the goal of this research to show that these approaches are being used today in the context of the Egyptian academy as typified by al-Azhar University. It becomes obvious how huge the gap is between such apologetical approaches and Western historical-critical scholarship.« (125)
Der abschließende kurze dritte Teil der Studie behandelt Standards des internationalen Diskurses zum Religionsvergleich, was den Unterschied zur Methode des Religionsvergleichs von Al-Azhar noch einmal unterstreicht.
Die kurze Studie von A. mag in mancher Hinsicht unvollständig sein, aber vielleicht qualifiziert sie sich gerade aufgrund dieser Überschaubarkeit zur »Pflichtlektüre« für alle, die im christlich-islamischen Dialog engagiert sind. Denn auch wenn Dialogpartner nicht die islamozentrische Mainstream-Positionen vertreten, so ist es doch von großem Wert, den Weg ermessen zu können, den sie zu gehen hatten, um zu einer Dialogfähigkeit zu gelangen.